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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Dessert und eine halbe Bouteille recht trinkbaren Tisch-
wein. Dabei ist man nicht einmal an einen bestimm-
ten Küchenzettel gebunden, sondern man hat die Wahl
zwischen fünfzehn bis zwanzig Speisen. Jch habe diese
wohlfeile Art sich zu sättigen selbst ein paarmal versucht,
z. E. in der Parthenope im Palais royal, und muß be-
kennen, daß, wenn gleich ein Leckermaul seine Nahrung
dabei nicht finden möchte, doch ein genügsamer Geschäfts-
mann sehr wohl zufrieden seyn kann, und daß ich nicht
begreife, wie es möglich ist, für so geringen Preis, so
viele und gute, wenn auch nur Hausmannskost, zu
liefern.

Jch will für einige meiner ärmern Landsleute noch
ein paar Anzeigen solcher wohlfeilen Speisehäuser bei-
fügen, die ich jedoch nicht selbst besucht habe. Letellier,
rue Grenelle St. Honore, giebt für 36 Sous Suppe,
vier zu wählende Schüsseln, Dessert, Brod, und eine
halbe Bouteille Wein. -- Ein anderer im Palais royal
Nr. 643, bietet das nemliche (nur eine Schüssel we-
niger) an für 25 S. also kaum 8 Groschen. Seine Kar-
te ist überschrieben: Allons diner pour 1. Liv. 5. S.
par tete.

Jch kann diesen Artikel unmöglich schließen, ohne
noch vorher eines Orts zu erwähnen, den das Anden-
ken an Freundschaft, Gastfreiheit, Witz und frohe Lau-
ne mir unvergeßlich macht. Jch meine die Schenke
(le Cabaret) der Felsen von Cancale genannt.
Man stoße sich nicht an den gemeinen Titel Schenke,
der Wirth ist so klug gewesen, keinen andern anneh-
men zu wollen. Recht feine und vornehme Leute wall-
fahrten zu ihm, denn er hat die besten Austern
und Seefische in ganz Paris, giebt auch sonst recht

Dessert und eine halbe Bouteille recht trinkbaren Tisch-
wein. Dabei ist man nicht einmal an einen bestimm-
ten Kuͤchenzettel gebunden, sondern man hat die Wahl
zwischen fuͤnfzehn bis zwanzig Speisen. Jch habe diese
wohlfeile Art sich zu saͤttigen selbst ein paarmal versucht,
z. E. in der Parthenope im Palais royal, und muß be-
kennen, daß, wenn gleich ein Leckermaul seine Nahrung
dabei nicht finden moͤchte, doch ein genuͤgsamer Geschaͤfts-
mann sehr wohl zufrieden seyn kann, und daß ich nicht
begreife, wie es moͤglich ist, fuͤr so geringen Preis, so
viele und gute, wenn auch nur Hausmannskost, zu
liefern.

Jch will fuͤr einige meiner aͤrmern Landsleute noch
ein paar Anzeigen solcher wohlfeilen Speisehaͤuser bei-
fuͤgen, die ich jedoch nicht selbst besucht habe. Letellier,
rue Grenelle St. Honoré, giebt fuͤr 36 Sous Suppe,
vier zu waͤhlende Schuͤsseln, Dessert, Brod, und eine
halbe Bouteille Wein. — Ein anderer im Palais royal
Nr. 643, bietet das nemliche (nur eine Schuͤssel we-
niger) an fuͤr 25 S. also kaum 8 Groschen. Seine Kar-
te ist uͤberschrieben: Allons diner pour 1. Liv. 5. S.
par tête.

Jch kann diesen Artikel unmoͤglich schließen, ohne
noch vorher eines Orts zu erwaͤhnen, den das Anden-
ken an Freundschaft, Gastfreiheit, Witz und frohe Lau-
ne mir unvergeßlich macht. Jch meine die Schenke
(le Cabaret) der Felsen von Cancale genannt.
Man stoße sich nicht an den gemeinen Titel Schenke,
der Wirth ist so klug gewesen, keinen andern anneh-
men zu wollen. Recht feine und vornehme Leute wall-
fahrten zu ihm, denn er hat die besten Austern
und Seefische in ganz Paris, giebt auch sonst recht

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[176/0180] Dessert und eine halbe Bouteille recht trinkbaren Tisch- wein. Dabei ist man nicht einmal an einen bestimm- ten Kuͤchenzettel gebunden, sondern man hat die Wahl zwischen fuͤnfzehn bis zwanzig Speisen. Jch habe diese wohlfeile Art sich zu saͤttigen selbst ein paarmal versucht, z. E. in der Parthenope im Palais royal, und muß be- kennen, daß, wenn gleich ein Leckermaul seine Nahrung dabei nicht finden moͤchte, doch ein genuͤgsamer Geschaͤfts- mann sehr wohl zufrieden seyn kann, und daß ich nicht begreife, wie es moͤglich ist, fuͤr so geringen Preis, so viele und gute, wenn auch nur Hausmannskost, zu liefern. Jch will fuͤr einige meiner aͤrmern Landsleute noch ein paar Anzeigen solcher wohlfeilen Speisehaͤuser bei- fuͤgen, die ich jedoch nicht selbst besucht habe. Letellier, rue Grenelle St. Honoré, giebt fuͤr 36 Sous Suppe, vier zu waͤhlende Schuͤsseln, Dessert, Brod, und eine halbe Bouteille Wein. — Ein anderer im Palais royal Nr. 643, bietet das nemliche (nur eine Schuͤssel we- niger) an fuͤr 25 S. also kaum 8 Groschen. Seine Kar- te ist uͤberschrieben: Allons diner pour 1. Liv. 5. S. par tête. Jch kann diesen Artikel unmoͤglich schließen, ohne noch vorher eines Orts zu erwaͤhnen, den das Anden- ken an Freundschaft, Gastfreiheit, Witz und frohe Lau- ne mir unvergeßlich macht. Jch meine die Schenke (le Cabaret) der Felsen von Cancale genannt. Man stoße sich nicht an den gemeinen Titel Schenke, der Wirth ist so klug gewesen, keinen andern anneh- men zu wollen. Recht feine und vornehme Leute wall- fahrten zu ihm, denn er hat die besten Austern und Seefische in ganz Paris, giebt auch sonst recht

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/180>, abgerufen am 19.05.2024.