Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.und seinen Wäldern, Annweiler mit dem Trifels nach Landau. Dort lehrte uns ein Mitreisender, als der Postkondukteur mitten im Essen, dessen Kosten der Wirt ganz berechnete, zum Einsteigen abrief, vom Braten und Brod so viel einpacken, dass wir nachträglich satt werden konnten. Über Speyer und die Rheinschanze, an deren Stelle jetzt Ludwigshafen a/Rhein steht, ging es über die Schiffsbrücke des Rheins nach Mannheim, wo wir bei einem Kaufmanne, Traugotts Vetter, dicht bei der Neckar-Kettenbrücke, Quartier fanden und einen Tag blieben, um die Stadt, das Schloss mit dem Museum, den Hafen u.s.w. zu besichtigen. Dann ging es mittels der gehörig angestaunten Eisenbahn nach Heidelberg, wo eine Tante von Traugott uns ins Studentenzimmer einlogierte. Die Studenten waren leider nicht da, aber das Schloss, das grosse Fass, der Blick von der Terasse und die sonstigen Herrlichkeiten Alt-Heidelbergs machten uns schier trunken. Zu Fuss ging es dann über Sinsheim nach Kirchhardt, dem Pfarrsitze von Traugotts Vater, einem wohlhabenden Dorfe in flacher Gegend. Das gemüthliche Pfarrhaus mit Traugotts freundlichen Eltern, einer älteren Schwester und einigen jüngeren Brüdern, mit dem grossen Garten und dem ringsherum thätigen, mit neuen Dorfleben, bot köstliche Ferienunterhaltung. Ärgerlich war nur, dass bei den ziemlich häufigen Nachmittagsbesuchen Traugott und ich citiert wurden, um - wir waren beide Anfänger im Klavierspielen - 4händige Variationen über den "kleinen Postillon" zum Besten zu geben, wobei wir regelmässig ein oder mehrere Male umwarfen. Die Pfarrei genoss verschiedene Zehnten. Da war es ein Hauptvergnügen, mit dem Zehntknecht die Zehntgarben abzuzählen und aufzuladen, dazwischen Mäusejagd zu treiben und mit den Dorfbuben zu spielen und zu raufen. Nach circa 14 Tagen wurden Traugott und ich auf eine Fusstour in den badischen Odenwald geschickt. Mit wenig Geld und vielen Empfehlungsbriefen zogen wir aus, die Schulranzen als Tornister auf dem Rücken und das Wonnegefühl der Freiheit und der Erwartung grosser Dinge in der Brust. und seinen Wäldern, Annweiler mit dem Trifels nach Landau. Dort lehrte uns ein Mitreisender, als der Postkondukteur mitten im Essen, dessen Kosten der Wirt ganz berechnete, zum Einsteigen abrief, vom Braten und Brod so viel einpacken, dass wir nachträglich satt werden konnten. Über Speyer und die Rheinschanze, an deren Stelle jetzt Ludwigshafen a/Rhein steht, ging es über die Schiffsbrücke des Rheins nach Mannheim, wo wir bei einem Kaufmanne, Traugotts Vetter, dicht bei der Neckar-Kettenbrücke, Quartier fanden und einen Tag blieben, um die Stadt, das Schloss mit dem Museum, den Hafen u.s.w. zu besichtigen. Dann ging es mittels der gehörig angestaunten Eisenbahn nach Heidelberg, wo eine Tante von Traugott uns ins Studentenzimmer einlogierte. Die Studenten waren leider nicht da, aber das Schloss, das grosse Fass, der Blick von der Terasse und die sonstigen Herrlichkeiten Alt-Heidelbergs machten uns schier trunken. Zu Fuss ging es dann über Sinsheim nach Kirchhardt, dem Pfarrsitze von Traugotts Vater, einem wohlhabenden Dorfe in flacher Gegend. Das gemüthliche Pfarrhaus mit Traugotts freundlichen Eltern, einer älteren Schwester und einigen jüngeren Brüdern, mit dem grossen Garten und dem ringsherum thätigen, mit neuen Dorfleben, bot köstliche Ferienunterhaltung. Ärgerlich war nur, dass bei den ziemlich häufigen Nachmittagsbesuchen Traugott und ich citiert wurden, um – wir waren beide Anfänger im Klavierspielen – 4händige Variationen über den ”kleinen Postillon“ zum Besten zu geben, wobei wir regelmässig ein oder mehrere Male umwarfen. Die Pfarrei genoss verschiedene Zehnten. Da war es ein Hauptvergnügen, mit dem Zehntknecht die Zehntgarben abzuzählen und aufzuladen, dazwischen Mäusejagd zu treiben und mit den Dorfbuben zu spielen und zu raufen. Nach circa 14 Tagen wurden Traugott und ich auf eine Fusstour in den badischen Odenwald geschickt. Mit wenig Geld und vielen Empfehlungsbriefen zogen wir aus, die Schulranzen als Tornister auf dem Rücken und das Wonnegefühl der Freiheit und der Erwartung grosser Dinge in der Brust. