Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.ein Schweizer Kutscher mit seinen wohlgemästeten Pfer- ein Schweizer Kutscher mit seinen wohlgemaͤsteten Pfer- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038" n="34"/> ein Schweizer Kutscher mit seinen wohlgemaͤsteten Pfer-<lb/> den Sie in einem Tage vier bis fuͤnf deutsche Meilen <hi rendition="#g">fort-<lb/> geschneckelt</hi> hat (verzeihen Sie mir das neue Wort,<lb/> es ist bezeichnend), so meint er Wunder wie viel gethan<lb/> zu haben, und dann muͤssen Sie ihm fuͤr seine zwei Pfer-<lb/> de drei Laubthaler bezahlen, und eben so viel fuͤr den an-<lb/> dern Tag, wo er ledig zuruͤckgeht; dabei sind Sie gezwun-<lb/> gen, Mittags und Abends still zu liegen, wo es ihm be-<lb/> liebt, und sich in den theuren Wirthshaͤusern prellen zu<lb/> lassen. Das letztere geschah jedoch, gegen meine Erwar-<lb/> tung, weniger in kleinen Staͤdten und Doͤrfern, als in<lb/> den besten Wirthshaͤusern der großen Staͤdte, die oft nicht<lb/> einmal so gut waren, als die der kleinen. Fast uͤberall<lb/> war die Bedienung schlecht. <hi rendition="#g">Ein</hi> Beyspiel mag fuͤr viele<lb/> gelten. Jch fahre zu Lausanne in den goldnen Loͤwen, den<lb/> Reichardts Guide de voyageurs als den besten Gasthof<lb/> nennt. „Jst hier Platz?“ frage ich den Kellner, der<lb/> an den Wagen tritt. — Ja. — „Aber,“ fahre ich fort<lb/> (weil ich schon einigemal durch ein solches Ja betrogen<lb/> worden war) „auch <hi rendition="#g">guter</hi> Platz?“ — O ja. — „ Jch<lb/> brauche zwei Zimmer.“ — <hi rendition="#g">Zu Befehl.</hi> — Man fuͤhrt<lb/> mich <hi rendition="#g">drei</hi> schlechte Treppen hoch, durch allerlei schmu-<lb/> tzige Winkel, und zeigt mir — <hi rendition="#g">Ein</hi> Zimmer. „Wo<lb/> ist das andere?“ — <hi rendition="#g">Zwanzig Schritte davon.</hi> —<lb/> „Jch wuͤnschte die Zimmer zusammenhaͤngend.“ — <hi rendition="#g">Sind<lb/> nicht zu haben.</hi> — Wohlan, ich begnuͤge mich, fin-<lb/> de aber in <hi rendition="#g">beiden</hi> Zimmern <hi rendition="#g">keinen Tisch.</hi> — Man<lb/> bringt endlich Tische. Jch bestelle Thee. Nach einer <hi rendition="#g">gu-<lb/> ten Stunde</hi> wird er fertig. — Jch frage: wann kann<lb/> ich morgen fruͤh Kaffee haben? — <hi rendition="#g">So fruͤh Sie be-<lb/> fehlen.</hi> — Um fuͤnf Uhr? — O ja. — Der Morgen<lb/> kommt, aber kein Kaffee. Jch will klingeln, aber es giebt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [34/0038]
ein Schweizer Kutscher mit seinen wohlgemaͤsteten Pfer-
den Sie in einem Tage vier bis fuͤnf deutsche Meilen fort-
geschneckelt hat (verzeihen Sie mir das neue Wort,
es ist bezeichnend), so meint er Wunder wie viel gethan
zu haben, und dann muͤssen Sie ihm fuͤr seine zwei Pfer-
de drei Laubthaler bezahlen, und eben so viel fuͤr den an-
dern Tag, wo er ledig zuruͤckgeht; dabei sind Sie gezwun-
gen, Mittags und Abends still zu liegen, wo es ihm be-
liebt, und sich in den theuren Wirthshaͤusern prellen zu
lassen. Das letztere geschah jedoch, gegen meine Erwar-
tung, weniger in kleinen Staͤdten und Doͤrfern, als in
den besten Wirthshaͤusern der großen Staͤdte, die oft nicht
einmal so gut waren, als die der kleinen. Fast uͤberall
war die Bedienung schlecht. Ein Beyspiel mag fuͤr viele
gelten. Jch fahre zu Lausanne in den goldnen Loͤwen, den
Reichardts Guide de voyageurs als den besten Gasthof
nennt. „Jst hier Platz?“ frage ich den Kellner, der
an den Wagen tritt. — Ja. — „Aber,“ fahre ich fort
(weil ich schon einigemal durch ein solches Ja betrogen
worden war) „auch guter Platz?“ — O ja. — „ Jch
brauche zwei Zimmer.“ — Zu Befehl. — Man fuͤhrt
mich drei schlechte Treppen hoch, durch allerlei schmu-
tzige Winkel, und zeigt mir — Ein Zimmer. „Wo
ist das andere?“ — Zwanzig Schritte davon. —
„Jch wuͤnschte die Zimmer zusammenhaͤngend.“ — Sind
nicht zu haben. — Wohlan, ich begnuͤge mich, fin-
de aber in beiden Zimmern keinen Tisch. — Man
bringt endlich Tische. Jch bestelle Thee. Nach einer gu-
ten Stunde wird er fertig. — Jch frage: wann kann
ich morgen fruͤh Kaffee haben? — So fruͤh Sie be-
fehlen. — Um fuͤnf Uhr? — O ja. — Der Morgen
kommt, aber kein Kaffee. Jch will klingeln, aber es giebt
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