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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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Die Grundrisse des Hauses hatte ich längst überlegt und festgestellt; dem Bezirks-Bauschaffner überliess ich die Aufrisszeichnungen und wies dessen Eingriffe in die Grundrisse zurück. Im Jahre 1865 wurde der Grundstein gelegt, 1866 der Bau vollendet. Ich hatte beim Kirchenbau so viel vom Bauwesen gelernt, dass ich die Bauleitung und Bauaufsicht selbst übernahm, wogegen niemand etwas einwandte, auch der in Zweibrücken wohnende Bauschaffner nicht. Die Handwerker mit ihren Ausflüchten und Intriguen, ihrer Unzuverlässigkeit und Lügenhaftigkeit in Versprechungen lernte ich diesmal erst recht kennen. Dagegen auch einen Maurermeister, der kein rohes und zorniges Wort hören liess, seine Leute ruhig und höflich behandelte, aber sehr bestimmt in seinen Anweisungen und scharf in der Überwachung der Ausführung war. Die Leute folgten ihm ehrerbietig und willig, um so mehr da er sehr tüchtig und erfahren war. Ich habe von dem feinen Herrn viel gelernt und war mit ihm nahe befreundet, als er von St. Ingbert wegzog, um in Wien sich bei dem Bau von Donaubrücken zu beteiligen.

Mitten in die Bauarbelt am Pfarrhause fiel im Jahre 1865 eine Generalsynode, zu deren geistlichen Vertreter der Diöcesansynode Homburg ich gewählt wurde. Die liberale Linke der Synode war der positiven Rechten um wenige Stimmen überlegen, aber wegen persönlicher Differenzen nicht ganz einig. So erlangte von den geistlichen Kandidaten der Linken und Rechten durch mehrere Wahlgänge hindurch keiner die nöthige absolute Majorität. Schliesslich schwenkte das rabiateste Mitglied der Linken zur Rechten herüber und gab mir seine Stimme, denn - so sagte er - bei mir wisse man woran man sei, aber bei dem Gegenkandidaten sei man nie sicher, ob er die sachlichen Gründe persönlichen Rücksichten vorgehen lasse. So kam ich als jüngstes geistliches Mitglied in die Generalsynode zugleich mit meinem Vater, welchen die Diözesansynode Zweibrücken entsandte. Es machte Aufsehen, dass Vater und Sohn zusammen in der Gen.Synode sassen und wurde auch sehr bemerkt, dass Vater und Sohn, obgleich sie ein Zimmer bewohnten, bei den Abstimmungen auseinandergingen, bei welchen Mittelparthey und Rechte sich scheiden. Die Linke, durch ihren Erfolg im Gesangbuchsstreite ermuthigt, griff die im Gebrauch befindlichen Lehrbücher an, nämlich Zahn's biblische Geschichte und den Unionskathechismus, der aus dem Heidelberger

Die Grundrisse des Hauses hatte ich längst überlegt und festgestellt; dem Bezirks-Bauschaffner überliess ich die Aufrisszeichnungen und wies dessen Eingriffe in die Grundrisse zurück. Im Jahre 1865 wurde der Grundstein gelegt, 1866 der Bau vollendet. Ich hatte beim Kirchenbau so viel vom Bauwesen gelernt, dass ich die Bauleitung und Bauaufsicht selbst übernahm, wogegen niemand etwas einwandte, auch der in Zweibrücken wohnende Bauschaffner nicht. Die Handwerker mit ihren Ausflüchten und Intriguen, ihrer Unzuverlässigkeit und Lügenhaftigkeit in Versprechungen lernte ich diesmal erst recht kennen. Dagegen auch einen Maurermeister, der kein rohes und zorniges Wort hören liess, seine Leute ruhig und höflich behandelte, aber sehr bestimmt in seinen Anweisungen und scharf in der Überwachung der Ausführung war. Die Leute folgten ihm ehrerbietig und willig, um so mehr da er sehr tüchtig und erfahren war. Ich habe von dem feinen Herrn viel gelernt und war mit ihm nahe befreundet, als er von St. Ingbert wegzog, um in Wien sich bei dem Bau von Donaubrücken zu beteiligen.

Mitten in die Bauarbelt am Pfarrhause fiel im Jahre 1865 eine Generalsynode, zu deren geistlichen Vertreter der Diöcesansynode Homburg ich gewählt wurde. Die liberale Linke der Synode war der positiven Rechten um wenige Stimmen überlegen, aber wegen persönlicher Differenzen nicht ganz einig. So erlangte von den geistlichen Kandidaten der Linken und Rechten durch mehrere Wahlgänge hindurch keiner die nöthige absolute Majorität. Schliesslich schwenkte das rabiateste Mitglied der Linken zur Rechten herüber und gab mir seine Stimme, denn - so sagte er - bei mir wisse man woran man sei, aber bei dem Gegenkandidaten sei man nie sicher, ob er die sachlichen Gründe persönlichen Rücksichten vorgehen lasse. So kam ich als jüngstes geistliches Mitglied in die Generalsynode zugleich mit meinem Vater, welchen die Diözesansynode Zweibrücken entsandte. Es machte Aufsehen, dass Vater und Sohn zusammen in der Gen.Synode sassen und wurde auch sehr bemerkt, dass Vater und Sohn, obgleich sie ein Zimmer bewohnten, bei den Abstimmungen auseinandergingen, bei welchen Mittelparthey und Rechte sich scheiden. Die Linke, durch ihren Erfolg im Gesangbuchsstreite ermuthigt, griff die im Gebrauch befindlichen Lehrbücher an, nämlich Zahn's biblische Geschichte und den Unionskathechismus, der aus dem Heidelberger

