Jndessen stehen noch ein paar Bilder in seinem At- telier, die wohl so Viel werth sind, als die Sabinerinnen, und die er einem Kunstliebhaber gratis zeigt. Die Ho- razier, die eben den feierlichen Schwur aussprechen, möchten wohl, in Hinsicht auf Komposition, Simplizität und Kraft, den Sabinerinnen noch vorzuziehen seyn: denn vielleicht ist es wahr, was Manche den Sabinerin- nen vorwerfen, daß man beim Anblick, besonders des Rö- mers, sich nicht enthalten kann, an die französische Oper zu denken. Die Hände der schwörenden Horatier sind unaussprechlich schön.
Minder hat mir Brutus gefallen, der seine Söhne zum Tode verdammt. Zwar ist der Ausdruck im Kopfe ganz gelungen, so wie die krampfige Angespanntheit sei- nes ganzen Körpers, die bis in die Fußzehen sichtbar bleibt. Aber das Bild ist gleichsam in zwei Theile ge- theilt, die Mutter mit den beiden Töchtern und der Groß- mutter sind durch eine Säule und durch ein ausge- spanntes Tuch gleichsam abgesondert. Herrlich ist die zusammensinkende Figur der einen Tochter. Vielleicht würde sie etwas zu groß seyn, wenn sie sich aufrichtete. Jst es wahr, was man gewöhnlich behauptet, daß das Verhüllen den höchsten Grad des Schmerzes ausdrü- cke, (woran ich doch zweifle,) so möchte es besser ge- wesen seyn, statt der Großmutter, die Mutter sich verhüllen zu lassen. Ein schöner Gedanke aber ist es, daß Brutus sich auf den Altar der Roma stützt, als seinen einzigen Trost in der schmerzlich erfüllten grausa- men Pflicht.
Jndessen stehen noch ein paar Bilder in seinem At- telier, die wohl so Viel werth sind, als die Sabinerinnen, und die er einem Kunstliebhaber gratis zeigt. Die Ho- razier, die eben den feierlichen Schwur aussprechen, moͤchten wohl, in Hinsicht auf Komposition, Simplizitaͤt und Kraft, den Sabinerinnen noch vorzuziehen seyn: denn vielleicht ist es wahr, was Manche den Sabinerin- nen vorwerfen, daß man beim Anblick, besonders des Roͤ- mers, sich nicht enthalten kann, an die franzoͤsische Oper zu denken. Die Haͤnde der schwoͤrenden Horatier sind unaussprechlich schoͤn.
Minder hat mir Brutus gefallen, der seine Soͤhne zum Tode verdammt. Zwar ist der Ausdruck im Kopfe ganz gelungen, so wie die krampfige Angespanntheit sei- nes ganzen Koͤrpers, die bis in die Fußzehen sichtbar bleibt. Aber das Bild ist gleichsam in zwei Theile ge- theilt, die Mutter mit den beiden Toͤchtern und der Groß- mutter sind durch eine Saͤule und durch ein ausge- spanntes Tuch gleichsam abgesondert. Herrlich ist die zusammensinkende Figur der einen Tochter. Vielleicht wuͤrde sie etwas zu groß seyn, wenn sie sich aufrichtete. Jst es wahr, was man gewoͤhnlich behauptet, daß das Verhuͤllen den hoͤchsten Grad des Schmerzes ausdruͤ- cke, (woran ich doch zweifle,) so moͤchte es besser ge- wesen seyn, statt der Großmutter, die Mutter sich verhuͤllen zu lassen. Ein schoͤner Gedanke aber ist es, daß Brutus sich auf den Altar der Roma stuͤtzt, als seinen einzigen Trost in der schmerzlich erfuͤllten grausa- men Pflicht.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0045"n="45"/><p>Jndessen stehen noch ein paar Bilder in seinem At-<lb/>
telier, die wohl so Viel werth sind, als die Sabinerinnen,<lb/>
und die er einem Kunstliebhaber gratis zeigt. Die <hirendition="#g">Ho-<lb/>
razier,</hi> die eben den feierlichen Schwur aussprechen,<lb/>
