ein Schweizer Kutscher mit seinen wohlgemästeten Pfer- den Sie in einem Tage vier bis fünf deutsche Meilen fort- geschneckelt hat (verzeihen Sie mir das neue Wort, es ist bezeichnend), so meint er Wunder wie viel gethan zu haben, und dann müssen Sie ihm für seine zwei Pfer- de drei Laubthaler bezahlen, und eben so viel für den an- dern Tag, wo er ledig zurückgeht; dabei sind Sie gezwun- gen, Mittags und Abends still zu liegen, wo es ihm be- liebt, und sich in den theuren Wirthshäusern prellen zu lassen. Das letztere geschah jedoch, gegen meine Erwar- tung, weniger in kleinen Städten und Dörfern, als in den besten Wirthshäusern der großen Städte, die oft nicht einmal so gut waren, als die der kleinen. Fast überall war die Bedienung schlecht. Ein Beyspiel mag für viele gelten. Jch fahre zu Lausanne in den goldnen Löwen, den Reichardts Guide de voyageurs als den besten Gasthof nennt. "Jst hier Platz?" frage ich den Kellner, der an den Wagen tritt. -- Ja. -- "Aber," fahre ich fort (weil ich schon einigemal durch ein solches Ja betrogen worden war) "auch guter Platz?" -- O ja. -- " Jch brauche zwei Zimmer." -- Zu Befehl. -- Man führt mich drei schlechte Treppen hoch, durch allerlei schmu- tzige Winkel, und zeigt mir -- Ein Zimmer. "Wo ist das andere?" -- Zwanzig Schritte davon. -- "Jch wünschte die Zimmer zusammenhängend." -- Sind nicht zu haben. -- Wohlan, ich begnüge mich, fin- de aber in beiden Zimmern keinen Tisch. -- Man bringt endlich Tische. Jch bestelle Thee. Nach einer gu- ten Stunde wird er fertig. -- Jch frage: wann kann ich morgen früh Kaffee haben? -- So früh Sie be- fehlen. -- Um fünf Uhr? -- O ja. -- Der Morgen kommt, aber kein Kaffee. Jch will klingeln, aber es giebt
ein Schweizer Kutscher mit seinen wohlgemaͤsteten Pfer- den Sie in einem Tage vier bis fuͤnf deutsche Meilen fort- geschneckelt hat (verzeihen Sie mir das neue Wort, es ist bezeichnend), so meint er Wunder wie viel gethan zu haben, und dann muͤssen Sie ihm fuͤr seine zwei Pfer- de drei Laubthaler bezahlen, und eben so viel fuͤr den an- dern Tag, wo er ledig zuruͤckgeht; dabei sind Sie gezwun- gen, Mittags und Abends still zu liegen, wo es ihm be- liebt, und sich in den theuren Wirthshaͤusern prellen zu lassen. Das letztere geschah jedoch, gegen meine Erwar- tung, weniger in kleinen Staͤdten und Doͤrfern, als in den besten Wirthshaͤusern der großen Staͤdte, die oft nicht einmal so gut waren, als die der kleinen. Fast uͤberall war die Bedienung schlecht. Ein Beyspiel mag fuͤr viele gelten. Jch fahre zu Lausanne in den goldnen Loͤwen, den Reichardts Guide de voyageurs als den besten Gasthof nennt. „Jst hier Platz?“ frage ich den Kellner, der an den Wagen tritt. — Ja. — „Aber,“ fahre ich fort (weil ich schon einigemal durch ein solches Ja betrogen worden war) „auch guter Platz?“ — O ja. — „ Jch brauche zwei Zimmer.“ — Zu Befehl. — Man fuͤhrt mich drei schlechte Treppen hoch, durch allerlei schmu- tzige Winkel, und zeigt mir — Ein Zimmer. „Wo ist das andere?“ — Zwanzig Schritte davon. — „Jch wuͤnschte die Zimmer zusammenhaͤngend.“ — Sind nicht zu haben. — Wohlan, ich begnuͤge mich, fin- de aber in beiden Zimmern keinen Tisch. — Man bringt endlich Tische. Jch bestelle Thee. Nach einer gu- ten Stunde wird er fertig. — Jch frage: wann kann ich morgen fruͤh Kaffee haben? — So fruͤh Sie be- fehlen. — Um fuͤnf Uhr? — O ja. — Der Morgen kommt, aber kein Kaffee. Jch will klingeln, aber es giebt
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ein Schweizer Kutscher mit seinen wohlgemaͤsteten Pfer-
den Sie in einem Tage vier bis fuͤnf deutsche Meilen fort-
geschneckelt hat (verzeihen Sie mir das neue Wort,
es ist bezeichnend), so meint er Wunder wie viel gethan
zu haben, und dann muͤssen Sie ihm fuͤr seine zwei Pfer-
de drei Laubthaler bezahlen, und eben so viel fuͤr den an-
dern Tag, wo er ledig zuruͤckgeht; dabei sind Sie gezwun-
gen, Mittags und Abends still zu liegen, wo es ihm be-
liebt, und sich in den theuren Wirthshaͤusern prellen zu
lassen. Das letztere geschah jedoch, gegen meine Erwar-
tung, weniger in kleinen Staͤdten und Doͤrfern, als in
den besten Wirthshaͤusern der großen Staͤdte, die oft nicht
einmal so gut waren, als die der kleinen. Fast uͤberall
war die Bedienung schlecht. Ein Beyspiel mag fuͤr viele
gelten. Jch fahre zu Lausanne in den goldnen Loͤwen, den
Reichardts Guide de voyageurs als den besten Gasthof
nennt. „Jst hier Platz?“ frage ich den Kellner, der
an den Wagen tritt. — Ja. — „Aber,“ fahre ich fort
(weil ich schon einigemal durch ein solches Ja betrogen
worden war) „auch guter Platz?“ — O ja. — „ Jch
brauche zwei Zimmer.“ — Zu Befehl. — Man fuͤhrt
mich drei schlechte Treppen hoch, durch allerlei schmu-
tzige Winkel, und zeigt mir — Ein Zimmer. „Wo
ist das andere?“ — Zwanzig Schritte davon. —
„Jch wuͤnschte die Zimmer zusammenhaͤngend.“ — Sind
nicht zu haben. — Wohlan, ich begnuͤge mich, fin-
de aber in beiden Zimmern keinen Tisch. — Man
bringt endlich Tische. Jch bestelle Thee. Nach einer gu-
ten Stunde wird er fertig. — Jch frage: wann kann
ich morgen fruͤh Kaffee haben? — So fruͤh Sie be-
fehlen. — Um fuͤnf Uhr? — O ja. — Der Morgen
kommt, aber kein Kaffee. Jch will klingeln, aber es giebt
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/38>, abgerufen am 08.07.2024.
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