nehmen, theils für distinguirte Personen unter den Zu- schauern. Dann folgten noch eine Menge Bänke hinter einander, die von einer niedern Volksklasse eingenommen waren, und endlich ein großer Raum zum Stehen für den Pöbel. Das Ganze gewährte in der That einen im- posanten Anblick. Der Saal war sehr angefüllt, und auch oft geräuschvoll, doch konnte man sehr deutlich be- merken, daß, so oft ein Geräusch entstand, es nicht auf fremde Gegenstände, sondern auf die verhandelte Sache sich bezog, deren Untersuchung der ganze Haufe aufmerk- sam verfolgte. -- Jch muß hier abermals die gastliche Höflichkeit der Franzosen rühmen. Als ich kam, war das Verhör schon im vollen Gange, und ich mußte mit einem Platze hinter dem Pöbel vorlieb nehmen. Kaum aber hatte mein Lohnlaquay dem nächsten Huissier einen Wink davon gegeben, daß ich ein Fremder sey, als die- ser mir sogleich bis zu den Bänken der gemeinen Leute verhalf; und kaum hatte mich hier wiederum Einer der Protokollisten wahrgenommen, als er mir Platz machen und die Schranken der nächsten Bänke öffnen ließ, wo ich dann zum Theil unter den Zeugen saß, und Alles recht gut sehen und hören konnte.
Der Delinquent war ein junger muthwilliger Ban- queroutier. Ein Zeuge nach dem andern wurde vorge- rufen, der mittelste Richter oder Präsident that die ge- wöhnlichen Fragen an ihn, nach Namen, Alter, Stand, Verhältnissen mit dem Angeklagten u. s. w. Dann fügte er eine kurze Ermahnung hinzu, die Wahrheit getreulich zu berichten, ließ ihn aber nicht schwören. Endlich schloß er mit den Worten: Erklären Sie, Bürger, (denn hier allein hört man noch Etwas von Citoyen, und hier ist es auch ganz an seiner Stelle)
nehmen, theils fuͤr distinguirte Personen unter den Zu- schauern. Dann folgten noch eine Menge Baͤnke hinter einander, die von einer niedern Volksklasse eingenommen waren, und endlich ein großer Raum zum Stehen fuͤr den Poͤbel. Das Ganze gewaͤhrte in der That einen im- posanten Anblick. Der Saal war sehr angefuͤllt, und auch oft geraͤuschvoll, doch konnte man sehr deutlich be- merken, daß, so oft ein Geraͤusch entstand, es nicht auf fremde Gegenstaͤnde, sondern auf die verhandelte Sache sich bezog, deren Untersuchung der ganze Haufe aufmerk- sam verfolgte. — Jch muß hier abermals die gastliche Hoͤflichkeit der Franzosen ruͤhmen. Als ich kam, war das Verhoͤr schon im vollen Gange, und ich mußte mit einem Platze hinter dem Poͤbel vorlieb nehmen. Kaum aber hatte mein Lohnlaquay dem naͤchsten Huissier einen Wink davon gegeben, daß ich ein Fremder sey, als die- ser mir sogleich bis zu den Baͤnken der gemeinen Leute verhalf; und kaum hatte mich hier wiederum Einer der Protokollisten wahrgenommen, als er mir Platz machen und die Schranken der naͤchsten Baͤnke oͤffnen ließ, wo ich dann zum Theil unter den Zeugen saß, und Alles recht gut sehen und hoͤren konnte.
