Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.preussische Kugel im einem Gefecht bei Rinnthal, die anderen wurden nach vielen Scherereien amnestiert. Das Denkmal der im Gefecht bei Kirchheimbolanden gefallenen rhein-hessischen Freischärler auf dem Friedhof daselbst ruft mir, so oft ich daran vorübergehe, die Mahnung zu: Gedenke, wie Du durch Gottes Gnade vor Torheit bewahrt bliebst im tollen Jahre 1848. Die Pfalz bekam nach Wiederherstellung der Ordnung starke und lange militärische Strafeinquartierung, womit auch mein Elternhaus reichlich bedacht wurde, denn der Unschuldige musste mit dem Schuldigen leiden. Für mich hatte dies eine sehr bittere Folge. Ich musste meinem Wunsche, eine oder mehrere andere Universitäten besuchen zu dürfen, entsagen. Ich hatte Bonn, wo Nitzsch dozierte, Heidelberg wegen Rothe, Allemant und Umbreit, besonders aber Berlin ins Auge gefasst, wohin mich die Stadt und an der Universität Neander und Hengstenberg zogen. Des Abgangs von Erlangen sicher hatte ich mein sehr gutes Quartier gekündigt und meine sämtlichen Habseligkeiten heimgeschickt. Aber der Vater erklärte mir, er könne den gegen Erlangen viel kostspieligeren Aufenthalt an einer der genannten Universitäten für mich nicht bestreiten. Aber auch für Erlangen musste ich um Erhöhung meines Wechsels bitten. Für das 1. Universitätsjahr waren mir 300 Gulden = 515 Mark ausgesetzt, selbst bei den damals noch wenig theuren Verhältnissen viel zu wenig, da ich nicht nur Kost und Logis, sondern auch die Reise- und Kollegiengelder, Bücher, kurz Alles ausser der Kleidung damit bestreiten sollte. Ich nahm mich gehörig zusammen und schränkte mich auf das Äusserste ein, genoss z.B. Vormittags nichts und Abends das Billigste, sehr oft nur ein Stück trockenes Brod. Trotzdem reichten die 500 Gulden nicht, sie konnten nicht reichen. Im 2. Jahr erhielt ich etwas Zulagen, konnte aber trotzdem nicht auskommen. Erst im 3. Universitätsjahr konnte ich mir Kaffee zum Frühstück und ein warmes Abendbrod zulegen, dazu mir auch sonst eine Ausgabe gönnen, die nicht absolut notwendig war. Im letzten Jahr aber verbrauchte ich ausser den 600 Gulden, die der Vater mir sandte, noch weitere preussische Kugel im einem Gefecht bei Rinnthal, die anderen wurden nach vielen Scherereien amnestiert. Das Denkmal der im Gefecht bei Kirchheimbolanden gefallenen rhein-hessischen Freischärler auf dem Friedhof daselbst ruft mir, so oft ich daran vorübergehe, die Mahnung zu: Gedenke, wie Du durch Gottes Gnade vor Torheit bewahrt bliebst im tollen Jahre 1848. Die Pfalz bekam nach Wiederherstellung der Ordnung starke und lange militärische Strafeinquartierung, womit auch mein Elternhaus reichlich bedacht wurde, denn der Unschuldige musste mit dem Schuldigen leiden. Für mich hatte dies eine sehr bittere Folge. Ich musste meinem Wunsche, eine oder mehrere andere Universitäten besuchen zu dürfen, entsagen. Ich hatte Bonn, wo Nitzsch dozierte, Heidelberg wegen Rothe, Allemant und Umbreit, besonders aber Berlin ins Auge gefasst, wohin mich die Stadt und an der Universität Neander und Hengstenberg zogen. Des Abgangs von Erlangen sicher hatte ich mein sehr gutes Quartier gekündigt und meine sämtlichen Habseligkeiten heimgeschickt. Aber der Vater erklärte mir, er könne den gegen Erlangen viel kostspieligeren Aufenthalt an einer der genannten Universitäten für mich nicht bestreiten. Aber auch für Erlangen musste ich um Erhöhung meines Wechsels bitten. Für das 1. Universitätsjahr waren mir 300 Gulden = 515 Mark ausgesetzt, selbst bei den damals noch wenig theuren Verhältnissen viel zu wenig, da ich nicht nur Kost und Logis, sondern auch die Reise- und Kollegiengelder, Bücher, kurz Alles ausser der Kleidung damit bestreiten sollte. Ich nahm mich gehörig zusammen und schränkte mich auf das Äusserste ein, genoss z.B. Vormittags nichts und Abends das Billigste, sehr oft nur ein Stück trockenes Brod. Trotzdem reichten die 500 Gulden nicht, sie konnten nicht reichen. Im 2. Jahr erhielt ich etwas Zulagen, konnte aber trotzdem nicht auskommen. Erst im 3. Universitätsjahr konnte ich mir Kaffee zum Frühstück und ein warmes Abendbrod zulegen, dazu mir auch sonst eine Ausgabe gönnen, die nicht absolut notwendig war. Im letzten Jahr aber verbrauchte ich ausser den 600 Gulden, die der Vater mir sandte, noch weitere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="33"/> preussische Kugel im einem Gefecht bei Rinnthal, die anderen wurden nach vielen Scherereien amnestiert. Das Denkmal der im Gefecht bei Kirchheimbolanden gefallenen rhein-hessischen Freischärler auf dem Friedhof daselbst ruft mir, so oft ich daran vorübergehe, die Mahnung zu: Gedenke, wie Du durch Gottes Gnade vor Torheit bewahrt bliebst im tollen Jahre 1848.