Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

gut zu essen, und zwar in lauter kleinen von einander
abgesonderten Zimmern, in welchen man mit einer ge-
wählten fröhlichen Tischgesellschaft allein seyn kann;
(ein Vortheil, den man übrigens auch bei vielen Restau-
rateurs findet). Hier war es, wo ich oft mit meinen
Freunden, den auch auf unsern Bühnen geliebten
Bouilly und Duval, mit Arnault (dem Verfasser des
Marius a Minturne), Andrieux, Picard und Longchamps,
den Lustspieldichtern, mit dem interessanten Talma, dem
biedern lustigen Michot, und mehrern Andern, frohe,
durch geistreichen Scherz gewürzte Stunden durchlebt ha-
be. Hier war es, wo ich in die tiefen Geheimnisse des
Calembourgs eingeweiht wurde, wo keine politische
Wolke den Himmel zu trüben wagte, den wir mit Cham-
pagnerstöpseln erstürmten, und wo wir gern die Erfah-
rung machten, daß man werden müsse wie die Kinder,
um in das Freudenreich Gottes einzugehen. -- Jch
kann indessen nicht verschweigen, daß einst einem der
Anwesenden die Bemerkung entschlüpfte: "unsere Gesell-
schaft sey in diesem Augenblicke vielleicht die einzige
ächtfröhliche in ganz Paris."

2. Kleidung.

Jch theile zuvörderst ein drolliges Gespräch mit, wel-
ches die Frau von Genlis erfunden oder belauscht hat.
Eine vormalige Reifrocksverkäuferin, und ein
vormaliger Schnürbrustmacher, treffen zufällig in
den Garten der Tuillerien auf einer Bank zusammen.
Die erstere redet den letztern an: "wohnt der Herr in
diesem Quartier der Stadt?" -- Ja Madam, und
Sie vermuthlich auch?

gut zu essen, und zwar in lauter kleinen von einander
abgesonderten Zimmern, in welchen man mit einer ge-
waͤhlten froͤhlichen Tischgesellschaft allein seyn kann;
(ein Vortheil, den man uͤbrigens auch bei vielen Restau-
rateurs findet). Hier war es, wo ich oft mit meinen
Freunden, den auch auf unsern Buͤhnen geliebten
Bouilly und Duval, mit Arnault (dem Verfasser des
Marius à Minturne), Andrieux, Picard und Longchamps,
den Lustspieldichtern, mit dem interessanten Talma, dem
biedern lustigen Michot, und mehrern Andern, frohe,
durch geistreichen Scherz gewuͤrzte Stunden durchlebt ha-
be. Hier war es, wo ich in die tiefen Geheimnisse des
Calembourgs eingeweiht wurde, wo keine politische
Wolke den Himmel zu truͤben wagte, den wir mit Cham-
pagnerstoͤpseln erstuͤrmten, und wo wir gern die Erfah-
rung machten, daß man werden muͤsse wie die Kinder,
um in das Freudenreich Gottes einzugehen. — Jch
kann indessen nicht verschweigen, daß einst einem der
Anwesenden die Bemerkung entschluͤpfte: „unsere Gesell-
schaft sey in diesem Augenblicke vielleicht die einzige
aͤchtfroͤhliche in ganz Paris.“