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Die Grundrisse des Hauses hatte ich längst überlegt und festgestellt; dem Bezirks-Bauschaffner überliess ich die Aufrisszeichnungen und wies dessen Eingriffe in die Grundrisse zurück. Im Jahre 1865 wurde der Grundstein gelegt, 1866 der Bau vollendet. Ich hatte beim Kirchenbau so viel vom Bauwesen gelernt, dass ich die Bauleitung und Bauaufsicht selbst übernahm, wogegen niemand etwas einwandte, auch der in Zweibrücken wohnende Bauschaffner nicht. Die Handwerker mit ihren Ausflüchten und Intriguen, ihrer Unzuverlässigkeit und Lügenhaftigkeit in Versprechungen lernte ich diesmal erst recht kennen. Dagegen auch einen Maurermeister, der kein rohes und zorniges Wort hören liess, seine Leute ruhig und höflich behandelte, aber sehr bestimmt in seinen Anweisungen und scharf in der Überwachung der Ausführung war. Die Leute folgten ihm ehrerbietig und willig, um so mehr da er sehr tüchtig und erfahren war. Ich habe von dem feinen Herrn viel gelernt und war mit ihm nahe befreundet, als er von St. Ingbert wegzog, um in Wien sich bei dem Bau von Donaubrücken zu beteiligen.</p>
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[79/0079] Die Grundrisse des Hauses hatte ich längst überlegt und festgestellt; dem Bezirks-Bauschaffner überliess ich die Aufrisszeichnungen und wies dessen Eingriffe in die Grundrisse zurück. Im Jahre 1865 wurde der Grundstein gelegt, 1866 der Bau vollendet. Ich hatte beim Kirchenbau so viel vom Bauwesen gelernt, dass ich die Bauleitung und Bauaufsicht selbst übernahm, wogegen niemand etwas einwandte, auch der in Zweibrücken wohnende Bauschaffner nicht. Die Handwerker mit ihren Ausflüchten und Intriguen, ihrer Unzuverlässigkeit und Lügenhaftigkeit in Versprechungen lernte ich diesmal erst recht kennen. Dagegen auch einen Maurermeister, der kein rohes und zorniges Wort hören liess, seine Leute ruhig und höflich behandelte, aber sehr bestimmt in seinen Anweisungen und scharf in der Überwachung der Ausführung war. Die Leute folgten ihm ehrerbietig und willig, um so mehr da er sehr tüchtig und erfahren war. Ich habe von dem feinen Herrn viel gelernt und war mit ihm nahe befreundet, als er von St. Ingbert wegzog, um in Wien sich bei dem Bau von Donaubrücken zu beteiligen. Mitten in die Bauarbelt am Pfarrhause fiel im Jahre 1865 eine Generalsynode, zu deren geistlichen Vertreter der Diöcesansynode Homburg ich gewählt wurde. Die liberale Linke der Synode war der positiven Rechten um wenige Stimmen überlegen, aber wegen persönlicher Differenzen nicht ganz einig. So erlangte von den geistlichen Kandidaten der Linken und Rechten durch mehrere Wahlgänge hindurch keiner die nöthige absolute Majorität. Schliesslich schwenkte das rabiateste Mitglied der Linken zur Rechten herüber und gab mir seine Stimme, denn - so sagte er - bei mir wisse man woran man sei, aber bei dem Gegenkandidaten sei man nie sicher, ob er die sachlichen Gründe persönlichen Rücksichten vorgehen lasse. So kam ich als jüngstes geistliches Mitglied in die Generalsynode zugleich mit meinem Vater, welchen die Diözesansynode Zweibrücken entsandte. Es machte Aufsehen, dass Vater und Sohn zusammen in der Gen.Synode sassen und wurde auch sehr bemerkt, dass Vater und Sohn, obgleich sie ein Zimmer bewohnten, bei den Abstimmungen auseinandergingen, bei welchen Mittelparthey und Rechte sich scheiden. Die Linke, durch ihren Erfolg im Gesangbuchsstreite ermuthigt, griff die im Gebrauch befindlichen Lehrbücher an, nämlich Zahn's biblische Geschichte und den Unionskathechismus, der aus dem Heidelberger

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/79>, abgerufen am 28.04.2024.