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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Timpe, ich habe viel gelesen -- früher, als ich noch meinen
Laden besaß. Aber die Bücher sind zum Teufel gegangen,
fragen Sie nur meine Gläubiger . . ."

Kindergeschrei ertönte aus einem Nebenraum. Nölte
sprang auf. "Einen Augenblick -- der Junge hat die Flasche
verloren", sagte er und verschwand in der einzigen Wohnstube,
wo seine Frau mit sechs Kindern schlief.

Als er wieder zurückgekehrt war, ging die Thür abermals
auf. Es war Krusemeyer, der seinen Kopf hereinsteckte. Er
wollte sich ein wenig erwärmen und dem Klempner einen
Schluck anbieten

"Nun, Herr Timpe", sagte er nach der Begrüßung, "das
nenne ich schnell ans Ziel gelangen. Ihr Sohn hat doch
nicht zu viel gesagt, damals -- ich meine in jener Radau¬
nacht". Auch Meister Nölte kam auf die Verlobung zu
sprechen, und Timpe gerieth nun zum zweiten Male in
Verlegenheit. Wie es schien, wußte die ganze Nachbarschaft
bereits davon, nur er allein hatte es in letzter Stunde er¬
fahren. Er kam sich wie ein großer Narr vor.

"Ja, ja -- Sie sind zu beneiden. Wer solch eine Aussicht
für die Zukunft hat, der kann sich schon getrost ohne Sorgen
des Abends niederlegen", sagte Nölte. Krusemeyer erwähnte
bei dieser Gelegenheit, daß die Nachfeier drüben in der Raupach¬
straße vor sich gehe. Da spendirte Herr Franz inmitten seiner
Freunde ganz gehörig. Er habe ihn vor ungefähr zwei Stunden
hineingehen sehen. Das Lärmen und Singen schalle durch die
ganze Straße, und die Kneiperei werde wohl bis zum frühen
Morgen dauern.

Timpe horchte auf. Als er mit dem Wächter auf der
Straße war, ließ er sich das Restaurant näher beschreiben

Timpe, ich habe viel geleſen — früher, als ich noch meinen
Laden beſaß. Aber die Bücher ſind zum Teufel gegangen,
fragen Sie nur meine Gläubiger . . .“

Kindergeſchrei ertönte aus einem Nebenraum. Nölte
ſprang auf. „Einen Augenblick — der Junge hat die Flaſche
verloren“, ſagte er und verſchwand in der einzigen Wohnſtube,
wo ſeine Frau mit ſechs Kindern ſchlief.

Als er wieder zurückgekehrt war, ging die Thür abermals
auf. Es war Kruſemeyer, der ſeinen Kopf hereinſteckte. Er
wollte ſich ein wenig erwärmen und dem Klempner einen
Schluck anbieten

„Nun, Herr Timpe“, ſagte er nach der Begrüßung, „das
nenne ich ſchnell ans Ziel gelangen. Ihr Sohn hat doch
nicht zu viel geſagt, damals — ich meine in jener Radau¬
nacht“. Auch Meiſter Nölte kam auf die Verlobung zu
ſprechen, und Timpe gerieth nun zum zweiten Male in
Verlegenheit. Wie es ſchien, wußte die ganze Nachbarſchaft
bereits davon, nur er allein hatte es in letzter Stunde er¬
fahren. Er kam ſich wie ein großer Narr vor.

„Ja, ja — Sie ſind zu beneiden. Wer ſolch eine Ausſicht
für die Zukunft hat, der kann ſich ſchon getroſt ohne Sorgen
des Abends niederlegen“, ſagte Nölte. Kruſemeyer erwähnte
bei dieſer Gelegenheit, daß die Nachfeier drüben in der Raupach¬
ſtraße vor ſich gehe. Da ſpendirte Herr Franz inmitten ſeiner
Freunde ganz gehörig. Er habe ihn vor ungefähr zwei Stunden
hineingehen ſehen. Das Lärmen und Singen ſchalle durch die
ganze Straße, und die Kneiperei werde wohl bis zum frühen
Morgen dauern.

Timpe horchte auf. Als er mit dem Wächter auf der
Straße war, ließ er ſich das Reſtaurant näher beſchreiben

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[149/0161] Timpe, ich habe viel geleſen — früher, als ich noch meinen Laden beſaß. Aber die Bücher ſind zum Teufel gegangen, fragen Sie nur meine Gläubiger . . .“ Kindergeſchrei ertönte aus einem Nebenraum. Nölte ſprang auf. „Einen Augenblick — der Junge hat die Flaſche verloren“, ſagte er und verſchwand in der einzigen Wohnſtube, wo ſeine Frau mit ſechs Kindern ſchlief. Als er wieder zurückgekehrt war, ging die Thür abermals auf. Es war Kruſemeyer, der ſeinen Kopf hereinſteckte. Er wollte ſich ein wenig erwärmen und dem Klempner einen Schluck anbieten „Nun, Herr Timpe“, ſagte er nach der Begrüßung, „das nenne ich ſchnell ans Ziel gelangen. Ihr Sohn hat doch nicht zu viel geſagt, damals — ich meine in jener Radau¬ nacht“. Auch Meiſter Nölte kam auf die Verlobung zu ſprechen, und Timpe gerieth nun zum zweiten Male in Verlegenheit. Wie es ſchien, wußte die ganze Nachbarſchaft bereits davon, nur er allein hatte es in letzter Stunde er¬ fahren. Er kam ſich wie ein großer Narr vor. „Ja, ja — Sie ſind zu beneiden. Wer ſolch eine Ausſicht für die Zukunft hat, der kann ſich ſchon getroſt ohne Sorgen des Abends niederlegen“, ſagte Nölte. Kruſemeyer erwähnte bei dieſer Gelegenheit, daß die Nachfeier drüben in der Raupach¬ ſtraße vor ſich gehe. Da ſpendirte Herr Franz inmitten ſeiner Freunde ganz gehörig. Er habe ihn vor ungefähr zwei Stunden hineingehen ſehen. Das Lärmen und Singen ſchalle durch die ganze Straße, und die Kneiperei werde wohl bis zum frühen Morgen dauern. Timpe horchte auf. Als er mit dem Wächter auf der Straße war, ließ er ſich das Reſtaurant näher beſchreiben

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/161>, abgerufen am 22.11.2024.