Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

Bild:
<< vorherige Seite

ein ebenso großes Entzücken erregt haben, als Jordan's Stab-
reime. Wenigstens läßt August Becker in seiner Novelle
"Auf Waldwegen" ein Träudchen also reden: "Nun wollen wir
vom Thal zur Höhe; leider weiß ich den Schauplatz ihres Todes
nicht. Was thut's? Vielleicht umschwebt sie mich auch hier.
Jn diesen grüngewölbten Hallen wähn ich der Freundin holdem
Geiste zu begegnen. Doch, meine Sehnsucht wird wohl nie er-
füllt." "Und du" -- lautet die Antwort -- "sprichst jetzt in
der Erinnerung an sie, wie unsere modernen Prosaisten bei vor-
zeitlichen Reminiscenzen, nur noch im tragischen Jambus?"

Schon aus dem ersten Romane von G. Ebers ergibt sich,
daß der Autor in Zeiten glücklicher Muße sich seine Geschichte
erdacht und an der Hand sorgsam zusammengestellter Notizen
aus Herodot, Plutarch, Aristophanes, Diodor, Xeno-
phon, Anakreon
und so manchem neuentdeckten Papyrus die
Erzählung in drei weitläufigen Bänden auseinandergebreitet hat.
Neue, originelle Gedanken muß man bei Ebers nicht suchen.
Wer aber auf rhetorischen Schmuck, auf Wortschwall und Phrasen-
pathos ausgeht, kann bei ihm reiche Beute finden. Nirgends
merkt man dem Autor an, daß er in Jesu Christo mehr erblickt,
als wie er ihn im Vorwort zur Königstochter selbst nennt, den
"hohen Lehrer, dessen Wort so mächtig eingriff in die Empfin-
dungswelt und die Denkweise der Menschheit." Und weil dem
Professor Ebers die Kirche des Herrn ein verschlossenes Geheim-
niß ist, weil er das Licht der Welt nicht kennt, darum hat er
auch nicht verstanden, in die heidnische Finsterniß in Persien,
Griechenland und Egypten hineinzuleuchten. Man erhält den
Eindruck bei Ebers: gute Menschen hat es zu allen Zeiten und
bei allen Völkern gegeben. Daß aber die Zeiten vor der Erschei-
nung des Sohnes Gottes im schneidendsten Gegensatz zu der Zeit
seit der Geburt des Sohnes David stehen, davon merkt man bei
ihm nichts.

Uarda war der zweite Ebers'sche "Roman aus dem alten
Egypten", welcher 1873 in drei Bänden erschien und im Wesent-
lichen die Liebe der Königstochter Bent Anat zu dem Priester
und Poeten Pentaur, dem Verfasser des egyptischen National-

ein ebenſo großes Entzücken erregt haben, als Jordan’s Stab-
reime. Wenigſtens läßt Auguſt Becker in ſeiner Novelle
„Auf Waldwegen‟ ein Träudchen alſo reden: „Nun wollen wir
vom Thal zur Höhe; leider weiß ich den Schauplatz ihres Todes
nicht. Was thut’s? Vielleicht umſchwebt ſie mich auch hier.
Jn dieſen grüngewölbten Hallen wähn ich der Freundin holdem
Geiſte zu begegnen. Doch, meine Sehnſucht wird wohl nie er-
füllt.‟ „Und du‟ — lautet die Antwort — „ſprichſt jetzt in
der Erinnerung an ſie, wie unſere modernen Proſaiſten bei vor-
zeitlichen Reminiſcenzen, nur noch im tragiſchen Jambus?‟

