Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.Das prot. ständige Vikariat war erst seit einem Jahr errichtet und gehörte zur Pfarrei Neuhäusel, deren Pfarrsitz 2 Std. entfernt lag. Der Vikariatssprengel umfasste ausser der Stadt und ihren Annexen die Dörfer Oberwurzbach und Heckendahlheim (1 gute Stunde entfernt), Ommersheim (1 1/2 Std.), Ensheim (2 gute Std.), Eschringen und Ehrmesheim (2 1/2 Std.) In Ensheim und Eschringen wohnten einige prot. Familien, in den anderen Orten nur vereinzelte Evangelische. Die Vikariatsgemeinde zählte im Ganzen zwischen 300 und 400 Seelen. In St. Ingbert war eine prot. Schule mit circa 35 Kindern neu errichtet. Zu Schnappeck war eine gemischte Schule mit einem prot. Lehrer. Die prot. Gemeinde setzte sich aus prot. Bergleuten und Grubenbeamten, aus Glashüttenarbeitern und -Beamten, Eisenwerksarbeitern und -Beamten, den 2 Familien Kraemer, den Besitzern des Eisenwerks, endlich aus einigen Handwerkern und dergl. zusammen und enthielt sehr viele gemischte Ehen. Der Gottesdienst wurde in einem gemietheten Saale mit dürftiger Einrichtung ohne Harmonium gehalten. So sah mein Arbeitsfeld aus. Meine Wohnung nahm ich in dem Hause, woselbst die Gendarmeriestation war. Die Gendarmen waren anfangs meine Begleiter nach auswärts. Mein Kosthaus war in der 1. Zeit im Gasthaus des Bürgermeisters Chandon, bei welchem ich mich über viele Verhältnisse orientieren konnte. Meine Bezüge um auch das zu erwähnen, sollte aus 400 Gulden und den Kasualgebühren bestehen, sowie aus einer Wohnungsentschädigung von 50 Gulden. Dieser Betrag reichte für eine Wohnung von 2 Zimmern und 1 Kammer nicht aus. Das war schlimm. Woher ich die 400 Gulden beziehen sollte, war mir nicht mitgetheilt; der Kirchenrechner sagte mir, ich habe von ihm 150 Gulden zu beziehen, aber er habe kein Geld. Das war schlimmer. Aber das schlimmste kam auf dem ki. Rentamte, das mir nach meiner Rechnung 250 Gulden jährlich auszahlen sollte. Der Rentmeister legte mir eine Regierungsanweisung vor, wonach ich 400 Gulden bei ihm zu empfangen habe. Ich erklärte ihm, dass hier ein Irrthum walten müsse und bat, bei der Regierung anzufragen. Als ich wieder erschien, versicherte er mir, der Betrag von 400 Gulden aus der Staatskasse Das prot. ständige Vikariat war erst seit einem Jahr errichtet und gehörte zur Pfarrei Neuhäusel, deren Pfarrsitz 2 Std. entfernt lag. Der Vikariatssprengel umfasste ausser der Stadt und ihren Annexen die Dörfer Oberwurzbach und Heckendahlheim (1 gute Stunde entfernt), Ommersheim (1 1/2 Std.), Ensheim (2 gute Std.), Eschringen und Ehrmesheim (2 1/2 Std.) In Ensheim und Eschringen wohnten einige prot. Familien, in den anderen Orten nur vereinzelte Evangelische. Die Vikariatsgemeinde zählte im Ganzen zwischen 300 und 400 Seelen. In St. Ingbert war eine prot. Schule mit circa 35 Kindern neu errichtet. Zu Schnappeck war eine gemischte Schule mit einem prot. Lehrer. Die prot. Gemeinde setzte sich aus prot. Bergleuten und Grubenbeamten, aus Glashüttenarbeitern und -Beamten, Eisenwerksarbeitern und -Beamten, den 2 Familien Kraemer, den Besitzern des Eisenwerks, endlich aus einigen Handwerkern und dergl. zusammen und enthielt sehr viele gemischte Ehen. Der Gottesdienst wurde in einem gemietheten Saale mit dürftiger Einrichtung ohne Harmonium gehalten. So sah mein Arbeitsfeld aus. Meine Wohnung nahm ich in dem Hause, woselbst die Gendarmeriestation war. Die Gendarmen waren anfangs meine Begleiter nach auswärts. Mein Kosthaus war in der 1. Zeit im Gasthaus des Bürgermeisters Chandon, bei welchem ich mich über viele Verhältnisse orientieren konnte. Meine Bezüge um auch das zu erwähnen, sollte aus 400 Gulden und den Kasualgebühren bestehen, sowie aus einer Wohnungsentschädigung von 50 Gulden. Dieser Betrag reichte für eine Wohnung von 2 Zimmern und 1 Kammer nicht aus. Das war schlimm. Woher ich die 400 Gulden beziehen sollte, war mir nicht mitgetheilt; der Kirchenrechner sagte mir, ich habe von ihm 150 Gulden zu beziehen, aber er habe kein Geld. Das war schlimmer. Aber das schlimmste kam auf dem ki. Rentamte, das mir nach meiner Rechnung 250 Gulden jährlich auszahlen sollte. Der Rentmeister legte mir eine Regierungsanweisung vor, wonach ich 400 Gulden bei ihm zu empfangen habe. Ich erklärte ihm, dass hier ein Irrthum walten müsse und bat, bei der Regierung anzufragen. 