Kotzebue, August von: Der Rehbock oder die Schuldlosen Schuldbewußten. Leipzig, 1815. Bar. Ich bitte dich, laß ihn schlafen. Ich wollte, er schliefe den ewigen Schlaf. Baronin. Sie meinen doch nicht den Tod? Bar. Er ist ja alt genug. Baronin. Was hab' ich Ihnen zu Lei- de gethan, daß Sie, gleich nach der Hoch- zeit, mich zur Witwe machen wollen? Bar. Die verdammte Hochzeit! höre, Gretchen! ich bin schon Witwer. Baronin. Das bedaure ich. Bar. Du sollst aber wissen, daß ich es gar nicht bedaure. Baronin. Ja, so sind die Männer. Bar. Mit vieler Ueberlegung, mit man- cherlei Rücksichten wählte ich mir eine Frau und war unglücklich. Als sie starb, wollte ich nie wieder heirathen. Allein ich fühlte bald, daß die Liebe eines guten Weibes mir zum Bedürfniß geworden. Da nun das erste Mal Ueberlegung und Rücksichten mich so übel ge- Bar. Ich bitte dich, laß ihn schlafen. Ich wollte, er schliefe den ewigen Schlaf. Baronin. Sie meinen doch nicht den Tod? Bar. Er ist ja alt genug. Baronin. Was hab' ich Ihnen zu Lei- de gethan, daß Sie, gleich nach der Hoch- zeit, mich zur Witwe machen wollen? Bar. Die verdammte Hochzeit! hoͤre, Gretchen! ich bin schon Witwer. Baronin. Das bedaure ich. Bar. Du sollst aber wissen, daß ich es gar nicht bedaure. Baronin. Ja, so sind die Maͤnner. Bar. Mit vieler Ueberlegung, mit man- cherlei Ruͤcksichten waͤhlte ich mir eine Frau und war ungluͤcklich. Als sie starb, wollte ich nie wieder heirathen. Allein ich fuͤhlte bald, daß die Liebe eines guten Weibes mir zum Beduͤrfniß geworden. Da nun das erste Mal Ueberlegung und Ruͤcksichten mich so uͤbel ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0093" n="87"/> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Ich bitte dich, laß ihn schlafen.<lb/> Ich wollte, er schliefe den ewigen Schlaf.</p> </sp> <sp who="#BAR"> <speaker>Baronin.</speaker> <p> Sie meinen doch nicht den<lb/> Tod?</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Er ist ja alt genug.</p> </sp> <sp who="#BAR"> <speaker>Baronin.</speaker> <p> Was hab' ich Ihnen zu Lei-<lb/> de gethan, daß Sie, gleich nach der Hoch-<lb/> zeit, mich zur Witwe machen wollen?</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Die verdammte Hochzeit! hoͤre,<lb/> Gretchen! <hi rendition="#g">ich bin</hi> schon Witwer.</p> </sp> <sp who="#BAR"> <speaker>Baronin.</speaker> <p> Das bedaure ich.</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Du sollst aber wissen, daß ich es<lb/> gar nicht bedaure.</p> </sp> <sp who="#BAR"> <speaker>Baronin.</speaker> <p> Ja, so sind die Maͤnner.</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Mit vieler Ueberlegung, mit man-<lb/> cherlei Ruͤcksichten waͤhlte ich mir eine Frau<lb/> und war ungluͤcklich. Als sie starb, wollte ich<lb/> nie wieder heirathen. Allein ich fuͤhlte bald,<lb/> daß die Liebe eines guten Weibes mir zum<lb/> Beduͤrfniß geworden. Da nun das erste Mal<lb/> Ueberlegung und Ruͤcksichten mich so uͤbel ge- </p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0093]
Bar. Ich bitte dich, laß ihn schlafen.
Ich wollte, er schliefe den ewigen Schlaf.
Baronin. Sie meinen doch nicht den
Tod?
Bar. Er ist ja alt genug.
Baronin. Was hab' ich Ihnen zu Lei-
de gethan, daß Sie, gleich nach der Hoch-
zeit, mich zur Witwe machen wollen?
Bar. Die verdammte Hochzeit! hoͤre,
Gretchen! ich bin schon Witwer.
Baronin. Das bedaure ich.
Bar. Du sollst aber wissen, daß ich es
gar nicht bedaure.
Baronin. Ja, so sind die Maͤnner.
Bar. Mit vieler Ueberlegung, mit man-
cherlei Ruͤcksichten waͤhlte ich mir eine Frau
und war ungluͤcklich. Als sie starb, wollte ich
nie wieder heirathen. Allein ich fuͤhlte bald,
daß die Liebe eines guten Weibes mir zum
Beduͤrfniß geworden. Da nun das erste Mal
Ueberlegung und Ruͤcksichten mich so uͤbel ge-
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