erklären Sie, Bürger, den Geschwornen, was Sie von der Sache wissen.
Der Zeuge wendet sich hierauf an die Geschwornen und erzählt. Die Geschwornen bleiben stumme Zuhörer, der Präsident aber thut, wo es ihm nöthig scheint, Fra- gen dazwischen, und, wenn er Nichts mehr zu fragen weis, ersucht er den Zeugen sich wieder auf seinen Platz zu verfügen. Dann kehrt er sich zu dem Angeklagten, sprechend: Habt ihr Etwas gegen die Aussage des Zeugen einzuwenden? Worauf dann dieser seine Einwendungen vorbringt, der Zeuge auch wohl zum zweitenmal aufgerufen wird, und so gewißermaßen ein Gespräch zwischen dem Angeklagten, dem Präsidenten, und dem Zeugen entsteht, wobei alle Drei sich einer ge- wißen Urbanität befleißen, und das Harte, was sie et- wa zu sagen hatten, doch immer in einem höflichen, völ- lig leidenschaftlosen Tone vortragen.
Der junge Banqueroutier, ein Meubelhändler, schien mir ein großer Spitzbube. Trotz seiner Jugend wußte er sich immer sehr gut zu fassen, schob Alles und Alles auf seine Mutter, deren Geschäfte er bloß geführt, da er selbst das erforderliche Alter noch nicht habe; und -- wenn er nicht weiter konnte -- so läugnete er gerade- zu. Der Richter wußte ihn jedoch einigemal ganz fein in seiner Aussage zu verwickeln, und dann entstand jedes- mal eine Art von Beifallsgemurmel unter dem versam- melten Volke, das einen sehr richtigen Takt voraussetzte.
Mit wahrem Vergnügen brachte ich wohl einige Stunden hier zu; da aber die Zahl der abzuhörenden Zeugen sehr groß war, so konnte ich das Ende nicht er- warten. Als der mir am nächsten sitzende Schreiber merkte, daß ich gehen wollte, näherte er sich mir sehr
erklaͤren Sie, Buͤrger, den Geschwornen, was Sie von der Sache wissen.
Der Zeuge wendet sich hierauf an die Geschwornen und erzaͤhlt. Die Geschwornen bleiben stumme Zuhoͤrer, der Praͤsident aber thut, wo es ihm noͤthig scheint, Fra- gen dazwischen, und, wenn er Nichts mehr zu fragen weis, ersucht er den Zeugen sich wieder auf seinen Platz zu verfuͤgen. Dann kehrt er sich zu dem Angeklagten, sprechend: Habt ihr Etwas gegen die Aussage des Zeugen einzuwenden? Worauf dann dieser seine Einwendungen vorbringt, der Zeuge auch wohl zum zweitenmal aufgerufen wird, und so gewißermaßen ein Gespraͤch zwischen dem Angeklagten, dem Praͤsidenten, und dem Zeugen entsteht, wobei alle Drei sich einer ge- wißen Urbanitaͤt befleißen, und das Harte, was sie et- wa zu sagen hatten, doch immer in einem hoͤflichen, voͤl- lig leidenschaftlosen Tone vortragen.
Der junge Banqueroutier, ein Meubelhaͤndler, schien mir ein großer Spitzbube. Trotz seiner Jugend wußte er sich immer sehr gut zu fassen, schob Alles und Alles auf seine Mutter, deren Geschaͤfte er bloß gefuͤhrt, da er selbst das erforderliche Alter noch nicht habe; und — wenn er nicht weiter konnte — so laͤugnete er gerade- zu. Der Richter wußte ihn jedoch einigemal ganz fein in seiner Aussage zu verwickeln, und dann entstand jedes- mal eine Art von Beifallsgemurmel unter dem versam- melten Volke, das einen sehr richtigen Takt voraussetzte.
Mit wahrem Vergnuͤgen brachte ich wohl einige Stunden hier zu; da aber die Zahl der abzuhoͤrenden Zeugen sehr groß war, so konnte ich das Ende nicht er- warten. Als der mir am naͤchsten sitzende Schreiber merkte, daß ich gehen wollte, naͤherte er sich mir sehr
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erklaͤren Sie, Buͤrger, den Geschwornen, was
Sie von der Sache wissen.
Der Zeuge wendet sich hierauf an die Geschwornen
und erzaͤhlt. Die Geschwornen bleiben stumme Zuhoͤrer,
der Praͤsident aber thut, wo es ihm noͤthig scheint, Fra-
gen dazwischen, und, wenn er Nichts mehr zu fragen
weis, ersucht er den Zeugen sich wieder auf seinen Platz
zu verfuͤgen. Dann kehrt er sich zu dem Angeklagten,
sprechend: Habt ihr Etwas gegen die Aussage
des Zeugen einzuwenden? Worauf dann dieser
seine Einwendungen vorbringt, der Zeuge auch wohl zum
zweitenmal aufgerufen wird, und so gewißermaßen ein
Gespraͤch zwischen dem Angeklagten, dem Praͤsidenten,
und dem Zeugen entsteht, wobei alle Drei sich einer ge-
wißen Urbanitaͤt befleißen, und das Harte, was sie et-
wa zu sagen hatten, doch immer in einem hoͤflichen, voͤl-
lig leidenschaftlosen Tone vortragen.
Der junge Banqueroutier, ein Meubelhaͤndler,
schien mir ein großer Spitzbube. Trotz seiner Jugend
wußte er sich immer sehr gut zu fassen, schob Alles und
Alles auf seine Mutter, deren Geschaͤfte er bloß gefuͤhrt,
da er selbst das erforderliche Alter noch nicht habe; und
— wenn er nicht weiter konnte — so laͤugnete er gerade-
zu. Der Richter wußte ihn jedoch einigemal ganz fein
in seiner Aussage zu verwickeln, und dann entstand jedes-
mal eine Art von Beifallsgemurmel unter dem versam-
melten Volke, das einen sehr richtigen Takt voraussetzte.
Mit wahrem Vergnuͤgen brachte ich wohl einige
Stunden hier zu; da aber die Zahl der abzuhoͤrenden
Zeugen sehr groß war, so konnte ich das Ende nicht er-
warten. Als der mir am naͤchsten sitzende Schreiber
merkte, daß ich gehen wollte, naͤherte er sich mir sehr
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/25>, abgerufen am 31.07.2024.
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