Jch will einige Stücke nennen, die ich auf dem Thea- tre francais habe spielen sehen. Tancred -- Lafond gab ihn vortrefflich, die übrige Besetzung war höchst mittel- mäßig. Armenide wurde durch eine doublirende Schauspielerinn dargestellt. -- Les deux freres (die Versöhnung oder Bruderzwist, von mir) wurde so schön vorgestellt, wie ich es nie gesehen habe, und vermuth- lich nie wieder sehen werde. Baptista, als Kapitän, Michot, als Hans Buller (einzig, unübertrefflich), Mamsell Mars, als Lottchen (unaussprechlich lie- benswürdig, eine Naivetät und Sittsamkeit, Feinheit und Unschuld -- es ist unmöglich, von dieser jüngsten Grazie nicht bezaubert zu werden); Damas, als Doktor Bluhm, La Rochelle, als Eyterborn. -- Ja, wahr- lich, seine Stücke so spielen zu sehen, ist ein wahrer Ge- nuß! Jn Teutschland werden immer nur einzelne Rol- len hervorgehoben, das Ganze bleibt Stückwerk. Jn Teuschland sollte eigentlich nie ein Schauspiel beurtheilt werden: denn man sieht es nie so, wie der Verfasser es sich dachte. Doch nehme ich in Berlin einige wenige Stücke aus, z. B. Jeannette von Gotter, wo Jff- lands Kunst herrlich glänzt, und dennoch die Uebrigen neben ihm sich nicht im Schatten verlieren. Es ist eine Prunkvorstellung des Berliner Theaters, das Stück ist bekanntlich gut, und so oft es gespielt wird -- bleibt das Haus leer. Doch ich vergesse, daß ich noch in Pa- ris bin. Das Pariser Publikum erinnerte mich bey der Vorstellung der deux freres lebhaft an das Wiener: denn es hob, wie jenes, mit regem Gefühle jede bessere Stelle heraus. Das Stück hatte, wie man mir erzähl- te, Anfangs mit großer Kabale zu kämpfen, hob sich aber immer höher, und ist jetzt ein Lieblingsstück der Pari-
Jch will einige Stuͤcke nennen, die ich auf dem Théa- tre français habe spielen sehen. Tancred — Lafond gab ihn vortrefflich, die uͤbrige Besetzung war hoͤchst mittel- maͤßig. Armenide wurde durch eine doublirende Schauspielerinn dargestellt. — Les deux frères (die Versoͤhnung oder Bruderzwist, von mir) wurde so schoͤn vorgestellt, wie ich es nie gesehen habe, und vermuth- lich nie wieder sehen werde. Baptista, als Kapitaͤn, Michot, als Hans Buller (einzig, unuͤbertrefflich), Mamsell Mars, als Lottchen (unaussprechlich lie- benswuͤrdig, eine Naivetaͤt und Sittsamkeit, Feinheit und Unschuld — es ist unmoͤglich, von dieser juͤngsten Grazie nicht bezaubert zu werden); Damas, als Doktor Bluhm, La Rochelle, als Eyterborn. — Ja, wahr- lich, seine Stuͤcke so spielen zu sehen, ist ein wahrer Ge- nuß! Jn Teutschland werden immer nur einzelne Rol- len hervorgehoben, das Ganze bleibt Stuͤckwerk. Jn Teuschland sollte eigentlich nie ein Schauspiel beurtheilt werden: denn man sieht es nie so, wie der Verfasser es sich dachte. Doch nehme ich in Berlin einige wenige Stuͤcke aus, z. B. Jeannette von Gotter, wo Jff- lands Kunst herrlich glaͤnzt, und dennoch die Uebrigen neben ihm sich nicht im Schatten verlieren. Es ist eine Prunkvorstellung des Berliner Theaters, das Stuͤck ist bekanntlich gut, und so oft es gespielt wird — bleibt das Haus leer. Doch ich vergesse, daß ich noch in Pa- ris bin. Das Pariser Publikum erinnerte mich bey der Vorstellung der deux frères lebhaft an das Wiener: denn es hob, wie jenes, mit regem Gefuͤhle jede bessere Stelle heraus. Das Stuͤck hatte, wie man mir erzaͤhl- te, Anfangs mit großer Kabale zu kaͤmpfen, hob sich aber immer hoͤher, und ist jetzt ein Lieblingsstuͤck der Pari-
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Jch will einige Stuͤcke nennen, die ich auf dem Théa-
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ihn vortrefflich, die uͤbrige Besetzung war hoͤchst mittel-
maͤßig. Armenide wurde durch eine doublirende
Schauspielerinn dargestellt. — Les deux frères (die
Versoͤhnung oder Bruderzwist, von mir) wurde so schoͤn
vorgestellt, wie ich es nie gesehen habe, und vermuth-
lich nie wieder sehen werde. Baptista, als Kapitaͤn,
Michot, als Hans Buller (einzig, unuͤbertrefflich),
Mamsell Mars, als Lottchen (unaussprechlich lie-
benswuͤrdig, eine Naivetaͤt und Sittsamkeit, Feinheit
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Grazie nicht bezaubert zu werden); Damas, als Doktor
Bluhm, La Rochelle, als Eyterborn. — Ja, wahr-
lich, seine Stuͤcke so spielen zu sehen, ist ein wahrer Ge-
nuß! Jn Teutschland werden immer nur einzelne Rol-
len hervorgehoben, das Ganze bleibt Stuͤckwerk. Jn
Teuschland sollte eigentlich nie ein Schauspiel beurtheilt
werden: denn man sieht es nie so, wie der Verfasser es
sich dachte. Doch nehme ich in Berlin einige wenige
Stuͤcke aus, z. B. Jeannette von Gotter, wo Jff-
lands Kunst herrlich glaͤnzt, und dennoch die Uebrigen
neben ihm sich nicht im Schatten verlieren. Es ist eine
Prunkvorstellung des Berliner Theaters, das Stuͤck ist
bekanntlich gut, und so oft es gespielt wird — bleibt
das Haus leer. Doch ich vergesse, daß ich noch in Pa-
ris bin. Das Pariser Publikum erinnerte mich bey der
Vorstellung der deux frères lebhaft an das Wiener:
denn es hob, wie jenes, mit regem Gefuͤhle jede bessere
Stelle heraus. Das Stuͤck hatte, wie man mir erzaͤhl-
te, Anfangs mit großer Kabale zu kaͤmpfen, hob sich aber
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/121>, abgerufen am 08.07.2024.
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