Herzen flöße, und bedarf nie einer Zurechtweisung. Das ist also für uns Teutsche Nichts.
Das dritte Unterhaltungsmittel endlich ist die Musik. Jch verstehe darunter nicht eigentliche Kon- zerte, sondern das Spielen und Singen einzelner Per- sonen, vom Klavier oder von einem andern Jnstrumente begleitet. Es wäre undankbar, hier nicht der jungen schönen Gemahlinn des Staatsraths Regnaud de St. Jean d' Angely zu erwähnen, welche wirklich schön und lieblich singt, und z. B. eine Szene vom Gluck mit tie- fem Gefühl vorträgt. Wo aber die Wirthinn vom Hause solche Vorzüge nicht besitzt, da ist man besonders be- müht, den berühmten Singer Garat in die Gesellschaft zu ziehen, und man wird schon mehrere Tage vorher ausdrücklich auf ihn, wie auf Delille, eingeladen.
Aber welch ein Unterschied zwischen ihm und Delille! Dieser ist vielleicht zu gefällig, jener besitzt den unaus- stehlichsten Künstlereigensinn und Uebermuth, den ich je- mals zu verachten Gelegenheit gehabt habe. Dreimal fand ich mich ein, um ihn zu bewundern. Das erstemal hatte er sehr gewiß versprochen zu kommen, blieb aber ganz aus. Das zweitemal (bei Madame Regnaud de St. Jean d' Angely) kam er zwar, aber sobald ich ihn erblickte, wußte ich schon, woran ich war. Er trat in eine große geputzte Gesellschaft nachläßig gekleidet, in Stiefeln und mit verworrenem Tituskopf, gab sich Airs, wie vormals nur ein verzogener Höfling gethan haben mag, und war durch keine Bitten dahin zu bringen, daß er gesungen hätte. -- Das drittemal -- bei der tief- fühlenden Verfasserinn der Valerie -- machte er es eben so. Jch sah lange von Ferne zu, wie man ihn mit Bitten bestürmte; da ich aber sehr deutlich in seinen Zü-
Herzen floͤße, und bedarf nie einer Zurechtweisung. Das ist also fuͤr uns Teutsche Nichts.
Das dritte Unterhaltungsmittel endlich ist die Musik. Jch verstehe darunter nicht eigentliche Kon- zerte, sondern das Spielen und Singen einzelner Per- sonen, vom Klavier oder von einem andern Jnstrumente begleitet. Es waͤre undankbar, hier nicht der jungen schoͤnen Gemahlinn des Staatsraths Regnaud de St. Jean d' Angely zu erwaͤhnen, welche wirklich schoͤn und lieblich singt, und z. B. eine Szene vom Gluck mit tie- fem Gefuͤhl vortraͤgt. Wo aber die Wirthinn vom Hause solche Vorzuͤge nicht besitzt, da ist man besonders be- muͤht, den beruͤhmten Singer Garat in die Gesellschaft zu ziehen, und man wird schon mehrere Tage vorher ausdruͤcklich auf ihn, wie auf Delille, eingeladen.
Aber welch ein Unterschied zwischen ihm und Delille! Dieser ist vielleicht zu gefaͤllig, jener besitzt den unaus- stehlichsten Kuͤnstlereigensinn und Uebermuth, den ich je- mals zu verachten Gelegenheit gehabt habe. Dreimal fand ich mich ein, um ihn zu bewundern. Das erstemal hatte er sehr gewiß versprochen zu kommen, blieb aber ganz aus. Das zweitemal (bei Madame Regnaud de St. Jean d' Angely) kam er zwar, aber sobald ich ihn erblickte, wußte ich schon, woran ich war. Er trat in eine große geputzte Gesellschaft nachlaͤßig gekleidet, in Stiefeln und mit verworrenem Tituskopf, gab sich Airs, wie vormals nur ein verzogener Hoͤfling gethan haben mag, und war durch keine Bitten dahin zu bringen, daß er gesungen haͤtte. — Das drittemal — bei der tief- fuͤhlenden Verfasserinn der Valerie — machte er es eben so. Jch sah lange von Ferne zu, wie man ihn mit Bitten bestuͤrmte; da ich aber sehr deutlich in seinen Zuͤ-
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Herzen floͤße, und bedarf nie einer Zurechtweisung. Das
ist also fuͤr uns Teutsche Nichts.
Das dritte Unterhaltungsmittel endlich ist die
Musik. Jch verstehe darunter nicht eigentliche Kon-
zerte, sondern das Spielen und Singen einzelner Per-
sonen, vom Klavier oder von einem andern Jnstrumente
begleitet. Es waͤre undankbar, hier nicht der jungen
schoͤnen Gemahlinn des Staatsraths Regnaud de St.
Jean d' Angely zu erwaͤhnen, welche wirklich schoͤn und
lieblich singt, und z. B. eine Szene vom Gluck mit tie-
fem Gefuͤhl vortraͤgt. Wo aber die Wirthinn vom Hause
solche Vorzuͤge nicht besitzt, da ist man besonders be-
muͤht, den beruͤhmten Singer Garat in die Gesellschaft
zu ziehen, und man wird schon mehrere Tage vorher
ausdruͤcklich auf ihn, wie auf Delille, eingeladen.
Aber welch ein Unterschied zwischen ihm und Delille!
Dieser ist vielleicht zu gefaͤllig, jener besitzt den unaus-
stehlichsten Kuͤnstlereigensinn und Uebermuth, den ich je-
mals zu verachten Gelegenheit gehabt habe. Dreimal
fand ich mich ein, um ihn zu bewundern. Das erstemal
hatte er sehr gewiß versprochen zu kommen, blieb aber
ganz aus. Das zweitemal (bei Madame Regnaud de
St. Jean d' Angely) kam er zwar, aber sobald ich ihn
erblickte, wußte ich schon, woran ich war. Er trat in
eine große geputzte Gesellschaft nachlaͤßig gekleidet, in
Stiefeln und mit verworrenem Tituskopf, gab sich Airs,
wie vormals nur ein verzogener Hoͤfling gethan haben
mag, und war durch keine Bitten dahin zu bringen, daß
er gesungen haͤtte. — Das drittemal — bei der tief-
fuͤhlenden Verfasserinn der Valerie — machte er es
eben so. Jch sah lange von Ferne zu, wie man ihn mit
Bitten bestuͤrmte; da ich aber sehr deutlich in seinen Zuͤ-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/40>, abgerufen am 31.07.2024.
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