</p> <p>Die Pfalz bekam nach Wiederherstellung der Ordnung starke und lange militärische Strafeinquartierung, womit auch mein Elternhaus reichlich bedacht wurde, denn der Unschuldige musste mit dem Schuldigen leiden. Für mich hatte dies eine sehr bittere Folge. Ich musste meinem Wunsche, eine oder mehrere andere Universitäten besuchen zu dürfen, entsagen. Ich hatte Bonn, wo Nitzsch dozierte, Heidelberg wegen Rothe, Allemant und Umbreit, besonders aber Berlin ins Auge gefasst, wohin mich die Stadt und an der Universität Neander und Hengstenberg zogen. Des Abgangs von Erlangen sicher hatte ich mein sehr gutes Quartier gekündigt und meine sämtlichen Habseligkeiten heimgeschickt. Aber der Vater erklärte mir, er könne den gegen Erlangen viel kostspieligeren Aufenthalt an einer der genannten Universitäten für mich nicht bestreiten. Aber auch für Erlangen musste ich um Erhöhung meines Wechsels bitten.</p> <p>Für das 1. Universitätsjahr waren mir 300 Gulden = 515 Mark ausgesetzt, selbst bei den damals noch wenig theuren Verhältnissen viel zu wenig, da ich nicht nur Kost und Logis, sondern auch die Reise- und Kollegiengelder, Bücher, kurz Alles ausser der Kleidung damit bestreiten sollte. Ich nahm mich gehörig zusammen und schränkte mich auf das Äusserste ein, genoss z.B. Vormittags nichts und Abends das Billigste, sehr oft nur ein Stück trockenes Brod. Trotzdem reichten die 500 Gulden nicht, sie konnten nicht reichen. Im 2. Jahr erhielt ich etwas Zulagen, konnte aber trotzdem nicht auskommen. Erst im 3. Universitätsjahr konnte ich mir Kaffee zum Frühstück und ein warmes Abendbrod zulegen, dazu mir auch sonst eine Ausgabe gönnen, die nicht absolut notwendig war. Im letzten Jahr aber verbrauchte ich ausser den 600 Gulden, die der Vater mir sandte, noch weitere </p> </div> </body> </text> </TEI> [33/0033]
preussische Kugel im einem Gefecht bei Rinnthal, die anderen wurden nach vielen Scherereien amnestiert. Das Denkmal der im Gefecht bei Kirchheimbolanden gefallenen rhein-hessischen Freischärler auf dem Friedhof daselbst ruft mir, so oft ich daran vorübergehe, die Mahnung zu: Gedenke, wie Du durch Gottes Gnade vor Torheit bewahrt bliebst im tollen Jahre 1848.
Die Pfalz bekam nach Wiederherstellung der Ordnung starke und lange militärische Strafeinquartierung, womit auch mein Elternhaus reichlich bedacht wurde, denn der Unschuldige musste mit dem Schuldigen leiden. Für mich hatte dies eine sehr bittere Folge. Ich musste meinem Wunsche, eine oder mehrere andere Universitäten besuchen zu dürfen, entsagen. Ich hatte Bonn, wo Nitzsch dozierte, Heidelberg wegen Rothe, Allemant und Umbreit, besonders aber Berlin ins Auge gefasst, wohin mich die Stadt und an der Universität Neander und Hengstenberg zogen. Des Abgangs von Erlangen sicher hatte ich mein sehr gutes Quartier gekündigt und meine sämtlichen Habseligkeiten heimgeschickt. Aber der Vater erklärte mir, er könne den gegen Erlangen viel kostspieligeren Aufenthalt an einer der genannten Universitäten für mich nicht bestreiten. Aber auch für Erlangen musste ich um Erhöhung meines Wechsels bitten.
Für das 1. Universitätsjahr waren mir 300 Gulden = 515 Mark ausgesetzt, selbst bei den damals noch wenig theuren Verhältnissen viel zu wenig, da ich nicht nur Kost und Logis, sondern auch die Reise- und Kollegiengelder, Bücher, kurz Alles ausser der Kleidung damit bestreiten sollte. Ich nahm mich gehörig zusammen und schränkte mich auf das Äusserste ein, genoss z.B. Vormittags nichts und Abends das Billigste, sehr oft nur ein Stück trockenes Brod. Trotzdem reichten die 500 Gulden nicht, sie konnten nicht reichen. Im 2. Jahr erhielt ich etwas Zulagen, konnte aber trotzdem nicht auskommen. Erst im 3. Universitätsjahr konnte ich mir Kaffee zum Frühstück und ein warmes Abendbrod zulegen, dazu mir auch sonst eine Ausgabe gönnen, die nicht absolut notwendig war. Im letzten Jahr aber verbrauchte ich ausser den 600 Gulden, die der Vater mir sandte, noch weitere
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