erhöht; eine derselben erhebt sich unwillkührlich von ihrem Sitze, und ihre mit liebenswürdiger Naivetät nach dem Sieger hinstrebende Stellung, scheint anzudeuten, daß sie mehr Theil an ihm nimmt, als einer Priesterinn ge- ziemt, auch wird sie von einer ihrer Schwestern sanft zu- rückgedrückt. Diese Gruppe, so reizend sie ist, scheint mir deshalb ein Fehler in dem Gemählde, weil sie das Au- ge, von der Hauptsache ab, zu sehr auf sich, und immer wieder auf sich zieht. Auch ist vielleicht der Sieger ein wenig steif, und das Kolorit seines Körpers nicht das be- ste. Doch ich bin, Gott sey Dank, nicht Kenner genug, um zu kritisiren; ich habe empfunden, das ist genug. -- Von St. Ours gieng ich zu dem berühmten Deluc, einem sehr wakkern alten Manne, der mir sein schönes Kabinet von Steinen, Laven und Conchylien mit der größten Be- reitwilligkeit zeigte. Schade, daß ich so wenig davon ver- stehe! Er erklärte sich sehr stark gegen die Hypothese, daß die sogenannten Mondsteine wirklich aus Mondvulca- nen auf unsere Erde herabgeschleudert würden. Das Gra- vitations-Gesetz, meinte er, lasse es durchaus nicht zu, daß irgend ein Stäubchen sich von seinem Planeten ent- ferne. Was er überhaupt über die Vulcane und ihre Ent- stehung sagt, ist äußerst interessant. Ohne Seewasser, meint er, könne es keine Vulcane geben: immer werde man diese nur in der Nähe der See finden; das Seewas- ser sey durchaus nothwendig, um jene Gährung hervorzu- bringen. Anfangs sey jeder Vulcan nur ein bloßes Loch in der Erde, welches nach und nach, durch das Jahrtau- sende lang fortgesetzte Auswerfen, zum Berge werde. Als ich ihm lächelnd einwandte, daß auf diese Weise eine un- geheure Zeit dazu gehöre, z. B. den Aetna zu schaffen, und daß dadurch das biblische Alter der Welt verdächtig
erhoͤht; eine derselben erhebt sich unwillkuͤhrlich von ihrem Sitze, und ihre mit liebenswuͤrdiger Naivetaͤt nach dem Sieger hinstrebende Stellung, scheint anzudeuten, daß sie mehr Theil an ihm nimmt, als einer Priesterinn ge- ziemt, auch wird sie von einer ihrer Schwestern sanft zu- ruͤckgedruͤckt. Diese Gruppe, so reizend sie ist, scheint mir deshalb ein Fehler in dem Gemaͤhlde, weil sie das Au- ge, von der Hauptsache ab, zu sehr auf sich, und immer wieder auf sich zieht. Auch ist vielleicht der Sieger ein wenig steif, und das Kolorit seines Koͤrpers nicht das be- ste. Doch ich bin, Gott sey Dank, nicht Kenner genug, um zu kritisiren; ich habe empfunden, das ist genug. — Von St. Ours gieng ich zu dem beruͤhmten Deluc, einem sehr wakkern alten Manne, der mir sein schoͤnes Kabinet von Steinen, Laven und Conchylien mit der groͤßten Be- reitwilligkeit zeigte. Schade, daß ich so wenig davon ver- stehe! Er erklaͤrte sich sehr stark gegen die Hypothese, daß die sogenannten Mondsteine wirklich aus Mondvulca- nen auf unsere Erde herabgeschleudert wuͤrden. Das Gra- vitations-Gesetz, meinte er, lasse es durchaus nicht zu, daß irgend ein Staͤubchen sich von seinem Planeten ent- ferne. Was er uͤberhaupt uͤber die Vulcane und ihre Ent- stehung sagt, ist aͤußerst interessant. Ohne Seewasser, meint er, koͤnne es keine Vulcane geben: immer werde man diese nur in der Naͤhe der See finden; das Seewas- ser sey durchaus nothwendig, um jene Gaͤhrung hervorzu- bringen. Anfangs sey jeder Vulcan nur ein bloßes Loch in der Erde, welches nach und nach, durch das Jahrtau- sende lang fortgesetzte Auswerfen, zum Berge werde. Als ich ihm laͤchelnd einwandte, daß auf diese Weise eine un- geheure Zeit dazu gehoͤre, z. B. den Aetna zu schaffen, und daß dadurch das biblische Alter der Welt verdaͤchtig
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erhoͤht; eine derselben erhebt sich unwillkuͤhrlich von ihrem
Sitze, und ihre mit liebenswuͤrdiger Naivetaͤt nach dem
Sieger hinstrebende Stellung, scheint anzudeuten, daß
sie mehr Theil an ihm nimmt, als einer Priesterinn ge-
ziemt, auch wird sie von einer ihrer Schwestern sanft zu-
ruͤckgedruͤckt. Diese Gruppe, so reizend sie ist, scheint
mir deshalb ein Fehler in dem Gemaͤhlde, weil sie das Au-
ge, von der Hauptsache ab, zu sehr auf sich, und immer
wieder auf sich zieht. Auch ist vielleicht der Sieger ein
wenig steif, und das Kolorit seines Koͤrpers nicht das be-
ste. Doch ich bin, Gott sey Dank, nicht Kenner genug,
um zu kritisiren; ich habe empfunden, das ist genug. —
Von St. Ours gieng ich zu dem beruͤhmten Deluc, einem
sehr wakkern alten Manne, der mir sein schoͤnes Kabinet
von Steinen, Laven und Conchylien mit der groͤßten Be-
reitwilligkeit zeigte. Schade, daß ich so wenig davon ver-
stehe! Er erklaͤrte sich sehr stark gegen die Hypothese, daß
die sogenannten Mondsteine wirklich aus Mondvulca-
nen auf unsere Erde herabgeschleudert wuͤrden. Das Gra-
vitations-Gesetz, meinte er, lasse es durchaus nicht zu,
daß irgend ein Staͤubchen sich von seinem Planeten ent-
ferne. Was er uͤberhaupt uͤber die Vulcane und ihre Ent-
stehung sagt, ist aͤußerst interessant. Ohne Seewasser,
meint er, koͤnne es keine Vulcane geben: immer werde
man diese nur in der Naͤhe der See finden; das Seewas-
ser sey durchaus nothwendig, um jene Gaͤhrung hervorzu-
bringen. Anfangs sey jeder Vulcan nur ein bloßes Loch
in der Erde, welches nach und nach, durch das Jahrtau-
sende lang fortgesetzte Auswerfen, zum Berge werde. Als
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/35>, abgerufen am 08.07.2024.
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