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Bergleuten und Grubenbeamten, aus Glashüttenarbeitern und -Beamten, Eisenwerksarbeitern und -Beamten, den 2 Familien Kraemer, den Besitzern des Eisenwerks, endlich aus einigen Handwerkern und dergl. zusammen und enthielt sehr viele gemischte Ehen. Der Gottesdienst wurde in einem gemietheten Saale mit dürftiger Einrichtung ohne Harmonium gehalten.</p> <p>So sah mein Arbeitsfeld aus. Meine Wohnung nahm ich in dem Hause, woselbst die Gendarmeriestation war. Die Gendarmen waren anfangs meine Begleiter nach auswärts. Mein Kosthaus war in der 1. Zeit im Gasthaus des Bürgermeisters Chandon, bei welchem ich mich über viele Verhältnisse orientieren konnte. Meine Bezüge um auch das zu erwähnen, sollte aus 400 Gulden und den Kasualgebühren bestehen, sowie aus einer Wohnungsentschädigung von 50 Gulden. Dieser Betrag reichte für eine Wohnung von 2 Zimmern und 1 Kammer nicht aus. Das war schlimm. Woher ich die 400 Gulden beziehen sollte, war mir nicht mitgetheilt; der Kirchenrechner sagte mir, ich habe von ihm 150 Gulden zu beziehen, aber er habe kein Geld. Das war schlimmer. Aber das schlimmste kam auf dem ki. Rentamte, das mir nach meiner Rechnung 250 Gulden jährlich auszahlen sollte. Der Rentmeister legte mir eine Regierungsanweisung vor, wonach ich 400 Gulden bei ihm zu empfangen habe. Ich erklärte ihm, dass hier ein Irrthum walten müsse und bat, bei der Regierung anzufragen. Als ich wieder erschien, versicherte er mir, der Betrag von 400 Gulden aus der Staatskasse </p> </div> </body> </text> </TEI> [47/0047]
Das prot. ständige Vikariat war erst seit einem Jahr errichtet und gehörte zur Pfarrei Neuhäusel, deren Pfarrsitz 2 Std. entfernt lag. Der Vikariatssprengel umfasste ausser der Stadt und ihren Annexen die Dörfer Oberwurzbach und Heckendahlheim (1 gute Stunde entfernt), Ommersheim (1 1/2 Std.), Ensheim (2 gute Std.), Eschringen und Ehrmesheim (2 1/2 Std.) In Ensheim und Eschringen wohnten einige prot. Familien, in den anderen Orten nur vereinzelte Evangelische. Die Vikariatsgemeinde zählte im Ganzen zwischen 300 und 400 Seelen. In St. Ingbert war eine prot. Schule mit circa 35 Kindern neu errichtet. Zu Schnappeck war eine gemischte Schule mit einem prot. Lehrer.
Die prot. Gemeinde setzte sich aus prot. Bergleuten und Grubenbeamten, aus Glashüttenarbeitern und -Beamten, Eisenwerksarbeitern und -Beamten, den 2 Familien Kraemer, den Besitzern des Eisenwerks, endlich aus einigen Handwerkern und dergl. zusammen und enthielt sehr viele gemischte Ehen. Der Gottesdienst wurde in einem gemietheten Saale mit dürftiger Einrichtung ohne Harmonium gehalten.
So sah mein Arbeitsfeld aus. Meine Wohnung nahm ich in dem Hause, woselbst die Gendarmeriestation war. Die Gendarmen waren anfangs meine Begleiter nach auswärts. Mein Kosthaus war in der 1. Zeit im Gasthaus des Bürgermeisters Chandon, bei welchem ich mich über viele Verhältnisse orientieren konnte. Meine Bezüge um auch das zu erwähnen, sollte aus 400 Gulden und den Kasualgebühren bestehen, sowie aus einer Wohnungsentschädigung von 50 Gulden. Dieser Betrag reichte für eine Wohnung von 2 Zimmern und 1 Kammer nicht aus. Das war schlimm. Woher ich die 400 Gulden beziehen sollte, war mir nicht mitgetheilt; der Kirchenrechner sagte mir, ich habe von ihm 150 Gulden zu beziehen, aber er habe kein Geld. Das war schlimmer. Aber das schlimmste kam auf dem ki. Rentamte, das mir nach meiner Rechnung 250 Gulden jährlich auszahlen sollte. Der Rentmeister legte mir eine Regierungsanweisung vor, wonach ich 400 Gulden bei ihm zu empfangen habe. Ich erklärte ihm, dass hier ein Irrthum walten müsse und bat, bei der Regierung anzufragen. Als ich wieder erschien, versicherte er mir, der Betrag von 400 Gulden aus der Staatskasse
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