Kotzebue, August von: Der Rehbock oder die Schuldlosen Schuldbewußten. Leipzig, 1815. Bar. Nimmermehr! ich habe Grundsätze, Herr Bruder, strenge Grundsätze. Graf. (lächelnd) Wirklich? Bar. Du lächelst? Das könnte ich dir übel nehmen, du mußt mich nicht nach dir be- urtheilen. Graf. Nach mir? Bar. Ja, ja, nach dir. Meinst du, ich hätte nicht erfahren, daß, trotz der Schönheit meiner Schwester, du oft nicht unempfindlich gegen fremde Reize bist? Graf. Ich?! Bar. Daß du keinem hübschen Weibe oder Mädchen widerstehn kannst? Graf. Verleumdung! abscheuliche Ver-
leumdung! Nein, Herr Bruder, auch ich habe Grundsätze. Hübsche Mädchen? Gott bewahre! und vollends hübsche Weiber - wo denkst du hin? ich bin meiner Emilie unver- brüchlich treu und keine Dame in der ganzen Nachbarschaft kann sich rühmen - Bar. Nimmermehr! ich habe Grundsaͤtze, Herr Bruder, strenge Grundsaͤtze. Graf. (lächelnd) Wirklich? Bar. Du laͤchelst? Das koͤnnte ich dir uͤbel nehmen, du mußt mich nicht nach dir be- urtheilen. Graf. Nach mir? Bar. Ja, ja, nach dir. Meinst du, ich haͤtte nicht erfahren, daß, trotz der Schoͤnheit meiner Schwester, du oft nicht unempfindlich gegen fremde Reize bist? Graf. Ich?! Bar. Daß du keinem huͤbschen Weibe oder Maͤdchen widerstehn kannst? Graf. Verleumdung! abscheuliche Ver-
leumdung! Nein, Herr Bruder, auch ich habe Grundsaͤtze. Huͤbsche Maͤdchen? Gott bewahre! und vollends huͤbsche Weiber – wo denkst du hin? ich bin meiner Emilie unver- bruͤchlich treu und keine Dame in der ganzen Nachbarschaft kann sich ruͤhmen – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0017" n="11"/> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Nimmermehr! ich habe Grundsaͤtze,<lb/> Herr Bruder, strenge Grundsaͤtze.</p> </sp> <sp who="#GRAF"> <speaker>Graf.</speaker> <p><stage>(lächelnd)</stage> Wirklich?</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Du laͤchelst? Das koͤnnte ich dir<lb/> uͤbel nehmen, du mußt mich nicht nach dir be-<lb/> urtheilen.</p> </sp> <sp who="#GRAF"> <speaker>Graf.</speaker> <p> Nach mir?</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Ja, ja, nach dir. Meinst du, ich<lb/> haͤtte nicht erfahren, daß, trotz der Schoͤnheit<lb/> meiner Schwester, du oft nicht unempfindlich<lb/> gegen fremde Reize bist?</p> </sp> <sp who="#GRAF"> <speaker>Graf.</speaker> <p> Ich?!</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Daß du keinem huͤbschen Weibe oder<lb/> Maͤdchen widerstehn kannst?</p> </sp> <sp who="#GRAF"> <speaker>Graf.</speaker> <p> Verleumdung! abscheuliche Ver-<lb/> leumdung! Nein, Herr Bruder, auch ich<lb/> habe Grundsaͤtze. Huͤbsche Maͤdchen? Gott<lb/> bewahre! und vollends huͤbsche Weiber – wo<lb/> denkst du hin? ich bin meiner Emilie unver-<lb/> bruͤchlich treu und keine Dame in der ganzen Nachbarschaft kann sich ruͤhmen –</p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0017]
Bar. Nimmermehr! ich habe Grundsaͤtze,
Herr Bruder, strenge Grundsaͤtze.
Graf. (lächelnd) Wirklich?
Bar. Du laͤchelst? Das koͤnnte ich dir
uͤbel nehmen, du mußt mich nicht nach dir be-
urtheilen.
Graf. Nach mir?
Bar. Ja, ja, nach dir. Meinst du, ich
haͤtte nicht erfahren, daß, trotz der Schoͤnheit
meiner Schwester, du oft nicht unempfindlich
gegen fremde Reize bist?
Graf. Ich?!
Bar. Daß du keinem huͤbschen Weibe oder
Maͤdchen widerstehn kannst?
Graf. Verleumdung! abscheuliche Ver-
leumdung! Nein, Herr Bruder, auch ich
habe Grundsaͤtze. Huͤbsche Maͤdchen? Gott
bewahre! und vollends huͤbsche Weiber – wo
denkst du hin? ich bin meiner Emilie unver-
bruͤchlich treu und keine Dame in der ganzen Nachbarschaft kann sich ruͤhmen –
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Der Rehbock oder die Schuldlosen Schuldbewußten. Leipzig, 1815, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_rehbock_1815/17>, abgerufen am 20.07.2024. |