Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.
du mich nun auch für ein so gar geselliges Thier hälst, daß ich selbst meiner Frau gegenüber, dann und wann Langeweile empfinden müßte; hab' ich denn nicht Freunde? eine zärtliche, muthwillige Schwester? einen jovialischen Schwager? -- oder -- wie? -- wäre diese Schwägerin der Frau Grä- fin vielleicht nicht anständig? Gräfin. Du wirst unartig. Major. Nun, was hindert denn noch? Gräfin. Das ist alles sehr schön und rührend. Der Plan ist vortreflich; nur einen kleinen Um- stand hast du vergessen. Major. Der wäre? Gräfin. Ob Madam Müller dich haben will. Major. Das ist es eben, liebe Schwester, wo- zu ich deinen Beystand nöthig habe. (sie bey der Hand fassend) Gute Henriette! du kennst mein Herz, du weißt, daß ich nicht fasele. In französischen Diensten aufgewachsen, unter geschminkten, ver- buhlten Weibern, ward euer Geschlecht mir ver- haßt. Der Hof bot mir ein ewiges, ekelhaftes Einerley, und in Privathäusern fand ich, wenns hoch kam, Eheleute, die sich ertrugen, weil sie mußten, und einander liebkosten, weil es nun ein-
du mich nun auch fuͤr ein ſo gar geſelliges Thier haͤlſt, daß ich ſelbſt meiner Frau gegenuͤber, dann und wann Langeweile empfinden muͤßte; hab’ ich denn nicht Freunde? eine zaͤrtliche, muthwillige Schweſter? einen jovialiſchen Schwager? — oder — wie? — waͤre dieſe Schwaͤgerin der Frau Graͤ- fin vielleicht nicht anſtaͤndig? Graͤfin. Du wirſt unartig. Major. Nun, was hindert denn noch? Graͤfin. Das iſt alles ſehr ſchoͤn und ruͤhrend. Der Plan iſt vortreflich; nur einen kleinen Um- ſtand haſt du vergeſſen. Major. Der waͤre? Graͤfin. Ob Madam Muͤller dich haben will. Major. Das iſt es eben, liebe Schweſter, wo- zu ich deinen Beyſtand noͤthig habe. (ſie bey der Hand faſſend) Gute Henriette! du kennſt mein Herz, du weißt, daß ich nicht faſele. In franzoͤſiſchen Dienſten aufgewachſen, unter geſchminkten, ver- buhlten Weibern, ward euer Geſchlecht mir ver- haßt. Der Hof bot mir ein ewiges, ekelhaftes Einerley, und in Privathaͤuſern fand ich, wenns hoch kam, Eheleute, die ſich ertrugen, weil ſie mußten, und einander liebkoſten, weil es nun ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#MAJ"> <p><pb facs="#f0096" n="88"/> du mich nun auch fuͤr ein ſo gar geſelliges Thier<lb/> haͤlſt, daß ich ſelbſt meiner Frau gegenuͤber, dann<lb/> und wann Langeweile empfinden muͤßte; hab’ ich<lb/> denn nicht Freunde? eine zaͤrtliche, muthwillige<lb/> Schweſter? einen jovialiſchen Schwager? — oder<lb/> — wie? — waͤre dieſe Schwaͤgerin der Frau <hi rendition="#g">Graͤ-<lb/> fin</hi> vielleicht nicht anſtaͤndig?</p> </sp><lb/> <sp who="#GRAFIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Graͤfin.</hi> </speaker> <p>Du wirſt unartig.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>Nun, was hindert denn noch?</p> </sp><lb/> <sp who="#GRAFIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Graͤfin.</hi> </speaker> <p>Das iſt alles ſehr ſchoͤn und ruͤhrend.<lb/> Der Plan iſt vortreflich; nur einen kleinen Um-<lb/> ſtand haſt du vergeſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>Der waͤre?</p> </sp><lb/> <sp who="#GRAFIN"> <speaker> <hi rendition="#fr">Graͤfin.</hi> </speaker> <p>Ob Madam Muͤller dich haben will.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>Das iſt es eben, liebe Schweſter, wo-<lb/> zu ich deinen Beyſtand noͤthig habe.</p> <stage>(ſie bey der<lb/> Hand faſſend)</stage> <p>Gute Henriette! du kennſt mein Herz,<lb/> du weißt, daß ich nicht faſele. In franzoͤſiſchen<lb/> Dienſten aufgewachſen, unter geſchminkten, ver-<lb/> buhlten Weibern, ward euer Geſchlecht mir ver-<lb/> haßt. Der Hof bot mir ein ewiges, ekelhaftes<lb/> Einerley, und in Privathaͤuſern fand ich, wenns<lb/> hoch kam, Eheleute, die ſich ertrugen, weil ſie<lb/> mußten, und einander liebkoſten, weil es nun ein-<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0096]
du mich nun auch fuͤr ein ſo gar geſelliges Thier
haͤlſt, daß ich ſelbſt meiner Frau gegenuͤber, dann
und wann Langeweile empfinden muͤßte; hab’ ich
denn nicht Freunde? eine zaͤrtliche, muthwillige
Schweſter? einen jovialiſchen Schwager? — oder
— wie? — waͤre dieſe Schwaͤgerin der Frau Graͤ-
fin vielleicht nicht anſtaͤndig?
Graͤfin. Du wirſt unartig.
Major. Nun, was hindert denn noch?
Graͤfin. Das iſt alles ſehr ſchoͤn und ruͤhrend.
Der Plan iſt vortreflich; nur einen kleinen Um-
ſtand haſt du vergeſſen.
Major. Der waͤre?
Graͤfin. Ob Madam Muͤller dich haben will.
Major. Das iſt es eben, liebe Schweſter, wo-
zu ich deinen Beyſtand noͤthig habe. (ſie bey der
Hand faſſend) Gute Henriette! du kennſt mein Herz,
du weißt, daß ich nicht faſele. In franzoͤſiſchen
Dienſten aufgewachſen, unter geſchminkten, ver-
buhlten Weibern, ward euer Geſchlecht mir ver-
haßt. Der Hof bot mir ein ewiges, ekelhaftes
Einerley, und in Privathaͤuſern fand ich, wenns
hoch kam, Eheleute, die ſich ertrugen, weil ſie
mußten, und einander liebkoſten, weil es nun ein-
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/96>, abgerufen am 16.02.2025. |