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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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das Gemach der Sirona zu steigen. Die Zärtlichkeiten des jungen
Mannes sind der in höchst unglücklicher Ehe lebenden schönen
Frau nicht unangenehm. Als Hermas den Helm des Centurio
liegen sieht, fragt er: "Darf ich ihn aufsetzen?" "Da lachte
Sirona und rief erheitert und gänzlich verwandelt: "Nimm ihn
nur! Du möchtest wohl ein Soldat sein? Wie gut er dir steht!
Thu einmal das garstige Fell ab und laß sehen, wie sich der
Anachoret als Centurio ausnimmt!" Hermas ließ sich das nicht
zweimal sagen. Er schmückte sich mit der Rüstung des Galliers,
und Sirona half ihm dabei." -- Wir theilen diese Stelle nur
darum mit, weil sich aus derselben die Gedankenlosigkeit des
Romanschreibers ergibt. Der Anachoret soll seine Felle ablegen
und die Gallierin hilft ihm, sich in die Centurionenkleider stecken,
und doch war auf S. 144 Hermas "im vollen Festschmuck eines
römischen Offiziers" in das Gemach gekommen. Ebers hätte sich
seine Bemerkungen über die allgemein menschliche Lust an Ver-
kleidungen sparen können, denn hier hat ihm diese Lust einen
argen Possen gespielt. -- Jndessen vergingen Stunden des Zu-
sammenseins der Sirona mit Hermas, bis letzterer durch die
jähe Rückkehr des Centurio zur Flucht gedrängt wird. Glück-
licherweise hatte er vorher des Galliers Panzer, Waffenrock,
Beinschienen u. s. w. wieder abgelegt. Er sprang durch's Fenster
auf die Straße und "jagte" den Häusern entlang. Jhm setzte
ein Mann nach, der zwar nicht so schnell laufen konnte als
Hermas, diesem aber doch auf den Fersen blieb. (Jedenfalls eine
seltne Kunst im Gebiete des Schnellaufes.) Es war Paulus.
Der sagte ihm: "Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib,"
und fragte ihn höchst neugierig und überlegt: "Wo hast du dein
Schaffell?" Hermas hat sein Fell bei Sirona zurückgelassen,
schnell gibt Paulus sein Fell dem jungen Manne um die Schul-
tern und ertheilt ihm Rathschläge zur ferneren Flucht über das
Schilfmeer u. s. w. Dem alten Stephanus möchte Paulus die
traurige Kunde vom Ehebruch seines Sohnes ersparen. -- Auch
Sirona flieht. Der Centurio wirft bei dem Senator zunächst
seinen Verdacht auf dessen Sohn, der längst mit solchen Augen
nach der Gallierin gesehen hat, daß er von beiden Eltern gewarnt

das Gemach der Sirona zu ſteigen. Die Zärtlichkeiten des jungen
Mannes ſind der in höchſt unglücklicher Ehe lebenden ſchönen
Frau nicht unangenehm. Als Hermas den Helm des Centurio
liegen ſieht, fragt er: „Darf ich ihn aufſetzen?‟ „Da lachte
Sirona und rief erheitert und gänzlich verwandelt: „Nimm ihn
nur! Du möchteſt wohl ein Soldat ſein? Wie gut er dir ſteht!
Thu einmal das garſtige Fell ab und laß ſehen, wie ſich der
Anachoret als Centurio ausnimmt!‟ Hermas ließ ſich das nicht
zweimal ſagen. Er ſchmückte ſich mit der Rüſtung des Galliers,
und Sirona half ihm dabei.‟ — Wir theilen dieſe Stelle nur
darum mit, weil ſich aus derſelben die Gedankenloſigkeit des
Romanſchreibers ergibt. Der Anachoret ſoll ſeine Felle ablegen
und die Gallierin hilft ihm, ſich in die Centurionenkleider ſtecken,
und doch war auf S. 144 Hermas „im vollen Feſtſchmuck eines
römiſchen Offiziers‟ in das Gemach gekommen. Ebers hätte ſich
ſeine Bemerkungen über die allgemein menſchliche Luſt an Ver-
kleidungen ſparen können, denn hier hat ihm dieſe Luſt einen
argen Poſſen geſpielt. — Jndeſſen vergingen Stunden des Zu-
ſammenſeins der Sirona mit Hermas, bis letzterer durch die
jähe Rückkehr des Centurio zur Flucht gedrängt wird. Glück-
licherweiſe hatte er vorher des Galliers Panzer, Waffenrock,
Beinſchienen u. ſ. w. wieder abgelegt. Er ſprang durch’s Fenſter
auf die Straße und „jagte‟ den Häuſern entlang. Jhm ſetzte
ein Mann nach, der zwar nicht ſo ſchnell laufen konnte als
Hermas, dieſem aber doch auf den Ferſen blieb. (Jedenfalls eine
ſeltne Kunſt im Gebiete des Schnellaufes.) Es war Paulus.
Der ſagte ihm: „Du ſollſt nicht begehren deines Nächſten Weib,‟
und fragte ihn höchſt neugierig und überlegt: „Wo haſt du dein
Schaffell?‟ Hermas hat ſein Fell bei Sirona zurückgelaſſen,
ſchnell gibt Paulus ſein Fell dem jungen Manne um die Schul-
tern und ertheilt ihm Rathſchläge zur ferneren Flucht über das
Schilfmeer u. ſ. w. Dem alten Stephanus möchte Paulus die
traurige Kunde vom Ehebruch ſeines Sohnes erſparen. — Auch
Sirona flieht. Der Centurio wirft bei dem Senator zunächſt
ſeinen Verdacht auf deſſen Sohn, der längſt mit ſolchen Augen
nach der Gallierin geſehen hat, daß er von beiden Eltern gewarnt

