keine Klingel. -- Jm Kamin unter der Asche glimmen noch Funken; ich will mir selbst Feuer machen, aber -- es ist kein Blasebalg da. -- Endlich bringt mein Bedien- ter um sechs Uhr den Kaffee. -- Warum so spät? fra- ge ich. -- Alles schläft noch im ganzen Hause; die brum- mende Köchin hat er herausgetrommelt. -- Und der Kell- ner, der gestern versprach? -- Er schläft. -- Und der Hausknecht, der Feuer im Kamin machen soll? -- Er schläft. --
Alle diese Vernachläßigungen und Hudeleien sind Klei- nigkeiten, wenn Sie wollen; aber gestehen Sie, daß man ärgerlich darüber werden kann, besonders wenn man, trotz der Unordnung, so über alle Gebühr bezahlen muß. Ein Wachslicht wurde mir in dem nehmlichen Hause zu ei- nem Franken (8 oder 9 gute Groschen) angerechnet, ein Abendessen von drei Schüsseln für die Person einen Laub- thaler u. s. w. -- Für einen Menschen, der, so wie ich, früh aufzustehen gewohnt ist, ist es höchst unangenehm, daß man in der Schweiz und in Frankreich so lange schläft. Jn Genf, wo ich aux balances wohnte, sagte mir der Kellner geradezu: er könne so früh keinen Kaffee schaffen; denn -- die Russen und Engländer tränken ihn weit spä- ter. -- Am besten thut man, alles bei sich zu führen, mit eigenem Feuerzeuge ein warmes Zimmer zu machen, und beim Kamin seinen eigenen Kaffee zu kochen. -- Glück- licher Weise gilt es auf Reisen vom Guten wie vom Bö- sen, daß man die Dinge oft anders findet, als man sie sich vorgestellt hatte. So war mir z. B. vor der franzö- sischen Douane sehr bange gemacht worden: man visitire sehr streng, man werfe alles durch einander, man sey grob. Von dem allen fand ich das Gegentheil. Die Grenz- Zollbeamten waren sehr höflich, warfen einen Blick in mei-
keine Klingel. — Jm Kamin unter der Asche glimmen noch Funken; ich will mir selbst Feuer machen, aber — es ist kein Blasebalg da. — Endlich bringt mein Bedien- ter um sechs Uhr den Kaffee. — Warum so spaͤt? fra- ge ich. — Alles schlaͤft noch im ganzen Hause; die brum- mende Koͤchin hat er herausgetrommelt. — Und der Kell- ner, der gestern versprach? — Er schlaͤft. — Und der Hausknecht, der Feuer im Kamin machen soll? — Er schlaͤft. —
Alle diese Vernachlaͤßigungen und Hudeleien sind Klei- nigkeiten, wenn Sie wollen; aber gestehen Sie, daß man aͤrgerlich daruͤber werden kann, besonders wenn man, trotz der Unordnung, so uͤber alle Gebuͤhr bezahlen muß. Ein Wachslicht wurde mir in dem nehmlichen Hause zu ei- nem Franken (8 oder 9 gute Groschen) angerechnet, ein Abendessen von drei Schuͤsseln fuͤr die Person einen Laub- thaler u. s. w. — Fuͤr einen Menschen, der, so wie ich, fruͤh aufzustehen gewohnt ist, ist es hoͤchst unangenehm, daß man in der Schweiz und in Frankreich so lange schlaͤft. Jn Genf, wo ich aux balances wohnte, sagte mir der Kellner geradezu: er koͤnne so fruͤh keinen Kaffee schaffen; denn — die Russen und Englaͤnder traͤnken ihn weit spaͤ- ter. — Am besten thut man, alles bei sich zu fuͤhren, mit eigenem Feuerzeuge ein warmes Zimmer zu machen, und beim Kamin seinen eigenen Kaffee zu kochen. — Gluͤck- licher Weise gilt es auf Reisen vom Guten wie vom Boͤ- sen, daß man die Dinge oft anders findet, als man sie sich vorgestellt hatte. So war mir z. B. vor der franzoͤ- sischen Douane sehr bange gemacht worden: man visitire sehr streng, man werfe alles durch einander, man sey grob. Von dem allen fand ich das Gegentheil. Die Grenz- Zollbeamten waren sehr hoͤflich, warfen einen Blick in mei-
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keine Klingel. — Jm Kamin unter der Asche glimmen
noch Funken; ich will mir selbst Feuer machen, aber —
es ist kein Blasebalg da. — Endlich bringt mein Bedien-
ter um sechs Uhr den Kaffee. — Warum so spaͤt? fra-
ge ich. — Alles schlaͤft noch im ganzen Hause; die brum-
mende Koͤchin hat er herausgetrommelt. — Und der Kell-
ner, der gestern versprach? — Er schlaͤft. — Und der
Hausknecht, der Feuer im Kamin machen soll? — Er
schlaͤft. —
Alle diese Vernachlaͤßigungen und Hudeleien sind Klei-
nigkeiten, wenn Sie wollen; aber gestehen Sie, daß man
aͤrgerlich daruͤber werden kann, besonders wenn man, trotz
der Unordnung, so uͤber alle Gebuͤhr bezahlen muß. Ein
Wachslicht wurde mir in dem nehmlichen Hause zu ei-
nem Franken (8 oder 9 gute Groschen) angerechnet, ein
Abendessen von drei Schuͤsseln fuͤr die Person einen Laub-
thaler u. s. w. — Fuͤr einen Menschen, der, so wie ich,
fruͤh aufzustehen gewohnt ist, ist es hoͤchst unangenehm,
daß man in der Schweiz und in Frankreich so lange schlaͤft.
Jn Genf, wo ich aux balances wohnte, sagte mir der
Kellner geradezu: er koͤnne so fruͤh keinen Kaffee schaffen;
denn — die Russen und Englaͤnder traͤnken ihn weit spaͤ-
ter. — Am besten thut man, alles bei sich zu fuͤhren,
mit eigenem Feuerzeuge ein warmes Zimmer zu machen,
und beim Kamin seinen eigenen Kaffee zu kochen. — Gluͤck-
licher Weise gilt es auf Reisen vom Guten wie vom Boͤ-
sen, daß man die Dinge oft anders findet, als man sie
sich vorgestellt hatte. So war mir z. B. vor der franzoͤ-
sischen Douane sehr bange gemacht worden: man visitire
sehr streng, man werfe alles durch einander, man sey
grob. Von dem allen fand ich das Gegentheil. Die Grenz-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/39>, abgerufen am 08.07.2024.
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