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="19"/> und seinen Wäldern, Annweiler mit dem Trifels nach Landau. Dort lehrte uns ein Mitreisender, als der Postkondukteur mitten im Essen, dessen Kosten der Wirt ganz berechnete, zum Einsteigen abrief, vom Braten und Brod so viel einpacken, dass wir nachträglich satt werden konnten. Über Speyer und die Rheinschanze, an deren Stelle jetzt Ludwigshafen a/Rhein steht, ging es über die Schiffsbrücke des Rheins nach Mannheim, wo wir bei einem Kaufmanne, Traugotts Vetter, dicht bei der Neckar-Kettenbrücke, Quartier fanden und einen Tag blieben, um die Stadt, das Schloss mit dem Museum, den Hafen u.s.w. zu besichtigen. Dann ging es mittels der gehörig angestaunten Eisenbahn nach Heidelberg, wo eine Tante von Traugott uns ins Studentenzimmer einlogierte. Die Studenten waren leider nicht da, aber das Schloss, das grosse Fass, der Blick von der Terasse und die sonstigen Herrlichkeiten Alt-Heidelbergs machten uns schier trunken.</p> <p>Zu Fuss ging es dann über Sinsheim nach Kirchhardt, dem Pfarrsitze von Traugotts Vater, einem wohlhabenden Dorfe in flacher Gegend. Das gemüthliche Pfarrhaus mit Traugotts freundlichen Eltern, einer älteren Schwester und einigen jüngeren Brüdern, mit dem grossen Garten und dem ringsherum thätigen, mit neuen Dorfleben, bot köstliche Ferienunterhaltung. Ärgerlich war nur, dass bei den ziemlich häufigen Nachmittagsbesuchen Traugott und ich citiert wurden, um – wir waren beide Anfänger im Klavierspielen – 4händige Variationen über den ”kleinen Postillon“ zum Besten zu geben, wobei wir regelmässig ein oder mehrere Male umwarfen. Die Pfarrei genoss verschiedene Zehnten. Da war es ein Hauptvergnügen, mit dem Zehntknecht die Zehntgarben abzuzählen und aufzuladen, dazwischen Mäusejagd zu treiben und mit den Dorfbuben zu spielen und zu raufen. Nach circa 14 Tagen wurden Traugott und ich auf eine Fusstour in den badischen Odenwald geschickt. Mit wenig Geld und vielen Empfehlungsbriefen zogen wir aus, die Schulranzen als Tornister auf dem Rücken und das Wonnegefühl der Freiheit und der Erwartung grosser Dinge in der Brust. </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
und seinen Wäldern, Annweiler mit dem Trifels nach Landau. Dort lehrte uns ein Mitreisender, als der Postkondukteur mitten im Essen, dessen Kosten der Wirt ganz berechnete, zum Einsteigen abrief, vom Braten und Brod so viel einpacken, dass wir nachträglich satt werden konnten. Über Speyer und die Rheinschanze, an deren Stelle jetzt Ludwigshafen a/Rhein steht, ging es über die Schiffsbrücke des Rheins nach Mannheim, wo wir bei einem Kaufmanne, Traugotts Vetter, dicht bei der Neckar-Kettenbrücke, Quartier fanden und einen Tag blieben, um die Stadt, das Schloss mit dem Museum, den Hafen u.s.w. zu besichtigen. Dann ging es mittels der gehörig angestaunten Eisenbahn nach Heidelberg, wo eine Tante von Traugott uns ins Studentenzimmer einlogierte. Die Studenten waren leider nicht da, aber das Schloss, das grosse Fass, der Blick von der Terasse und die sonstigen Herrlichkeiten Alt-Heidelbergs machten uns schier trunken.
Zu Fuss ging es dann über Sinsheim nach Kirchhardt, dem Pfarrsitze von Traugotts Vater, einem wohlhabenden Dorfe in flacher Gegend. Das gemüthliche Pfarrhaus mit Traugotts freundlichen Eltern, einer älteren Schwester und einigen jüngeren Brüdern, mit dem grossen Garten und dem ringsherum thätigen, mit neuen Dorfleben, bot köstliche Ferienunterhaltung. Ärgerlich war nur, dass bei den ziemlich häufigen Nachmittagsbesuchen Traugott und ich citiert wurden, um – wir waren beide Anfänger im Klavierspielen – 4händige Variationen über den ”kleinen Postillon“ zum Besten zu geben, wobei wir regelmässig ein oder mehrere Male umwarfen. Die Pfarrei genoss verschiedene Zehnten. Da war es ein Hauptvergnügen, mit dem Zehntknecht die Zehntgarben abzuzählen und aufzuladen, dazwischen Mäusejagd zu treiben und mit den Dorfbuben zu spielen und zu raufen. Nach circa 14 Tagen wurden Traugott und ich auf eine Fusstour in den badischen Odenwald geschickt. Mit wenig Geld und vielen Empfehlungsbriefen zogen wir aus, die Schulranzen als Tornister auf dem Rücken und das Wonnegefühl der Freiheit und der Erwartung grosser Dinge in der Brust.
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