2. Kleidung.

Jch theile zuvoͤrderst ein drolliges Gespraͤch mit, wel-
ches die Frau von Genlis erfunden oder belauscht hat.
Eine vormalige Reifrocksverkaͤuferin, und ein
vormaliger Schnuͤrbrustmacher, treffen zufaͤllig in
den Garten der Tuillerien auf einer Bank zusammen.
Die erstere redet den letztern an: „wohnt der Herr in
diesem Quartier der Stadt?“ — Ja Madam, und
Sie vermuthlich auch?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0181" n="177"/>
gut zu essen, und zwar in lauter kleinen von einander<lb/>
abgesonderten Zimmern, in welchen man mit einer ge-<lb/>
wa&#x0364;hlten fro&#x0364;hlichen Tischgesellschaft <hi rendition="#g">allein</hi> seyn kann;<lb/>
(ein Vortheil, den man u&#x0364;brigens auch bei vielen Restau-<lb/>
rateurs findet). Hier war es, wo ich oft mit meinen<lb/>
Freunden, den auch auf <hi rendition="#g">unsern Bu&#x0364;hnen</hi> geliebten<lb/>
Bouilly und Duval, mit Arnault (dem Verfasser des<lb/>
Marius à Minturne), Andrieux, Picard und Longchamps,<lb/>
den Lustspieldichtern, mit dem interessanten Talma, dem<lb/>
biedern lustigen Michot, und mehrern Andern, frohe,<lb/>
durch geistreichen Scherz gewu&#x0364;rzte Stunden durchlebt ha-<lb/>
be. Hier war es, wo ich in die tiefen Geheimnisse des<lb/><hi rendition="#g">Calembourgs</hi> eingeweiht wurde, wo keine politische<lb/>
Wolke den Himmel zu tru&#x0364;ben wagte, den wir mit Cham-<lb/>
pagnersto&#x0364;pseln erstu&#x0364;rmten, und wo wir gern die Erfah-<lb/>
rung machten, daß man werden mu&#x0364;sse wie die Kinder,<lb/>
um in das <hi rendition="#g">Freudenreich</hi> Gottes einzugehen. &#x2014; Jch<lb/>
kann indessen nicht verschweigen, daß einst einem der<lb/>
Anwesenden die Bemerkung entschlu&#x0364;pfte: &#x201E;unsere Gesell-<lb/>
schaft sey in diesem Augenblicke vielleicht die einzige<lb/><hi rendition="#g">a&#x0364;chtfro&#x0364;hliche</hi> in ganz Paris.&#x201C;</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>2. Kleidung.</head><lb/>
              <p>Jch theile zuvo&#x0364;rderst ein drolliges Gespra&#x0364;ch mit, wel-<lb/>
ches die Frau von <hi rendition="#g">Genlis</hi> erfunden oder belauscht hat.<lb/>
Eine vormalige <hi rendition="#g">Reifrocksverka&#x0364;uferin,</hi> und ein<lb/>
vormaliger <hi rendition="#g">Schnu&#x0364;rbrustmacher,</hi> treffen zufa&#x0364;llig in<lb/>
den Garten der Tuillerien auf <hi rendition="#g">einer</hi> Bank zusammen.<lb/>
Die erstere redet den letztern an: &#x201E;wohnt der Herr in<lb/>
diesem Quartier der Stadt?&#x201C; &#x2014; <hi rendition="#g">Ja Madam, und<lb/>
Sie vermuthlich auch?</hi></p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0181] gut zu essen, und zwar in lauter kleinen von einander abgesonderten Zimmern, in welchen man mit einer ge- waͤhlten froͤhlichen Tischgesellschaft allein seyn kann; (ein Vortheil, den man uͤbrigens auch bei vielen Restau- rateurs findet). Hier war es, wo ich oft mit meinen Freunden, den auch auf unsern Buͤhnen geliebten Bouilly und Duval, mit Arnault (dem Verfasser des Marius à Minturne), Andrieux, Picard und Longchamps, den Lustspieldichtern, mit dem interessanten Talma, dem biedern lustigen Michot, und mehrern Andern, frohe, durch geistreichen Scherz gewuͤrzte Stunden durchlebt ha- be. Hier war es, wo ich in die tiefen Geheimnisse des Calembourgs eingeweiht wurde, wo keine politische Wolke den Himmel zu truͤben wagte, den wir mit Cham- pagnerstoͤpseln erstuͤrmten, und wo wir gern die Erfah- rung machten, daß man werden muͤsse wie die Kinder, um in das Freudenreich Gottes einzugehen. — Jch kann indessen nicht verschweigen, daß einst einem der Anwesenden die Bemerkung entschluͤpfte: „unsere Gesell- schaft sey in diesem Augenblicke vielleicht die einzige aͤchtfroͤhliche in ganz Paris.“ 2. Kleidung. Jch theile zuvoͤrderst ein drolliges Gespraͤch mit, wel- ches die Frau von Genlis erfunden oder belauscht hat. Eine vormalige Reifrocksverkaͤuferin, und ein vormaliger Schnuͤrbrustmacher, treffen zufaͤllig in den Garten der Tuillerien auf einer Bank zusammen. Die erstere redet den letztern an: „wohnt der Herr in diesem Quartier der Stadt?“ — Ja Madam, und Sie vermuthlich auch?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/181
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/181>, abgerufen am 22.11.2024.