dermann, der nicht reich genug ist um zu schwelgen, oder der seinen Geist munter erhalten will. Daher kommt es denn aber, daß dieser Göttertrank, der sonst nur in den Apotheken oder höchstens von zwei oder drei aner- kannt guten Fabrikanten gemacht wurde, jetzt von so vielen Pfuschern gesudelt wird, daß man alle Augen- blick eine Vergiftung oder wenigstens allerlei Magenbe- schwerden fürchten muß; denn es giebt Schokoladen in Paris, wozu Alles genommen wird, nur keine Cacao- bohnen. Die beste liefert jetzt ein gewisser Bauve, Rue St. Dominique Nro. 1020. Jch theile diese Addresse be- sonders auch für Schwindsüchtige und an der Auszeh- rung leidende mit, für welche er eine vortreffliche Ge- sundheits-Chokolade verfertigt. Sonst trinkt man sie auch sehr gut im Caffe-Corazza im palais royal. Jn vielen andern Caffeehäusern erregt sie Eckel, Magen- drücken, Verstopfungen u. dgl.
Das Mittagsessen ist bekanntlich 365 mal im Jahre die wichtigste Angelegenheit des Lebens. Beson- ders jetzt, da es in die Abendstunden verlegt worden, verlängern sich alle Gesichter, wenn es durch Zufall noch um einige Minuten verspätet wird; alle Gesichter klä- ren sich aber auch auf, wenn der Haushofmeister mit der Serviette über dem Arme hereintritt und das Zau- berwort ausspricht: Madame est servie. Nach einigen Ceremonien (die manche zwar dadurch abkürzen, daß sie Namen auf die Teller legen, aber auch auf diese Weise ihre Gäste an Nachbarn fesseln, die sie vielleicht nicht gewählt haben würden), setzt man sich zur bren- nenden Suppe, denn brennend muß sie seyn, und alle Gaumen scheinen mit Mosaik ausgelegt, oder das Privilegium des unverbrennbaren Spaniers zu haben,
dermann, der nicht reich genug ist um zu schwelgen, oder der seinen Geist munter erhalten will. Daher kommt es denn aber, daß dieser Goͤttertrank, der sonst nur in den Apotheken oder hoͤchstens von zwei oder drei aner- kannt guten Fabrikanten gemacht wurde, jetzt von so vielen Pfuschern gesudelt wird, daß man alle Augen- blick eine Vergiftung oder wenigstens allerlei Magenbe- schwerden fuͤrchten muß; denn es giebt Schokoladen in Paris, wozu Alles genommen wird, nur keine Cacao- bohnen. Die beste liefert jetzt ein gewisser Bauve, Rue St. Dominique Nro. 1020. Jch theile diese Addresse be- sonders auch fuͤr Schwindsuͤchtige und an der Auszeh- rung leidende mit, fuͤr welche er eine vortreffliche Ge- sundheits-Chokolade verfertigt. Sonst trinkt man sie auch sehr gut im Caffé-Corazza im palais royal. Jn vielen andern Caffeehaͤusern erregt sie Eckel, Magen- druͤcken, Verstopfungen u. dgl.
Das Mittagsessen ist bekanntlich 365 mal im Jahre die wichtigste Angelegenheit des Lebens. Beson- ders jetzt, da es in die Abendstunden verlegt worden, verlaͤngern sich alle Gesichter, wenn es durch Zufall noch um einige Minuten verspaͤtet wird; alle Gesichter klaͤ- ren sich aber auch auf, wenn der Haushofmeister mit der Serviette uͤber dem Arme hereintritt und das Zau- berwort ausspricht: Madame est servie. Nach einigen Ceremonien (die manche zwar dadurch abkuͤrzen, daß sie Namen auf die Teller legen, aber auch auf diese Weise ihre Gaͤste an Nachbarn fesseln, die sie vielleicht nicht gewaͤhlt haben wuͤrden), setzt man sich zur bren- nenden Suppe, denn brennend muß sie seyn, und alle Gaumen scheinen mit Mosaik ausgelegt, oder das Privilegium des unverbrennbaren Spaniers zu haben,
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dermann, der nicht reich genug ist um zu schwelgen,
oder der seinen Geist munter erhalten will. Daher kommt
es denn aber, daß dieser Goͤttertrank, der sonst nur in
den Apotheken oder hoͤchstens von zwei oder drei aner-
kannt guten Fabrikanten gemacht wurde, jetzt von so
vielen Pfuschern gesudelt wird, daß man alle Augen-
blick eine Vergiftung oder wenigstens allerlei Magenbe-
schwerden fuͤrchten muß; denn es giebt Schokoladen in
Paris, wozu Alles genommen wird, nur keine Cacao-
bohnen. Die beste liefert jetzt ein gewisser Bauve, Rue
St. Dominique Nro. 1020. Jch theile diese Addresse be-
sonders auch fuͤr Schwindsuͤchtige und an der Auszeh-
rung leidende mit, fuͤr welche er eine vortreffliche Ge-
sundheits-Chokolade verfertigt. Sonst trinkt man
sie auch sehr gut im Caffé-Corazza im palais royal. Jn
vielen andern Caffeehaͤusern erregt sie Eckel, Magen-
druͤcken, Verstopfungen u. dgl.
Das Mittagsessen ist bekanntlich 365 mal im
Jahre die wichtigste Angelegenheit des Lebens. Beson-
ders jetzt, da es in die Abendstunden verlegt worden,
verlaͤngern sich alle Gesichter, wenn es durch Zufall noch
um einige Minuten verspaͤtet wird; alle Gesichter klaͤ-
ren sich aber auch auf, wenn der Haushofmeister mit
der Serviette uͤber dem Arme hereintritt und das Zau-
berwort ausspricht: Madame est servie. Nach einigen
Ceremonien (die manche zwar dadurch abkuͤrzen, daß
sie Namen auf die Teller legen, aber auch auf diese
Weise ihre Gaͤste an Nachbarn fesseln, die sie vielleicht
nicht gewaͤhlt haben wuͤrden), setzt man sich zur bren-
nenden Suppe, denn brennend muß sie seyn, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/172>, abgerufen am 16.02.2025.
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