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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Einziger sich unter den Arrestanten befunden hatte, so mußten
sie doch über die übermüthigen Späße lachen. Was den
Meister selbst betraf, so sagte er ein über das andere Mal:
"Diese Teufelskerle! Ja, das ist so Studentenmanier".

Erst als der redselige Beamte seinen Bericht beschlossen
hatte und sehr ernst geworden war, zeigte auch Timpe eine
bedenkliche Miene und kratzte sich hinter dem Ohr. "Was
wohl aus der ganzen Geschichte werden könne?" fragte er
schließlich.

"Eine kleine Ordnungsstrafe, damit wild die Sache er¬
ledigt sein," erwiderte Krusemeyer. Damit war Timpe
beruhigt.

Thomas Beyer war der Einzige, der während der Unter¬
haltung seinen Ernst bewahrt hatte. Nur hin und wieder war
ein Lächeln über seine Züge geflogen, doch hatte das mehr der
drolligen Erzählungsweise Krusemeyers, als den Vorgängen der
vergangenen Nacht gegolten. Ein ewiger Grübler wie er
war, versuchte er nach seiner Weise allen Dingen auf den
Grund zu gehen, fand auch das Leben viel zu ernst, um sich
durch äußerliche Nichtigkeiten täuschen zu lassen. Als Timpe
nun sagte, er werde die "Lappalie" sehr gern bezahlen, denn
sein Sohn habe sich jedenfalls gut amüsirt, konnte er nicht
mehr an sich halten.

"Meister", begann er, "ich stehe seit fünfzehn Jahren
bei Ihnen in Arbeit, seien Sie mir daher nicht böse, wenn
ich einmal ein offenes Wort sage. Frei heraus: Sie sind zu
nachgiebig gegen Ihren Sohn, er wird Ihnen das dereinst
schlecht belohnen . . . . . Ihr Herr Vater hat nicht
so ganz Unrecht, wenn er den Segen der Zucht¬
ruthe predigt und sich immer verschlossener und mi߬

Einziger ſich unter den Arreſtanten befunden hatte, ſo mußten
ſie doch über die übermüthigen Späße lachen. Was den
Meiſter ſelbſt betraf, ſo ſagte er ein über das andere Mal:
„Dieſe Teufelskerle! Ja, das iſt ſo Studentenmanier“.

Erſt als der redſelige Beamte ſeinen Bericht beſchloſſen
hatte und ſehr ernſt geworden war, zeigte auch Timpe eine
bedenkliche Miene und kratzte ſich hinter dem Ohr. „Was
wohl aus der ganzen Geſchichte werden könne?“ fragte er
ſchließlich.

„Eine kleine Ordnungsſtrafe, damit wild die Sache er¬
ledigt ſein,“ erwiderte Kruſemeyer. Damit war Timpe
beruhigt.

Thomas Beyer war der Einzige, der während der Unter¬
haltung ſeinen Ernſt bewahrt hatte. Nur hin und wieder war
ein Lächeln über ſeine Züge geflogen, doch hatte das mehr der
drolligen Erzählungsweiſe Kruſemeyers, als den Vorgängen der
vergangenen Nacht gegolten. Ein ewiger Grübler wie er
war, verſuchte er nach ſeiner Weiſe allen Dingen auf den
Grund zu gehen, fand auch das Leben viel zu ernſt, um ſich
durch äußerliche Nichtigkeiten täuſchen zu laſſen. Als Timpe
nun ſagte, er werde die „Lappalie“ ſehr gern bezahlen, denn
ſein Sohn habe ſich jedenfalls gut amüſirt, konnte er nicht
mehr an ſich halten.

„Meiſter“, begann er, „ich ſtehe ſeit fünfzehn Jahren
bei Ihnen in Arbeit, ſeien Sie mir daher nicht böſe, wenn
ich einmal ein offenes Wort ſage. Frei heraus: Sie ſind zu
nachgiebig gegen Ihren Sohn, er wird Ihnen das dereinſt
ſchlecht belohnen . . . . . Ihr Herr Vater hat nicht
ſo ganz Unrecht, wenn er den Segen der Zucht¬
ruthe predigt und ſich immer verſchloſſener und mi߬

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[86/0098] Einziger ſich unter den Arreſtanten befunden hatte, ſo mußten ſie doch über die übermüthigen Späße lachen. Was den Meiſter ſelbſt betraf, ſo ſagte er ein über das andere Mal: „Dieſe Teufelskerle! Ja, das iſt ſo Studentenmanier“. Erſt als der redſelige Beamte ſeinen Bericht beſchloſſen hatte und ſehr ernſt geworden war, zeigte auch Timpe eine bedenkliche Miene und kratzte ſich hinter dem Ohr. „Was wohl aus der ganzen Geſchichte werden könne?“ fragte er ſchließlich. „Eine kleine Ordnungsſtrafe, damit wild die Sache er¬ ledigt ſein,“ erwiderte Kruſemeyer. Damit war Timpe beruhigt. Thomas Beyer war der Einzige, der während der Unter¬ haltung ſeinen Ernſt bewahrt hatte. Nur hin und wieder war ein Lächeln über ſeine Züge geflogen, doch hatte das mehr der drolligen Erzählungsweiſe Kruſemeyers, als den Vorgängen der vergangenen Nacht gegolten. Ein ewiger Grübler wie er war, verſuchte er nach ſeiner Weiſe allen Dingen auf den Grund zu gehen, fand auch das Leben viel zu ernſt, um ſich durch äußerliche Nichtigkeiten täuſchen zu laſſen. Als Timpe nun ſagte, er werde die „Lappalie“ ſehr gern bezahlen, denn ſein Sohn habe ſich jedenfalls gut amüſirt, konnte er nicht mehr an ſich halten. „Meiſter“, begann er, „ich ſtehe ſeit fünfzehn Jahren bei Ihnen in Arbeit, ſeien Sie mir daher nicht böſe, wenn ich einmal ein offenes Wort ſage. Frei heraus: Sie ſind zu nachgiebig gegen Ihren Sohn, er wird Ihnen das dereinſt ſchlecht belohnen . . . . . Ihr Herr Vater hat nicht ſo ganz Unrecht, wenn er den Segen der Zucht¬ ruthe predigt und ſich immer verſchloſſener und mi߬

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/98>, abgerufen am 06.05.2024.