auf einen großen Bogen drucken, und an allen Straßen- ecken anschlagen.
Trotz aller Charlatanerien scheinen aber doch die Leute ziemlich alt in Paris zu werden, denn ich habe in einem einzigen Tageblatt, unter 28 angezeigten Todes- fällen, einen Mann von 95, zwei von 81, und noch fünf von 79, 76, 70, 65 und 63, also acht ziemlich alte Leute gefunden.
Viel Spaß haben mir oft die Urtheile über mich selbst in den öffentlichen Blättern gemacht, und es ver- gieng selten ein Tag, wo ich derer nicht zu lesen bekam. Der Eine beschwerte sich mit vieler Bitterkeit, daß ich der einzige Fremde sey, dessen Stücke die Ehre gehabt, ganz, oder nur mit sehr geringen Abänderungen, auf der französischen Bühne vorgestellt zu werden; alle Uebri- ge hätten nur Stoffe geliefert. -- Wodurch, ruft er auf, erhalten sich diese mittelmäßigen Dramen? -- durch die guten Schauspieler? -- Nein, denn die näm- lichen Schauspieler können ja nicht verhindern, das so viele andere weit bessere Stücke fallen? Man kommt ja doch immer wieder, um zu weinen, und sich hintendrein über Diejenigen lustig zu machen, welche geweint haben. Jn Parenthese gesteht er, daß Laharpe gesagt habe: Les epigrammes contre les pleurs sont d'assez mauvaise grace. -- Nun, endlich, wodurch erhalten sich dann meine Stücke? -- Durch ihren moralischen Zweck, (gerade Das, was man ihnen in Teutschland abspricht.) der sie von den französischen Dramen eines Diderot und Beaumarchais zu ihrem Vortheile unterscheidet.
Jch will es den Herren besser sagen: sie erhalten sich, Trotz allen ihren Fehlern, bloß durch die Wahr-
auf einen großen Bogen drucken, und an allen Straßen- ecken anschlagen.
Trotz aller Charlatanerien scheinen aber doch die Leute ziemlich alt in Paris zu werden, denn ich habe in einem einzigen Tageblatt, unter 28 angezeigten Todes- faͤllen, einen Mann von 95, zwei von 81, und noch fuͤnf von 79, 76, 70, 65 und 63, also acht ziemlich alte Leute gefunden.
Viel Spaß haben mir oft die Urtheile uͤber mich selbst in den oͤffentlichen Blaͤttern gemacht, und es ver- gieng selten ein Tag, wo ich derer nicht zu lesen bekam. Der Eine beschwerte sich mit vieler Bitterkeit, daß ich der einzige Fremde sey, dessen Stuͤcke die Ehre gehabt, ganz, oder nur mit sehr geringen Abaͤnderungen, auf der franzoͤsischen Buͤhne vorgestellt zu werden; alle Uebri- ge haͤtten nur Stoffe geliefert. — Wodurch, ruft er auf, erhalten sich diese mittelmaͤßigen Dramen? — durch die guten Schauspieler? — Nein, denn die naͤm- lichen Schauspieler koͤnnen ja nicht verhindern, das so viele andere weit bessere Stuͤcke fallen? Man kommt ja doch immer wieder, um zu weinen, und sich hintendrein uͤber Diejenigen lustig zu machen, welche geweint haben. Jn Parenthese gesteht er, daß Laharpe gesagt habe: Les épigrammes contre les pleurs sont d'assez mauvaise grace. — Nun, endlich, wodurch erhalten sich dann meine Stuͤcke? — Durch ihren moralischen Zweck, (gerade Das, was man ihnen in Teutschland abspricht.) der sie von den franzoͤsischen Dramen eines Diderot und Beaumarchais zu ihrem Vortheile unterscheidet.