Schon aus dem erſten Romane von G. Ebers ergibt ſich,
daß der Autor in Zeiten glücklicher Muße ſich ſeine Geſchichte
erdacht und an der Hand ſorgſam zuſammengeſtellter Notizen
aus Herodot, Plutarch, Ariſtophanes, Diodor, Xeno-
phon, Anakreon
und ſo manchem neuentdeckten Papyrus die
Erzählung in drei weitläufigen Bänden auseinandergebreitet hat.
Neue, originelle Gedanken muß man bei Ebers nicht ſuchen.
Wer aber auf rhetoriſchen Schmuck, auf Wortſchwall und Phraſen-
pathos ausgeht, kann bei ihm reiche Beute finden. Nirgends
merkt man dem Autor an, daß er in Jeſu Chriſto mehr erblickt,
als wie er ihn im Vorwort zur Königstochter ſelbſt nennt, den
„hohen Lehrer, deſſen Wort ſo mächtig eingriff in die Empfin-
dungswelt und die Denkweiſe der Menſchheit.‟ Und weil dem
Profeſſor Ebers die Kirche des Herrn ein verſchloſſenes Geheim-
niß iſt, weil er das Licht der Welt nicht kennt, darum hat er
auch nicht verſtanden, in die heidniſche Finſterniß in Perſien,
Griechenland und Egypten hineinzuleuchten. Man erhält den
Eindruck bei Ebers: gute Menſchen hat es zu allen Zeiten und
bei allen Völkern gegeben. Daß aber die Zeiten vor der Erſchei-
nung des Sohnes Gottes im ſchneidendſten Gegenſatz zu der Zeit
ſeit der Geburt des Sohnes David ſtehen, davon merkt man bei
ihm nichts.