moͤchten wohl, in Hinsicht auf Komposition, Simplizitaͤt<lb/>
und Kraft, den Sabinerinnen noch vorzuziehen seyn:<lb/>
denn vielleicht ist es wahr, was Manche den Sabinerin-<lb/>
nen vorwerfen, daß man beim Anblick, besonders des <hirendition="#g">Roͤ-<lb/>
mers,</hi> sich nicht enthalten kann, an die franzoͤsische<lb/>
Oper zu denken. Die <hirendition="#g">Haͤnde der schwoͤrenden<lb/>
Horatier</hi> sind unaussprechlich schoͤn.</p><lb/><p>Minder hat mir <hirendition="#g">Brutus</hi> gefallen, der seine Soͤhne<lb/>
zum Tode verdammt. Zwar ist der Ausdruck im Kopfe<lb/>
ganz gelungen, so wie die krampfige Angespanntheit sei-<lb/>
nes ganzen Koͤrpers, die bis in die Fußzehen sichtbar<lb/>
bleibt. Aber das Bild ist gleichsam in zwei Theile ge-<lb/>
theilt, die Mutter mit den beiden Toͤchtern und der Groß-<lb/>
mutter sind durch eine Saͤule und durch ein ausge-<lb/>
spanntes Tuch gleichsam abgesondert. Herrlich ist die<lb/>
zusammensinkende Figur der einen Tochter. Vielleicht<lb/>
wuͤrde sie etwas zu groß seyn, wenn sie sich aufrichtete.<lb/>
Jst es wahr, was man gewoͤhnlich behauptet, daß das<lb/><hirendition="#g">Verhuͤllen</hi> den hoͤchsten Grad des Schmerzes ausdruͤ-<lb/>
cke, (woran ich doch zweifle,) so moͤchte es besser ge-<lb/>
wesen seyn, statt der <hirendition="#g">Großmutter,</hi> die <hirendition="#g">Mutter</hi> sich<lb/>
verhuͤllen zu lassen. Ein schoͤner Gedanke aber ist es,<lb/>
daß <hirendition="#g">Brutus</hi> sich auf den Altar der <hirendition="#g">Roma</hi> stuͤtzt, als<lb/>
seinen einzigen Trost in der schmerzlich erfuͤllten grausa-<lb/>
men Pflicht.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[45/0045]
Jndessen stehen noch ein paar Bilder in seinem At-
telier, die wohl so Viel werth sind, als die Sabinerinnen,
und die er einem Kunstliebhaber gratis zeigt. Die Ho-
razier, die eben den feierlichen Schwur aussprechen,
moͤchten wohl, in Hinsicht auf Komposition, Simplizitaͤt
und Kraft, den Sabinerinnen noch vorzuziehen seyn:
denn vielleicht ist es wahr, was Manche den Sabinerin-
nen vorwerfen, daß man beim Anblick, besonders des Roͤ-
mers, sich nicht enthalten kann, an die franzoͤsische
Oper zu denken. Die Haͤnde der schwoͤrenden
Horatier sind unaussprechlich schoͤn.
Minder hat mir Brutus gefallen, der seine Soͤhne
zum Tode verdammt. Zwar ist der Ausdruck im Kopfe
ganz gelungen, so wie die krampfige Angespanntheit sei-
nes ganzen Koͤrpers, die bis in die Fußzehen sichtbar
bleibt. Aber das Bild ist gleichsam in zwei Theile ge-
theilt, die Mutter mit den beiden Toͤchtern und der Groß-
mutter sind durch eine Saͤule und durch ein ausge-
spanntes Tuch gleichsam abgesondert. Herrlich ist die
zusammensinkende Figur der einen Tochter. Vielleicht
wuͤrde sie etwas zu groß seyn, wenn sie sich aufrichtete.
Jst es wahr, was man gewoͤhnlich behauptet, daß das
Verhuͤllen den hoͤchsten Grad des Schmerzes ausdruͤ-
cke, (woran ich doch zweifle,) so moͤchte es besser ge-
wesen seyn, statt der Großmutter, die Mutter sich
verhuͤllen zu lassen. Ein schoͤner Gedanke aber ist es,
daß Brutus sich auf den Altar der Roma stuͤtzt, als
seinen einzigen Trost in der schmerzlich erfuͤllten grausa-
men Pflicht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/45>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.