Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.Letzte, was ich in meinem Kerker sah, war das schlafende Letzte, was ich in meinem Kerker sah, war das schlafende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0102" n="101"/> Letzte, was ich in meinem Kerker sah, war das schlafende<lb/> kranke Kind, welches in mein Bett gelegt wurde. Jch<lb/> wurde ziemlich unsanft auf den untenstehenden Wagen<lb/> geworfen, und ohne Hinderniß nach Chaillot gefahren.<lb/> Sobald wir aus dem Tempel waren, luͤftete man mich<lb/> ein wenig, nur bei der Barriere wurde ich wieder ganz<lb/> bedeckt. Zu Passy trug man mich, noch immer einge-<lb/> wickelt, in eine niedrige Stube, wo man mich ganz in<lb/> Freiheit setzte. Drei unbekannte Maͤnner sah ich hier,<lb/> die sich zu meinen Fuͤßen stuͤrzten, und vor Freude außer<lb/> sich schienen. Man kleidete mich schnell in Weibertracht,<lb/> setzte mich in eine Postchaise, und nahm den Weg nach<lb/> der Vendee zu der Armee der Royalisten. — Was es ei-<lb/> gentlich mit meiner Befreiung fuͤr eine Bewandtniß gehabt,<lb/> habe ich erst spaͤt erfahren. Nach dem Sturze Robes-<lb/> pierres naͤmlich, wurden die herrschenden Parteyen unter<lb/> sich selbst uneinig, viele neigten sich zur Wiederherstel-<lb/> lung der Koͤnigswuͤrde, man naͤherte sich den Royalisten<lb/> in der Vendee, man pflog Unterhandlungen mit ihnen<lb/> durch das Konventsmitglied Ruelle, und Einer der ersten<lb/> Punkte, worauf jene bestanden, war meine Auslieferung,<lb/> dem jedoch der Wohlfahrtsausschuß die Einschraͤnkung<lb/> hinzufuͤgte, daß dieselbe anfangs verhoͤlt, und ein an-<lb/> deres Kind an meiner Stelle untergeschoben werden<lb/> muͤsse. Nach langen und heftigen Debatten gestanden<lb/> die Royalisten das zu. Die Schwierigkeit war nur ein<lb/> Kind zu finden, das man fuͤr mich passiren lassen konnte.<lb/> Der Graf Louis de Frotté uͤbernahm es, und schickte den<lb/> Abbé Laurent deßhalb nach der Normandie, begleitet von<lb/> seinem Adjutanten <hi rendition="#g">Duͤhamel.</hi> Sie bestechen zu St. Lo<lb/> einen Schneider, Namens Hervagault, seinen mir aͤhn-<lb/> lichen Sohn fuͤr 200,000 Livres dem allgemeinen Besten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [101/0102]
Letzte, was ich in meinem Kerker sah, war das schlafende
kranke Kind, welches in mein Bett gelegt wurde. Jch
wurde ziemlich unsanft auf den untenstehenden Wagen
geworfen, und ohne Hinderniß nach Chaillot gefahren.
Sobald wir aus dem Tempel waren, luͤftete man mich
ein wenig, nur bei der Barriere wurde ich wieder ganz
bedeckt. Zu Passy trug man mich, noch immer einge-
wickelt, in eine niedrige Stube, wo man mich ganz in
Freiheit setzte. Drei unbekannte Maͤnner sah ich hier,
die sich zu meinen Fuͤßen stuͤrzten, und vor Freude außer
sich schienen. Man kleidete mich schnell in Weibertracht,
setzte mich in eine Postchaise, und nahm den Weg nach
der Vendee zu der Armee der Royalisten. — Was es ei-
gentlich mit meiner Befreiung fuͤr eine Bewandtniß gehabt,
habe ich erst spaͤt erfahren. Nach dem Sturze Robes-
pierres naͤmlich, wurden die herrschenden Parteyen unter
sich selbst uneinig, viele neigten sich zur Wiederherstel-
lung der Koͤnigswuͤrde, man naͤherte sich den Royalisten
in der Vendee, man pflog Unterhandlungen mit ihnen
durch das Konventsmitglied Ruelle, und Einer der ersten
Punkte, worauf jene bestanden, war meine Auslieferung,
dem jedoch der Wohlfahrtsausschuß die Einschraͤnkung
hinzufuͤgte, daß dieselbe anfangs verhoͤlt, und ein an-
deres Kind an meiner Stelle untergeschoben werden
muͤsse. Nach langen und heftigen Debatten gestanden
die Royalisten das zu. Die Schwierigkeit war nur ein
Kind zu finden, das man fuͤr mich passiren lassen konnte.
Der Graf Louis de Frotté uͤbernahm es, und schickte den
Abbé Laurent deßhalb nach der Normandie, begleitet von
seinem Adjutanten Duͤhamel. Sie bestechen zu St. Lo
einen Schneider, Namens Hervagault, seinen mir aͤhn-
lichen Sohn fuͤr 200,000 Livres dem allgemeinen Besten
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