trauischer giebt, weil er sich bewußt wird, daß all' sein Reden nichts hilft."
Meister Timpe nahm vor Erstaunen die kurze Pfeife aus dem Munde. Frau Karoline aber, die immer noch emsig strickte, ließ aus Versehen einige Maschen fallen und warf über die Brille hinweg einen unmuthigen Blick auf den Sprecher.
"Soo, soo, soo --" sagte Timpe sehr gedehnt, machte eine kurze Pause, als müsse er sich zuerst für diesen un¬ erwarteten Angriff sammeln und setzte dann hinzu:
"Also Sie stoßen in dasselbe Horn wie der Alte und wollen ebenfalls Moral predigen! die Moral kennt man! Die ist nicht weit her. Wenn es nach euch ginge, müßte die Jugend weiter nichts thun, als arbeiten, beten und sich kasteien."
"Das nicht, Meister, aber sie sollte etwas thun, was nicht nur bei den Menschen, sondern auch in der ganzen Natur noth¬ wendig ist, um alles vortrefflich gedeihen zu lassen ..."
"Und das wäre, mein kluger Herr Beyer?"
"Maaß halten, Meister . . . Die Bäume würden nicht mehr schön aussehen, wenn sie bis in den Himmel ragten, und die Wolken wären keine Wolken, wenn sie hier unten bei unseren Füßen vorbeizögen. Ein altes Sprüchwort sagt: Vater und Mutter können zehn Kinder ernähren, aber selten thun das zehn Kinder mit ihren Eltern. Meister Timpe, ich will von Herzen wünschen, daß dieses Sprüchwort für Sie nur Sprüchwort bleibt, aber denken Sie an Thomas Beyer, wenn es eines Tages sich bewahrheiten sollte. Und wenn Sie mich auf der Stelle ablehnen, ich kann's nicht ändern, Meister: die Dinge liegen so."
trauiſcher giebt, weil er ſich bewußt wird, daß all' ſein Reden nichts hilft.“
Meiſter Timpe nahm vor Erſtaunen die kurze Pfeife aus dem Munde. Frau Karoline aber, die immer noch emſig ſtrickte, ließ aus Verſehen einige Maſchen fallen und warf über die Brille hinweg einen unmuthigen Blick auf den Sprecher.
„Soo, ſoo, ſoo —“ ſagte Timpe ſehr gedehnt, machte eine kurze Pauſe, als müſſe er ſich zuerſt für dieſen un¬ erwarteten Angriff ſammeln und ſetzte dann hinzu:
„Alſo Sie ſtoßen in daſſelbe Horn wie der Alte und wollen ebenfalls Moral predigen! die Moral kennt man! Die iſt nicht weit her. Wenn es nach euch ginge, müßte die Jugend weiter nichts thun, als arbeiten, beten und ſich kaſteien.“
„Das nicht, Meiſter, aber ſie ſollte etwas thun, was nicht nur bei den Menſchen, ſondern auch in der ganzen Natur noth¬ wendig iſt, um alles vortrefflich gedeihen zu laſſen ...“
„Und das wäre, mein kluger Herr Beyer?“
„Maaß halten, Meiſter . . . Die Bäume würden nicht mehr ſchön ausſehen, wenn ſie bis in den Himmel ragten, und die Wolken wären keine Wolken, wenn ſie hier unten bei unſeren Füßen vorbeizögen. Ein altes Sprüchwort ſagt: Vater und Mutter können zehn Kinder ernähren, aber ſelten thun das zehn Kinder mit ihren Eltern. Meiſter Timpe, ich will von Herzen wünſchen, daß dieſes Sprüchwort für Sie nur Sprüchwort bleibt, aber denken Sie an Thomas Beyer, wenn es eines Tages ſich bewahrheiten ſollte. Und wenn Sie mich auf der Stelle ablehnen, ich kann's nicht ändern, Meiſter: die Dinge liegen ſo.“
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trauiſcher giebt, weil er ſich bewußt wird, daß all' ſein
Reden nichts hilft.“
Meiſter Timpe nahm vor Erſtaunen die kurze Pfeife
aus dem Munde. Frau Karoline aber, die immer noch
emſig ſtrickte, ließ aus Verſehen einige Maſchen fallen und
warf über die Brille hinweg einen unmuthigen Blick auf den
Sprecher.
„Soo, ſoo, ſoo —“ ſagte Timpe ſehr gedehnt, machte
eine kurze Pauſe, als müſſe er ſich zuerſt für dieſen un¬
erwarteten Angriff ſammeln und ſetzte dann hinzu:
„Alſo Sie ſtoßen in daſſelbe Horn wie der Alte und
wollen ebenfalls Moral predigen! die Moral kennt
man! Die iſt nicht weit her. Wenn es nach euch ginge,
müßte die Jugend weiter nichts thun, als arbeiten, beten und
ſich kaſteien.“
„Das nicht, Meiſter, aber ſie ſollte etwas thun, was nicht
nur bei den Menſchen, ſondern auch in der ganzen Natur noth¬
wendig iſt, um alles vortrefflich gedeihen zu laſſen ...“
„Und das wäre, mein kluger Herr Beyer?“
„Maaß halten, Meiſter . . . Die Bäume würden nicht
mehr ſchön ausſehen, wenn ſie bis in den Himmel ragten,
und die Wolken wären keine Wolken, wenn ſie hier unten
bei unſeren Füßen vorbeizögen. Ein altes Sprüchwort ſagt:
Vater und Mutter können zehn Kinder ernähren, aber ſelten
thun das zehn Kinder mit ihren Eltern. Meiſter Timpe,
ich will von Herzen wünſchen, daß dieſes Sprüchwort für
Sie nur Sprüchwort bleibt, aber denken Sie an Thomas
Beyer, wenn es eines Tages ſich bewahrheiten ſollte. Und
wenn Sie mich auf der Stelle ablehnen, ich kann's nicht
ändern, Meiſter: die Dinge liegen ſo.“
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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/99>, abgerufen am 29.07.2024.
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