Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Die deutschen Kleinstädter. Leipzig, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite
zu schöpfen --" Hätte sie denn nicht war-
ten können, bis sie am Pranger stand?
Kl. Undankbares Mensch! Neun Jahr
ist sie gefüttert worden.
Bürg. (liest) "Dem Herrn Vicekirchen-
vorsteher verdank' ich meine Befreyung" --
Wie! was! mein Bruder? ist er rasend?
Kl. Gott sey Dank, so halten wir uns
an den.
Bürg. (liesi) "Er hat die Güte gehabt,
mir manch schönes Buch aus seiner Lesebiblio-
thek zu leihen" -- Das hat ihm der Teufel
geheißen! --
(liesi) "unter andern Trenks
Leben und Flucht aus dem Gefängnisse." --
ich wollte er säße selbst darin! --
(liest)
"Aus diesem Buche hab' ich gelernt, durch
Muth, Geduld und Geschicklichkeit meine
Flucht vorzubereiten. Der Augenblick ist ge-
kommen -- ich fliehe! --"
Kl. Das ist nicht wahr, sie ist schon
fort.


Bürg.
zu ſchoͤpfen —“ Haͤtte ſie denn nicht war-
ten koͤnnen, bis ſie am Pranger ſtand?
Kl. Undankbares Menſch! Neun Jahr
iſt ſie gefuͤttert worden.
Buͤrg. (lieſt) „Dem Herrn Vicekirchen-
vorſteher verdank’ ich meine Befreyung“ —
Wie! was! mein Bruder? iſt er raſend?
Kl. Gott ſey Dank, ſo halten wir uns
an den.
Buͤrg. (lieſi) „Er hat die Guͤte gehabt,
mir manch ſchoͤnes Buch aus ſeiner Leſebiblio-
thek zu leihen“ — Das hat ihm der Teufel
geheißen! —
(lieſi) „unter andern Trenks
Leben und Flucht aus dem Gefaͤngniſſe.“ —
ich wollte er ſaͤße ſelbſt darin! —
(lieſt)
„Aus dieſem Buche hab’ ich gelernt, durch
Muth, Geduld und Geſchicklichkeit meine
Flucht vorzubereiten. Der Augenblick iſt ge-
kommen — ich fliehe! —“
Kl. Das iſt nicht wahr, ſie iſt ſchon
fort.


Buͤrg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#BUERGERM">
            <p><pb facs="#f0162" n="156"/>
zu &#x017F;cho&#x0364;pfen &#x2014;&#x201C; Ha&#x0364;tte &#x017F;ie denn nicht war-<lb/>
ten ko&#x0364;nnen, bis &#x017F;ie am Pranger &#x017F;tand?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#KLA">
            <speaker> <hi rendition="#g">Kl.</hi> </speaker>
            <p>Undankbares Men&#x017F;ch! Neun Jahr<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie gefu&#x0364;ttert worden.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BUERGERM">
            <speaker><hi rendition="#g">Bu&#x0364;rg</hi>.</speaker>
            <stage>(lie&#x017F;t)</stage>
            <p>&#x201E;Dem Herrn Vicekirchen-<lb/>
vor&#x017F;teher verdank&#x2019; ich meine Befreyung&#x201C; &#x2014;<lb/>
Wie! was! mein Bruder? i&#x017F;t er <choice><sic>ra&#x017F;eud</sic><corr>ra&#x017F;end</corr></choice>?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#KLA">
            <speaker> <hi rendition="#g">Kl.</hi> </speaker>
            <p>Gott &#x017F;ey Dank, &#x017F;o halten wir uns<lb/>
an den.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BUERGERM">
            <speaker><hi rendition="#g">Bu&#x0364;rg</hi>.</speaker>
            <stage>(lie&#x017F;i)</stage>
            <p>&#x201E;Er hat die Gu&#x0364;te gehabt,<lb/>
mir manch &#x017F;cho&#x0364;nes Buch aus &#x017F;einer Le&#x017F;ebiblio-<lb/>
thek zu leihen&#x201C; &#x2014; Das hat ihm der Teufel<lb/>
geheißen! &#x2014;</p>
            <stage>(lie&#x017F;i)</stage>
            <p>&#x201E;unter andern Trenks<lb/>
Leben und Flucht aus dem Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e.&#x201C; &#x2014;<lb/>
ich wollte er &#x017F;a&#x0364;ße &#x017F;elb&#x017F;t darin! &#x2014;</p>
            <stage>(lie&#x017F;t)</stage><lb/>
            <p>&#x201E;Aus die&#x017F;em Buche hab&#x2019; ich gelernt, durch<lb/>
Muth, Geduld und Ge&#x017F;chicklichkeit meine<lb/>
Flucht vorzubereiten. Der Augenblick i&#x017F;t ge-<lb/>
kommen &#x2014; ich fliehe! &#x2014;&#x201C;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#KLA">
            <speaker> <hi rendition="#g">Kl.</hi> </speaker>
            <p>Das i&#x017F;t nicht wahr, &#x017F;ie i&#x017F;t &#x017F;chon<lb/>
fort.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">Bu&#x0364;rg</hi>.</fw>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0162] zu ſchoͤpfen —“ Haͤtte ſie denn nicht war- ten koͤnnen, bis ſie am Pranger ſtand? Kl. Undankbares Menſch! Neun Jahr iſt ſie gefuͤttert worden. Buͤrg. (lieſt) „Dem Herrn Vicekirchen- vorſteher verdank’ ich meine Befreyung“ — Wie! was! mein Bruder? iſt er raſend? Kl. Gott ſey Dank, ſo halten wir uns an den. Buͤrg. (lieſi) „Er hat die Guͤte gehabt, mir manch ſchoͤnes Buch aus ſeiner Leſebiblio- thek zu leihen“ — Das hat ihm der Teufel geheißen! — (lieſi) „unter andern Trenks Leben und Flucht aus dem Gefaͤngniſſe.“ — ich wollte er ſaͤße ſelbſt darin! — (lieſt) „Aus dieſem Buche hab’ ich gelernt, durch Muth, Geduld und Geſchicklichkeit meine Flucht vorzubereiten. Der Augenblick iſt ge- kommen — ich fliehe! —“ Kl. Das iſt nicht wahr, ſie iſt ſchon fort. Buͤrg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_kleinstaedter_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_kleinstaedter_1803/162
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Die deutschen Kleinstädter. Leipzig, 1803, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_kleinstaedter_1803/162>, abgerufen am 24.11.2024.