dungskraft hat es hervorgezaubert! -- Die Weiber rol- len ihre Kinder zwischen die Streitenden -- da hat sich ein zartes Weib um die Kniee des Sabiners geschmiegt -- kann der rauhe Mann ihr widerstehen? -- Ha! ein Bild voll schmerzlichen Lebens; und dennoch hat das Genie des Meisters ein Mittel gefunden, einen Kontrast von heiterer Ruhe anzubringen -- wie? wird man schwerlich errathen, und es ist doch so natürlich. Zwischen den Füßen des Römers liegt Eines der hingeworfenen Kinder, welches eben seine erste Zähne zu machen scheint, und deßhalb ganz unbefangen mit dem Finger im Munde spielt. Dieß zarte spielende Kind unter dem wuthschnau- benden Helden macht großen Effekt.
Wenn die deutschen Künstler konsequent sind, so dürfen sie das Bild freilich nicht loben, denn es sind wahrhaftig noch mehr Kinder darauf, als in meinen Hus- siten vor Naumburg vorkommen. Da nun dieses Stück, besonders der Kinder wegen, so gründlich bespöttelt wor- den, so hoffe ich, werde es dem wackern David nicht bes- ser ergehen, denn er und ich haben ganz aus der Acht gelassen, daß bei Darstellung einer Geschichte, in welcher Kinder die Haupttriebfeder der Handlung sind, durchaus keine Kinder sich zeigen müssen.
Man bezahlt, um die Sabinerinnen zu sehen, eine Kleinigkeit beim Eintritt, und kannzugleich eine Bro- schüre kaufen, in welcher David dieses Verfahren mit dem Beispiel der Alten entschuldigt, und behauptet, daß ihm vorzüglich daran gelegen sey, die Urtheile des Pub- likums auf diese Weise wie Apelles zu sammeln; da mag er dann auch wohl auf manchen Schuster stoßen. -- Nach andern Nachrichten soll es ihm nebenher gar nicht gleich- giltig seyn, auf diese Weise bereits 60000 Livres einge- nommen zu haben.
dungskraft hat es hervorgezaubert! — Die Weiber rol- len ihre Kinder zwischen die Streitenden — da hat sich ein zartes Weib um die Kniee des Sabiners geschmiegt — kann der rauhe Mann ihr widerstehen? — Ha! ein Bild voll schmerzlichen Lebens; und dennoch hat das Genie des Meisters ein Mittel gefunden, einen Kontrast von heiterer Ruhe anzubringen — wie? wird man schwerlich errathen, und es ist doch so natuͤrlich. Zwischen den Fuͤßen des Roͤmers liegt Eines der hingeworfenen Kinder, welches eben seine erste Zaͤhne zu machen scheint, und deßhalb ganz unbefangen mit dem Finger im Munde spielt. Dieß zarte spielende Kind unter dem wuthschnau- benden Helden macht großen Effekt.
Wenn die deutschen Kuͤnstler konsequent sind, so duͤrfen sie das Bild freilich nicht loben, denn es sind wahrhaftig noch mehr Kinder darauf, als in meinen Hus- siten vor Naumburg vorkommen. Da nun dieses Stuͤck, besonders der Kinder wegen, so gruͤndlich bespoͤttelt wor- den, so hoffe ich, werde es dem wackern David nicht bes- ser ergehen, denn er und ich haben ganz aus der Acht gelassen, daß bei Darstellung einer Geschichte, in welcher Kinder die Haupttriebfeder der Handlung sind, durchaus keine Kinder sich zeigen muͤssen.
Man bezahlt, um die Sabinerinnen zu sehen, eine Kleinigkeit beim Eintritt, und kannzugleich eine Bro- schuͤre kaufen, in welcher David dieses Verfahren mit dem Beispiel der Alten entschuldigt, und behauptet, daß ihm vorzuͤglich daran gelegen sey, die Urtheile des Pub- likums auf diese Weise wie Apelles zu sammeln; da mag er dann auch wohl auf manchen Schuster stoßen. — Nach andern Nachrichten soll es ihm nebenher gar nicht gleich- giltig seyn, auf diese Weise bereits 60000 Livres einge- nommen zu haben.
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dungskraft hat es hervorgezaubert! — Die Weiber rol-
len ihre Kinder zwischen die Streitenden — da hat sich
ein zartes Weib um die Kniee des Sabiners geschmiegt —
kann der rauhe Mann ihr widerstehen? — Ha! ein Bild
voll schmerzlichen Lebens; und dennoch hat das Genie
des Meisters ein Mittel gefunden, einen Kontrast von
heiterer Ruhe anzubringen — wie? wird man schwerlich
errathen, und es ist doch so natuͤrlich. Zwischen den
Fuͤßen des Roͤmers liegt Eines der hingeworfenen Kinder,
welches eben seine erste Zaͤhne zu machen scheint, und
deßhalb ganz unbefangen mit dem Finger im Munde
spielt. Dieß zarte spielende Kind unter dem wuthschnau-
benden Helden macht großen Effekt.
Wenn die deutschen Kuͤnstler konsequent sind, so
duͤrfen sie das Bild freilich nicht loben, denn es sind
wahrhaftig noch mehr Kinder darauf, als in meinen Hus-
siten vor Naumburg vorkommen. Da nun dieses Stuͤck,
besonders der Kinder wegen, so gruͤndlich bespoͤttelt wor-
den, so hoffe ich, werde es dem wackern David nicht bes-
ser ergehen, denn er und ich haben ganz aus der Acht
gelassen, daß bei Darstellung einer Geschichte, in welcher
Kinder die Haupttriebfeder der Handlung sind, durchaus
keine Kinder sich zeigen muͤssen.
Man bezahlt, um die Sabinerinnen zu sehen, eine
Kleinigkeit beim Eintritt, und kannzugleich eine Bro-
schuͤre kaufen, in welcher David dieses Verfahren mit
dem Beispiel der Alten entschuldigt, und behauptet, daß
ihm vorzuͤglich daran gelegen sey, die Urtheile des Pub-
likums auf diese Weise wie Apelles zu sammeln; da mag
er dann auch wohl auf manchen Schuster stoßen. — Nach
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/44>, abgerufen am 08.07.2024.
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