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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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ners a la fourchette), die vormals verachtet, und, als
ein grober Gebrauch, blos gemeinen Leuten und Rei-
senden überlassen wurden. Jetzt sind sie in reichen Häu-
sern des neuen Frankreich sehr gewöhnlich. Die Ge-
schäfte fangen selten vor 10 Uhr an. Gegen 1 Uhr wird
eine Mahagony-Tafel gedeckt, mit vielerlei Gattungen
kalten Fleisches und mancherlei Weinen besetzt.
Von warmen Speisen werden höchstens geduldet:
Tauben a la Crapaudine, Hühner a la tartare, kleine
Pastetchen au jus, rognons (Abschnitzel, eine sehr be-
liebte Schüssel) und Bratwürstchen. Hingegen giebt es
kalte Fleischsallade, Wild- und Schinken-Pasteten, und
zur Vorrede Austern von dem berühmten Felsen von
Cancale. -- Ein solches Frühstück kann freilich weder
der arme Rentenierer noch der bescheidene Musensohn
sich auftischen lassen; die Einkünfte des Erstern würden
nicht acht Tage hinreichen, und die Phantasie des Letz-
tern würde unter dem Gewicht der Pasteten erliegen;
denn als Boileau sang:
Horace a bu son soul quand il voit les menades
da meinte er nicht die jetzigen Frühstücke. Zu große
Mäßigkeit mag freilich die Lebensgeister nicht anfrischen,
aber zu viele saftreiche Speisen ersticken sie ganz. Jn-
dessen muß der Musensohn doch auch etwas haben, um
den Mittag ohne Murren erwarten zu können, etwas
das leicht, doch substantiös, den Magen beschwichtigt
ohne die Einbildungskraft zu hemmen; das gut schmeckt
und doch wohlfeil ist, das viele sättigende Bestandthei-
le in einem kleinen Raum einschließt, und doch nicht
hindert, als Gast einem Mittagsessen Ehre zu machen.
Dieses Problem hat die Schokolade gelöst. Vor
20 Jahren tranken nur alte Leute Schokolade, jetzt Je-

ners à la fourchette), die vormals verachtet, und, als
ein grober Gebrauch, blos gemeinen Leuten und Rei-
senden uͤberlassen wurden. Jetzt sind sie in reichen Haͤu-
sern des neuen Frankreich sehr gewoͤhnlich. Die Ge-
schaͤfte fangen selten vor 10 Uhr an. Gegen 1 Uhr wird
eine Mahagony-Tafel gedeckt, mit vielerlei Gattungen
kalten Fleisches und mancherlei Weinen besetzt.
Von warmen Speisen werden hoͤchstens geduldet:
Tauben à la Crapaudine, Huͤhner à la tartare, kleine
Pastetchen au jus, rognons (Abschnitzel, eine sehr be-
liebte Schuͤssel) und Bratwuͤrstchen. Hingegen giebt es
kalte Fleischsallade, Wild- und Schinken-Pasteten, und
zur Vorrede Austern von dem beruͤhmten Felsen von
Cancale. — Ein solches Fruͤhstuͤck kann freilich weder
der arme Rentenierer noch der bescheidene Musensohn
sich auftischen lassen; die Einkuͤnfte des Erstern wuͤrden
nicht acht Tage hinreichen, und die Phantasie des Letz-
tern wuͤrde unter dem Gewicht der Pasteten erliegen;
denn als Boileau sang:
Horace a bu son soul quand il voit les ménades
da meinte er nicht die jetzigen Fruͤhstuͤcke. Zu große
Maͤßigkeit mag freilich die Lebensgeister nicht anfrischen,
aber zu viele saftreiche Speisen ersticken sie ganz. Jn-
dessen muß der Musensohn doch auch etwas haben, um
den Mittag ohne Murren erwarten zu koͤnnen, etwas
das leicht, doch substantioͤs, den Magen beschwichtigt
ohne die Einbildungskraft zu hemmen; das gut schmeckt
und doch wohlfeil ist, das viele saͤttigende Bestandthei-
le in einem kleinen Raum einschließt, und doch nicht
hindert, als Gast einem Mittagsessen Ehre zu machen.
Dieses Problem hat die Schokolade geloͤst. Vor
20 Jahren tranken nur alte Leute Schokolade, jetzt Je-

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[167/0171] ners à la fourchette), die vormals verachtet, und, als ein grober Gebrauch, blos gemeinen Leuten und Rei- senden uͤberlassen wurden. Jetzt sind sie in reichen Haͤu- sern des neuen Frankreich sehr gewoͤhnlich. Die Ge- schaͤfte fangen selten vor 10 Uhr an. Gegen 1 Uhr wird eine Mahagony-Tafel gedeckt, mit vielerlei Gattungen kalten Fleisches und mancherlei Weinen besetzt. Von warmen Speisen werden hoͤchstens geduldet: Tauben à la Crapaudine, Huͤhner à la tartare, kleine Pastetchen au jus, rognons (Abschnitzel, eine sehr be- liebte Schuͤssel) und Bratwuͤrstchen. Hingegen giebt es kalte Fleischsallade, Wild- und Schinken-Pasteten, und zur Vorrede Austern von dem beruͤhmten Felsen von Cancale. — Ein solches Fruͤhstuͤck kann freilich weder der arme Rentenierer noch der bescheidene Musensohn sich auftischen lassen; die Einkuͤnfte des Erstern wuͤrden nicht acht Tage hinreichen, und die Phantasie des Letz- tern wuͤrde unter dem Gewicht der Pasteten erliegen; denn als Boileau sang: Horace a bu son soul quand il voit les ménades da meinte er nicht die jetzigen Fruͤhstuͤcke. Zu große Maͤßigkeit mag freilich die Lebensgeister nicht anfrischen, aber zu viele saftreiche Speisen ersticken sie ganz. Jn- dessen muß der Musensohn doch auch etwas haben, um den Mittag ohne Murren erwarten zu koͤnnen, etwas das leicht, doch substantioͤs, den Magen beschwichtigt ohne die Einbildungskraft zu hemmen; das gut schmeckt und doch wohlfeil ist, das viele saͤttigende Bestandthei- le in einem kleinen Raum einschließt, und doch nicht hindert, als Gast einem Mittagsessen Ehre zu machen. Dieses Problem hat die Schokolade geloͤst. Vor 20 Jahren tranken nur alte Leute Schokolade, jetzt Je-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/171>, abgerufen am 25.11.2024.