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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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und bat den würdigen Beamten um weitere Aufschlüsse.
Nach der Trennung schritt er unbewußt, halb wie im Traume,
der Raupachstraße zu. Er hatte plötzlich den Entschluß ge¬
faßt, in dem Stammlokale seines Sohnes noch ein Glas
Bier zu trinken. Bei dieser Gelegenheit würde er ihn gewiß
sehen und sprechen können. Irgend eine Aufklärung mußte
er haben. Was sollte auch seine Frau dazu sagen, wenn
er ihr die Neuigkeit mittheilte, ohne etwas Anderes hinzufügen
zu können?

Das betreffende Restaurant gehörte einer behäbigen
Wittwe und war der Sammelplatz von jungen Leuten,
größtentheils Studenten. Es gab hier einen guten Trank,
die bedienenden Mädchen zeichneten sich durch Schönheit und
Liebenswürdigkeit aus, und die Speisen standen in einem
vortrefflichen Rufe. Als Timpe den ersten großen Raum
betreten hatte, öffnete sich gerade die Thür eines kleinen
Zimmers, aus dem lautes Stimmengewirr und fröhliches
Lachen hereinschallte. Sein Blick fiel auf seinen Sohn, der
inmitten der langen Tafel saß und lebhaft mit der Schenk¬
mamsell sprach, um deren Taille er den Arm gelegt hatte.

Der Meister setzte sich. Rechts und links von ihm saßen
sehr vergnügt dreinschauende junge Männer, die ihn gleich
bei seinem Hereintreten mit einem Blick von oben nach unten
gemustert hatten, als wollten sie fragen: Wie kommst Du
denn hierher, Alter? Und Timpe, der einen dieser Blicke
aufgefangen und seine Bedeutung wohl verstanden hatte,
mußte sich sagen, daß es seinen grauen Haaren schlecht stehe,
zu so später Stunde an diesem Ort zu sitzen. Endlich fragte
er das ihn bedienende Mädchen, ob man hier den jungen
Herrn Timpe kenne?

und bat den würdigen Beamten um weitere Aufſchlüſſe.
Nach der Trennung ſchritt er unbewußt, halb wie im Traume,
der Raupachſtraße zu. Er hatte plötzlich den Entſchluß ge¬
faßt, in dem Stammlokale ſeines Sohnes noch ein Glas
Bier zu trinken. Bei dieſer Gelegenheit würde er ihn gewiß
ſehen und ſprechen können. Irgend eine Aufklärung mußte
er haben. Was ſollte auch ſeine Frau dazu ſagen, wenn
er ihr die Neuigkeit mittheilte, ohne etwas Anderes hinzufügen
zu können?

Das betreffende Reſtaurant gehörte einer behäbigen
Wittwe und war der Sammelplatz von jungen Leuten,
größtentheils Studenten. Es gab hier einen guten Trank,
die bedienenden Mädchen zeichneten ſich durch Schönheit und
Liebenswürdigkeit aus, und die Speiſen ſtanden in einem
vortrefflichen Rufe. Als Timpe den erſten großen Raum
betreten hatte, öffnete ſich gerade die Thür eines kleinen
Zimmers, aus dem lautes Stimmengewirr und fröhliches
Lachen hereinſchallte. Sein Blick fiel auf ſeinen Sohn, der
inmitten der langen Tafel ſaß und lebhaft mit der Schenk¬
mamſell ſprach, um deren Taille er den Arm gelegt hatte.

Der Meiſter ſetzte ſich. Rechts und links von ihm ſaßen
ſehr vergnügt dreinſchauende junge Männer, die ihn gleich
bei ſeinem Hereintreten mit einem Blick von oben nach unten
gemuſtert hatten, als wollten ſie fragen: Wie kommſt Du
denn hierher, Alter? Und Timpe, der einen dieſer Blicke
aufgefangen und ſeine Bedeutung wohl verſtanden hatte,
mußte ſich ſagen, daß es ſeinen grauen Haaren ſchlecht ſtehe,
zu ſo ſpäter Stunde an dieſem Ort zu ſitzen. Endlich fragte
er das ihn bedienende Mädchen, ob man hier den jungen
Herrn Timpe kenne?

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[150/0162] und bat den würdigen Beamten um weitere Aufſchlüſſe. Nach der Trennung ſchritt er unbewußt, halb wie im Traume, der Raupachſtraße zu. Er hatte plötzlich den Entſchluß ge¬ faßt, in dem Stammlokale ſeines Sohnes noch ein Glas Bier zu trinken. Bei dieſer Gelegenheit würde er ihn gewiß ſehen und ſprechen können. Irgend eine Aufklärung mußte er haben. Was ſollte auch ſeine Frau dazu ſagen, wenn er ihr die Neuigkeit mittheilte, ohne etwas Anderes hinzufügen zu können? Das betreffende Reſtaurant gehörte einer behäbigen Wittwe und war der Sammelplatz von jungen Leuten, größtentheils Studenten. Es gab hier einen guten Trank, die bedienenden Mädchen zeichneten ſich durch Schönheit und Liebenswürdigkeit aus, und die Speiſen ſtanden in einem vortrefflichen Rufe. Als Timpe den erſten großen Raum betreten hatte, öffnete ſich gerade die Thür eines kleinen Zimmers, aus dem lautes Stimmengewirr und fröhliches Lachen hereinſchallte. Sein Blick fiel auf ſeinen Sohn, der inmitten der langen Tafel ſaß und lebhaft mit der Schenk¬ mamſell ſprach, um deren Taille er den Arm gelegt hatte. Der Meiſter ſetzte ſich. Rechts und links von ihm ſaßen ſehr vergnügt dreinſchauende junge Männer, die ihn gleich bei ſeinem Hereintreten mit einem Blick von oben nach unten gemuſtert hatten, als wollten ſie fragen: Wie kommſt Du denn hierher, Alter? Und Timpe, der einen dieſer Blicke aufgefangen und ſeine Bedeutung wohl verſtanden hatte, mußte ſich ſagen, daß es ſeinen grauen Haaren ſchlecht ſtehe, zu ſo ſpäter Stunde an dieſem Ort zu ſitzen. Endlich fragte er das ihn bedienende Mädchen, ob man hier den jungen Herrn Timpe kenne?

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/162>, abgerufen am 03.05.2024.