Der Delinquent war ein junger muthwilliger Ban- queroutier. Ein Zeuge nach dem andern wurde vorge- rufen, der mittelste Richter oder Praͤsident that die ge- woͤhnlichen Fragen an ihn, nach Namen, Alter, Stand, Verhaͤltnissen mit dem Angeklagten u. s. w. Dann fuͤgte er eine kurze Ermahnung hinzu, die Wahrheit getreulich zu berichten, ließ ihn aber nicht schwoͤren. Endlich schloß er mit den Worten: Erklaͤren Sie, Buͤrger, (denn hier allein hoͤrt man noch Etwas von Citoyen, und hier ist es auch ganz an seiner Stelle)
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0024"n="24"/>
nehmen, theils fuͤr distinguirte Personen unter den Zu-<lb/>
schauern. Dann folgten noch eine Menge Baͤnke hinter<lb/>
einander, die von einer niedern Volksklasse eingenommen<lb/>
waren, und endlich ein großer Raum zum <hirendition="#g">Stehen</hi> fuͤr<lb/>
den Poͤbel. Das Ganze gewaͤhrte in der That einen im-<lb/>
posanten Anblick. Der Saal war sehr angefuͤllt, und<lb/>
auch oft geraͤuschvoll, doch konnte man sehr deutlich be-<lb/>
merken, daß, so oft ein Geraͤusch entstand, es nicht auf<lb/>
fremde Gegenstaͤnde, sondern auf die verhandelte Sache<lb/>
sich bezog, deren Untersuchung der ganze Haufe aufmerk-<lb/>
sam verfolgte. — Jch muß hier abermals die gastliche<lb/>
Hoͤflichkeit der Franzosen ruͤhmen. Als ich kam, war<lb/>
das Verhoͤr schon im vollen Gange, und ich mußte mit<lb/>
einem Platze hinter dem Poͤbel vorlieb nehmen. Kaum<lb/>
aber hatte mein Lohnlaquay dem naͤchsten Huissier einen<lb/>
Wink davon gegeben, daß ich ein Fremder sey, als die-<lb/>
ser mir sogleich bis zu den Baͤnken der gemeinen Leute<lb/>
verhalf; und kaum hatte mich hier wiederum Einer der<lb/>
Protokollisten wahrgenommen, als er mir Platz machen<lb/>
und die Schranken der naͤchsten Baͤnke oͤffnen ließ, wo<lb/>
ich dann zum Theil unter den Zeugen saß, und Alles<lb/>
recht gut sehen und hoͤren konnte.</p><lb/><p>Der Delinquent war ein junger muthwilliger Ban-<lb/>
queroutier. Ein Zeuge nach dem andern wurde vorge-<lb/>
rufen, der mittelste Richter oder Praͤsident that die ge-<lb/>
woͤhnlichen Fragen an ihn, nach Namen, Alter, Stand,<lb/>
Verhaͤltnissen mit dem Angeklagten u. s. w. Dann fuͤgte<lb/>
er eine kurze Ermahnung hinzu, die Wahrheit getreulich<lb/>
zu berichten, <hirendition="#g">ließ ihn aber nicht schwoͤren.</hi><lb/>
Endlich schloß er mit den Worten: <hirendition="#g">Erklaͤren Sie,<lb/>
Buͤrger,</hi> (denn hier allein hoͤrt man noch Etwas von<lb/>
Citoyen, und hier ist es auch ganz an seiner Stelle)<lb/></p></div></body></text></TEI>
[24/0024]
nehmen, theils fuͤr distinguirte Personen unter den Zu-
schauern. Dann folgten noch eine Menge Baͤnke hinter
einander, die von einer niedern Volksklasse eingenommen
waren, und endlich ein großer Raum zum Stehen fuͤr
den Poͤbel. Das Ganze gewaͤhrte in der That einen im-
posanten Anblick. Der Saal war sehr angefuͤllt, und
auch oft geraͤuschvoll, doch konnte man sehr deutlich be-
merken, daß, so oft ein Geraͤusch entstand, es nicht auf
fremde Gegenstaͤnde, sondern auf die verhandelte Sache
sich bezog, deren Untersuchung der ganze Haufe aufmerk-
sam verfolgte. — Jch muß hier abermals die gastliche
Hoͤflichkeit der Franzosen ruͤhmen. Als ich kam, war
das Verhoͤr schon im vollen Gange, und ich mußte mit
einem Platze hinter dem Poͤbel vorlieb nehmen. Kaum
aber hatte mein Lohnlaquay dem naͤchsten Huissier einen
Wink davon gegeben, daß ich ein Fremder sey, als die-
ser mir sogleich bis zu den Baͤnken der gemeinen Leute
verhalf; und kaum hatte mich hier wiederum Einer der
Protokollisten wahrgenommen, als er mir Platz machen
und die Schranken der naͤchsten Baͤnke oͤffnen ließ, wo
ich dann zum Theil unter den Zeugen saß, und Alles
recht gut sehen und hoͤren konnte.
Der Delinquent war ein junger muthwilliger Ban-
queroutier. Ein Zeuge nach dem andern wurde vorge-
rufen, der mittelste Richter oder Praͤsident that die ge-
woͤhnlichen Fragen an ihn, nach Namen, Alter, Stand,
Verhaͤltnissen mit dem Angeklagten u. s. w. Dann fuͤgte
er eine kurze Ermahnung hinzu, die Wahrheit getreulich
zu berichten, ließ ihn aber nicht schwoͤren.
Endlich schloß er mit den Worten: Erklaͤren Sie,
Buͤrger, (denn hier allein hoͤrt man noch Etwas von
Citoyen, und hier ist es auch ganz an seiner Stelle)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/24>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.