Jch will es den Herren besser sagen: sie erhalten sich, Trotz allen ihren Fehlern, bloß durch die Wahr-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0155"n="155"/>
auf einen großen Bogen drucken, und an allen Straßen-<lb/>
ecken anschlagen.</p><lb/><p>Trotz aller Charlatanerien scheinen aber doch die<lb/>
Leute ziemlich alt in Paris zu werden, denn ich habe in<lb/>
einem einzigen Tageblatt, unter 28 angezeigten Todes-<lb/>
faͤllen, einen Mann von 95, zwei von 81, und noch fuͤnf<lb/>
von 79, 76, 70, 65 und 63, also <hirendition="#g">acht</hi> ziemlich alte<lb/>
Leute gefunden.</p><lb/><p>Viel Spaß haben mir oft die Urtheile uͤber mich<lb/>
selbst in den oͤffentlichen Blaͤttern gemacht, und es ver-<lb/>
gieng selten ein Tag, wo ich derer nicht zu lesen bekam.<lb/>
Der Eine beschwerte sich mit vieler Bitterkeit, daß ich<lb/>
der einzige Fremde sey, dessen Stuͤcke die Ehre gehabt,<lb/><hirendition="#g">ganz,</hi> oder nur mit sehr geringen Abaͤnderungen, auf<lb/>
der franzoͤsischen Buͤhne vorgestellt zu werden; alle Uebri-<lb/>
ge haͤtten nur Stoffe geliefert. — Wodurch, ruft er<lb/>
auf, erhalten sich diese mittelmaͤßigen Dramen? —<lb/>
durch die guten Schauspieler? — Nein, denn die naͤm-<lb/>
lichen Schauspieler koͤnnen ja nicht verhindern, das so<lb/>
viele andere weit bessere Stuͤcke fallen? Man kommt ja<lb/>
doch immer wieder, um zu weinen, und sich hintendrein<lb/>
uͤber Diejenigen lustig zu machen, welche geweint haben.<lb/>
Jn Parenthese gesteht er, daß Laharpe gesagt habe: Les<lb/>
épigrammes contre les pleurs sont d'assez mauvaise<lb/>
grace. — Nun, endlich, wodurch erhalten sich dann<lb/>
meine Stuͤcke? — Durch ihren <hirendition="#g">moralischen Zweck,</hi><lb/>
(gerade Das, was man ihnen in Teutschland abspricht.)<lb/>
der sie von den franzoͤsischen Dramen eines Diderot und<lb/>
Beaumarchais zu ihrem Vortheile unterscheidet.</p><lb/><p>Jch will es den Herren besser sagen: sie erhalten<lb/>
sich, Trotz allen ihren Fehlern, bloß durch die <hirendition="#g">Wahr-<lb/></hi></p></div></body></text></TEI>
[155/0155]
auf einen großen Bogen drucken, und an allen Straßen-
ecken anschlagen.
Trotz aller Charlatanerien scheinen aber doch die
Leute ziemlich alt in Paris zu werden, denn ich habe in
einem einzigen Tageblatt, unter 28 angezeigten Todes-
faͤllen, einen Mann von 95, zwei von 81, und noch fuͤnf
von 79, 76, 70, 65 und 63, also acht ziemlich alte
Leute gefunden.
Viel Spaß haben mir oft die Urtheile uͤber mich
selbst in den oͤffentlichen Blaͤttern gemacht, und es ver-
gieng selten ein Tag, wo ich derer nicht zu lesen bekam.
Der Eine beschwerte sich mit vieler Bitterkeit, daß ich
der einzige Fremde sey, dessen Stuͤcke die Ehre gehabt,
ganz, oder nur mit sehr geringen Abaͤnderungen, auf
der franzoͤsischen Buͤhne vorgestellt zu werden; alle Uebri-
ge haͤtten nur Stoffe geliefert. — Wodurch, ruft er
auf, erhalten sich diese mittelmaͤßigen Dramen? —
durch die guten Schauspieler? — Nein, denn die naͤm-
lichen Schauspieler koͤnnen ja nicht verhindern, das so
viele andere weit bessere Stuͤcke fallen? Man kommt ja
doch immer wieder, um zu weinen, und sich hintendrein
uͤber Diejenigen lustig zu machen, welche geweint haben.
Jn Parenthese gesteht er, daß Laharpe gesagt habe: Les
épigrammes contre les pleurs sont d'assez mauvaise
grace. — Nun, endlich, wodurch erhalten sich dann
meine Stuͤcke? — Durch ihren moralischen Zweck,
(gerade Das, was man ihnen in Teutschland abspricht.)
der sie von den franzoͤsischen Dramen eines Diderot und
Beaumarchais zu ihrem Vortheile unterscheidet.
Jch will es den Herren besser sagen: sie erhalten
sich, Trotz allen ihren Fehlern, bloß durch die Wahr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/155>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.