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[20 212/0020] das Gemach der Sirona zu ſteigen. Die Zärtlichkeiten des jungen Mannes ſind der in höchſt unglücklicher Ehe lebenden ſchönen Frau nicht unangenehm. Als Hermas den Helm des Centurio liegen ſieht, fragt er: „Darf ich ihn aufſetzen?‟ „Da lachte Sirona und rief erheitert und gänzlich verwandelt: „Nimm ihn nur! Du möchteſt wohl ein Soldat ſein? Wie gut er dir ſteht! Thu einmal das garſtige Fell ab und laß ſehen, wie ſich der Anachoret als Centurio ausnimmt!‟ Hermas ließ ſich das nicht zweimal ſagen. Er ſchmückte ſich mit der Rüſtung des Galliers, und Sirona half ihm dabei.‟ — Wir theilen dieſe Stelle nur darum mit, weil ſich aus derſelben die Gedankenloſigkeit des Romanſchreibers ergibt. Der Anachoret ſoll ſeine Felle ablegen und die Gallierin hilft ihm, ſich in die Centurionenkleider ſtecken, und doch war auf S. 144 Hermas „im vollen Feſtſchmuck eines römiſchen Offiziers‟ in das Gemach gekommen. Ebers hätte ſich ſeine Bemerkungen über die allgemein menſchliche Luſt an Ver- kleidungen ſparen können, denn hier hat ihm dieſe Luſt einen argen Poſſen geſpielt. — Jndeſſen vergingen Stunden des Zu- ſammenſeins der Sirona mit Hermas, bis letzterer durch die jähe Rückkehr des Centurio zur Flucht gedrängt wird. Glück- licherweiſe hatte er vorher des Galliers Panzer, Waffenrock, Beinſchienen u. ſ. w. wieder abgelegt. Er ſprang durch’s Fenſter auf die Straße und „jagte‟ den Häuſern entlang. Jhm ſetzte ein Mann nach, der zwar nicht ſo ſchnell laufen konnte als Hermas, dieſem aber doch auf den Ferſen blieb. (Jedenfalls eine ſeltne Kunſt im Gebiete des Schnellaufes.) Es war Paulus. Der ſagte ihm: „Du ſollſt nicht begehren deines Nächſten Weib,‟ und fragte ihn höchſt neugierig und überlegt: „Wo haſt du dein Schaffell?‟ Hermas hat ſein Fell bei Sirona zurückgelaſſen, ſchnell gibt Paulus ſein Fell dem jungen Manne um die Schul- tern und ertheilt ihm Rathſchläge zur ferneren Flucht über das Schilfmeer u. ſ. w. Dem alten Stephanus möchte Paulus die traurige Kunde vom Ehebruch ſeines Sohnes erſparen. — Auch Sirona flieht. Der Centurio wirft bei dem Senator zunächſt ſeinen Verdacht auf deſſen Sohn, der längſt mit ſolchen Augen nach der Gallierin geſehen hat, daß er von beiden Eltern gewarnt

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 20 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/20>, abgerufen am 28.03.2024.