allen Stürmen bloß stellen, und sinkt oft ermattet nieder. Jm frohen Umgang mit einem muntern Gefährten, sucht und findet der Reisende Erholung; aber im Arm des treuen Lebensgefährten kann man sich nie sicher der Freude über- lassen: denn in dem Augenblick vielleicht, wo man ihn am herzlichsten an seinen Busen drückt, muß man ihn, wie eine welke Blume, plötzlich fallen sehn! -- Genug! --
Wohl dem Kummervollen, der reisen darf! Fremde Berge und Thäler, ach! und mehr noch fremde Gesich- ter, die nichts von ihm wissen, nichts von dem ahnen, was in ihm vorgeht, die muß er suchen, wenn er seines Lebens drückende Erinnerungen, eine nach der andern, von sich wälzen will. Wem das Feuer sein Haus zerstörte, thäte thöricht, den rauchenden Trümmern gegenüber sitzen zu bleiben. Wohl mir! Jch entferne mich von ihnen!
Potsdam.
Welch ein Gewimmel und Getümmel belebt des be- sten Königs sonst ruhige Wohnung! Uniformen von allen Farben malen die Straßen bunt, Fremden aus allen Ge- genden strömen zum prächtigen Schauspiel; die dumpfe Trommel wirbelt, und das Geschütz donnert, und des halben Mondes Glöcklein tönen freundlich dazwischen. Die Thore sind nicht weit genug, die schauende Menge zu fas- sen: sie drückt und drängt, preßt und schiebt sich; hier stößt ein Elbogen, dort streift ein Rad; hier bleibt den zar- ten Schönen ein Sporn im Kleide hängen; dort ruht der Kopf eines Gauls auf ihrer dünn- verschleierten Schulter: bis endlich aus des Thores weiten Munde die Wolke her- vorquillt, Hügel und Thäler überschwemmt. Da stehen und wogen die Tausende, und heften ihre Blicke, von Ver- gnügen trunken, auf die lange unabsehbare Fronte, über
allen Stuͤrmen bloß stellen, und sinkt oft ermattet nieder. Jm frohen Umgang mit einem muntern Gefaͤhrten, sucht und findet der Reisende Erholung; aber im Arm des treuen Lebensgefaͤhrten kann man sich nie sicher der Freude uͤber- lassen: denn in dem Augenblick vielleicht, wo man ihn am herzlichsten an seinen Busen druͤckt, muß man ihn, wie eine welke Blume, ploͤtzlich fallen sehn! — Genug! —
Wohl dem Kummervollen, der reisen darf! Fremde Berge und Thaͤler, ach! und mehr noch fremde Gesich- ter, die nichts von ihm wissen, nichts von dem ahnen, was in ihm vorgeht, die muß er suchen, wenn er seines Lebens druͤckende Erinnerungen, eine nach der andern, von sich waͤlzen will. Wem das Feuer sein Haus zerstoͤrte, thaͤte thoͤricht, den rauchenden Truͤmmern gegenuͤber sitzen zu bleiben. Wohl mir! Jch entferne mich von ihnen!
Potsdam.
Welch ein Gewimmel und Getuͤmmel belebt des be- sten Koͤnigs sonst ruhige Wohnung! Uniformen von allen Farben malen die Straßen bunt, Fremden aus allen Ge- genden stroͤmen zum praͤchtigen Schauspiel; die dumpfe Trommel wirbelt, und das Geschuͤtz donnert, und des halben Mondes Gloͤcklein toͤnen freundlich dazwischen. Die Thore sind nicht weit genug, die schauende Menge zu fas- sen: sie druͤckt und draͤngt, preßt und schiebt sich; hier stoͤßt ein Elbogen, dort streift ein Rad; hier bleibt den zar- ten Schoͤnen ein Sporn im Kleide haͤngen; dort ruht der Kopf eines Gauls auf ihrer duͤnn- verschleierten Schulter: bis endlich aus des Thores weiten Munde die Wolke her- vorquillt, Huͤgel und Thaͤler uͤberschwemmt. Da stehen und wogen die Tausende, und heften ihre Blicke, von Ver- gnuͤgen trunken, auf die lange unabsehbare Fronte, uͤber
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allen Stuͤrmen bloß stellen, und sinkt oft ermattet nieder.
Jm frohen Umgang mit einem muntern Gefaͤhrten, sucht
und findet der Reisende Erholung; aber im Arm des treuen
Lebensgefaͤhrten kann man sich nie sicher der Freude uͤber-
lassen: denn in dem Augenblick vielleicht, wo man ihn am
herzlichsten an seinen Busen druͤckt, muß man ihn, wie
eine welke Blume, ploͤtzlich fallen sehn! — Genug! —
Wohl dem Kummervollen, der reisen darf! Fremde
Berge und Thaͤler, ach! und mehr noch fremde Gesich-
ter, die nichts von ihm wissen, nichts von dem ahnen,
was in ihm vorgeht, die muß er suchen, wenn er seines
Lebens druͤckende Erinnerungen, eine nach der andern, von
sich waͤlzen will. Wem das Feuer sein Haus zerstoͤrte,
thaͤte thoͤricht, den rauchenden Truͤmmern gegenuͤber sitzen
zu bleiben. Wohl mir! Jch entferne mich von ihnen!
Potsdam.
Welch ein Gewimmel und Getuͤmmel belebt des be-
sten Koͤnigs sonst ruhige Wohnung! Uniformen von allen
Farben malen die Straßen bunt, Fremden aus allen Ge-
genden stroͤmen zum praͤchtigen Schauspiel; die dumpfe
Trommel wirbelt, und das Geschuͤtz donnert, und des
halben Mondes Gloͤcklein toͤnen freundlich dazwischen. Die
Thore sind nicht weit genug, die schauende Menge zu fas-
sen: sie druͤckt und draͤngt, preßt und schiebt sich; hier
stoͤßt ein Elbogen, dort streift ein Rad; hier bleibt den zar-
ten Schoͤnen ein Sporn im Kleide haͤngen; dort ruht der
Kopf eines Gauls auf ihrer duͤnn- verschleierten Schulter:
bis endlich aus des Thores weiten Munde die Wolke her-
vorquillt, Huͤgel und Thaͤler uͤberschwemmt. Da stehen
und wogen die Tausende, und heften ihre Blicke, von Ver-
gnuͤgen trunken, auf die lange unabsehbare Fronte, uͤber
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/8>, abgerufen am 08.07.2024.
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