Uarda war der zweite Ebers’ſche „Roman aus dem alten
Egypten‟, welcher 1873 in drei Bänden erſchien und im Weſent-
lichen die Liebe der Königstochter Bent Anat zu dem Prieſter
und Poeten Pentaur, dem Verfaſſer des egyptiſchen National-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0012" n="12 204"/>
ein eben&#x017F;o großes Entzücken erregt haben, als <hi rendition="#g">Jordan&#x2019;s</hi> Stab-<lb/>
reime. Wenig&#x017F;tens läßt <hi rendition="#g">Augu&#x017F;t Becker</hi> in &#x017F;einer Novelle<lb/>
&#x201E;Auf Waldwegen&#x201F; ein Träudchen al&#x017F;o reden: &#x201E;Nun wollen wir<lb/>
vom Thal zur Höhe; leider weiß ich den Schauplatz ihres Todes<lb/>
nicht. Was thut&#x2019;s? Vielleicht um&#x017F;chwebt &#x017F;ie mich auch hier.<lb/>
Jn die&#x017F;en grüngewölbten Hallen wähn ich der Freundin holdem<lb/>
Gei&#x017F;te zu begegnen. Doch, meine Sehn&#x017F;ucht wird wohl nie er-<lb/>
füllt.&#x201F; &#x201E;Und du&#x201F; &#x2014; lautet die Antwort &#x2014; &#x201E;&#x017F;prich&#x017F;t jetzt in<lb/>
der Erinnerung an &#x017F;ie, wie un&#x017F;ere modernen Pro&#x017F;ai&#x017F;ten bei vor-<lb/>
zeitlichen Remini&#x017F;cenzen, nur noch im tragi&#x017F;chen Jambus?&#x201F;</p><lb/>
      <p>Schon aus dem er&#x017F;ten Romane von G. Ebers ergibt &#x017F;ich,<lb/>
daß der Autor in Zeiten glücklicher Muße &#x017F;ich &#x017F;eine Ge&#x017F;chichte<lb/>
erdacht und an der Hand &#x017F;org&#x017F;am zu&#x017F;ammenge&#x017F;tellter Notizen<lb/>
aus <hi rendition="#g">Herodot, Plutarch, Ari&#x017F;tophanes, Diodor, Xeno-<lb/>
phon, Anakreon</hi> und &#x017F;o manchem neuentdeckten Papyrus die<lb/>
Erzählung in drei weitläufigen Bänden auseinandergebreitet hat.<lb/>
Neue, originelle Gedanken muß man bei Ebers nicht &#x017F;uchen.<lb/>
Wer aber auf rhetori&#x017F;chen Schmuck, auf Wort&#x017F;chwall und Phra&#x017F;en-<lb/>
pathos ausgeht, kann bei ihm reiche Beute finden. Nirgends<lb/>
merkt man dem Autor an, daß er in Je&#x017F;u Chri&#x017F;to mehr erblickt,<lb/>
als wie er ihn im Vorwort zur Königstochter &#x017F;elb&#x017F;t nennt, den<lb/>
&#x201E;hohen Lehrer, de&#x017F;&#x017F;en Wort &#x017F;o mächtig eingriff in die Empfin-<lb/>
dungswelt und die Denkwei&#x017F;e der Men&#x017F;chheit.&#x201F; Und weil dem<lb/>
Profe&#x017F;&#x017F;or Ebers die Kirche des Herrn ein ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enes Geheim-<lb/>
niß i&#x017F;t, weil er das Licht der Welt nicht kennt, darum hat er<lb/>
auch nicht ver&#x017F;tanden, in die heidni&#x017F;che Fin&#x017F;terniß in Per&#x017F;ien,<lb/>
Griechenland und Egypten hineinzuleuchten. Man erhält den<lb/>
Eindruck bei Ebers: gute Men&#x017F;chen hat es zu allen Zeiten und<lb/>
bei allen Völkern gegeben. Daß aber die Zeiten vor der Er&#x017F;chei-<lb/>
nung des Sohnes Gottes im &#x017F;chneidend&#x017F;ten Gegen&#x017F;atz zu der Zeit<lb/>
&#x017F;eit der Geburt des Sohnes David &#x017F;tehen, davon merkt man bei<lb/>
ihm nichts.</p><lb/>
      <p><hi rendition="#g">Uarda</hi> war der zweite Ebers&#x2019;&#x017F;che &#x201E;Roman aus dem alten<lb/>
Egypten&#x201F;, welcher 1873 in drei Bänden er&#x017F;chien und im We&#x017F;ent-<lb/>
lichen die Liebe der Königstochter <hi rendition="#g">Bent Anat</hi> zu dem Prie&#x017F;ter<lb/>
und Poeten <hi rendition="#g">Pentaur,</hi> dem Verfa&#x017F;&#x017F;er des egypti&#x017F;chen National-<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12 204/0012] ein ebenſo großes Entzücken erregt haben, als Jordan’s Stab- reime. Wenigſtens läßt Auguſt Becker in ſeiner Novelle „Auf Waldwegen‟ ein Träudchen alſo reden: „Nun wollen wir vom Thal zur Höhe; leider weiß ich den Schauplatz ihres Todes nicht. Was thut’s? Vielleicht umſchwebt ſie mich auch hier. Jn dieſen grüngewölbten Hallen wähn ich der Freundin holdem Geiſte zu begegnen. Doch, meine Sehnſucht wird wohl nie er- füllt.‟ „Und du‟ — lautet die Antwort — „ſprichſt jetzt in der Erinnerung an ſie, wie unſere modernen Proſaiſten bei vor- zeitlichen Reminiſcenzen, nur noch im tragiſchen Jambus?‟ Schon aus dem erſten Romane von G. Ebers ergibt ſich, daß der Autor in Zeiten glücklicher Muße ſich ſeine Geſchichte erdacht und an der Hand ſorgſam zuſammengeſtellter Notizen aus Herodot, Plutarch, Ariſtophanes, Diodor, Xeno- phon, Anakreon und ſo manchem neuentdeckten Papyrus die Erzählung in drei weitläufigen Bänden auseinandergebreitet hat. Neue, originelle Gedanken muß man bei Ebers nicht ſuchen. Wer aber auf rhetoriſchen Schmuck, auf Wortſchwall und Phraſen- pathos ausgeht, kann bei ihm reiche Beute finden. Nirgends merkt man dem Autor an, daß er in Jeſu Chriſto mehr erblickt, als wie er ihn im Vorwort zur Königstochter ſelbſt nennt, den „hohen Lehrer, deſſen Wort ſo mächtig eingriff in die Empfin- dungswelt und die Denkweiſe der Menſchheit.‟ Und weil dem Profeſſor Ebers die Kirche des Herrn ein verſchloſſenes Geheim- niß iſt, weil er das Licht der Welt nicht kennt, darum hat er auch nicht verſtanden, in die heidniſche Finſterniß in Perſien, Griechenland und Egypten hineinzuleuchten. Man erhält den Eindruck bei Ebers: gute Menſchen hat es zu allen Zeiten und bei allen Völkern gegeben. Daß aber die Zeiten vor der Erſchei- nung des Sohnes Gottes im ſchneidendſten Gegenſatz zu der Zeit ſeit der Geburt des Sohnes David ſtehen, davon merkt man bei ihm nichts. Uarda war der zweite Ebers’ſche „Roman aus dem alten Egypten‟, welcher 1873 in drei Bänden erſchien und im Weſent- lichen die Liebe der Königstochter Bent Anat zu dem Prieſter und Poeten Pentaur, dem Verfaſſer des egyptiſchen National-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Autorname, Autorvorname: Kurztitel. In: Kurztitel… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/12
Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 12 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/12>, abgerufen am 03.12.2024.