Kotzebue, August von: Die deutschen Kleinstädter. Leipzig, 1803.
fettesten Hammel uns nicht zu interessiren vermögen. Fr. St. Es scheint überhaupt, mein Herr, daß vernünftige Gespräche nicht Je- dermann interessiren. Zu meiner Zeit wurde das Alter in hohen Ehren gehalten. Beti- telte Personen von gesetzten Jahren führten das Wort, die unbetitelte Jugend hörte und lernte. Sintemalen nun aber diese ehrbare Sitte nicht mehr gebräuchlich, so thun ältere Personen wohl, sich der Gesellschaft zu entzie- hen, und über den Sittenverfall in christli- cher Einsamkeit zu seufzen. (Sie verneigt sich und geht ab.) Olm. Ich will nicht hoffen, daß Madam auf mich zürnt? Hr. St. Meine Frau Mutter, die Frau Untersteuereinnehmerin, wird in ganz Kräh- winkel so hoch respectirt, daß sie auch dann nicht einmal zornig wird, wenn Dieser oder Jener ihr die gebührende Titulatur versagt. (ab.) Olm.
fetteſten Hammel uns nicht zu intereſſiren vermoͤgen. Fr. St. Es ſcheint uͤberhaupt, mein Herr, daß vernuͤnftige Geſpraͤche nicht Je- dermann intereſſiren. Zu meiner Zeit wurde das Alter in hohen Ehren gehalten. Beti- telte Perſonen von geſetzten Jahren fuͤhrten das Wort, die unbetitelte Jugend hoͤrte und lernte. Sintemalen nun aber dieſe ehrbare Sitte nicht mehr gebraͤuchlich, ſo thun aͤltere Perſonen wohl, ſich der Geſellſchaft zu entzie- hen, und uͤber den Sittenverfall in chriſtli- cher Einſamkeit zu ſeufzen. (Sie verneigt ſich und geht ab.) Olm. Ich will nicht hoffen, daß Madam auf mich zuͤrnt? Hr. St. Meine Frau Mutter, die Frau Unterſteuereinnehmerin, wird in ganz Kraͤh- winkel ſo hoch reſpectirt, daß ſie auch dann nicht einmal zornig wird, wenn Dieſer oder Jener ihr die gebuͤhrende Titulatur verſagt. (ab.) Olm.
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fetteſten Hammel uns nicht zu intereſſiren
vermoͤgen.
Fr. St. Es ſcheint uͤberhaupt, mein
Herr, daß vernuͤnftige Geſpraͤche nicht Je-
dermann intereſſiren. Zu meiner Zeit wurde
das Alter in hohen Ehren gehalten. Beti-
telte Perſonen von geſetzten Jahren fuͤhrten
das Wort, die unbetitelte Jugend hoͤrte und
lernte. Sintemalen nun aber dieſe ehrbare
Sitte nicht mehr gebraͤuchlich, ſo thun aͤltere
Perſonen wohl, ſich der Geſellſchaft zu entzie-
hen, und uͤber den Sittenverfall in chriſtli-
cher Einſamkeit zu ſeufzen. (Sie verneigt ſich
und geht ab.)
Olm. Ich will nicht hoffen, daß Madam
auf mich zuͤrnt?
Hr. St. Meine Frau Mutter, die Frau
Unterſteuereinnehmerin, wird in ganz Kraͤh-
winkel ſo hoch reſpectirt, daß ſie auch dann
nicht einmal zornig wird, wenn Dieſer oder
Jener ihr die gebuͤhrende Titulatur verſagt.
(ab.)
Olm.
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