und Diana, wie sie die Kinder der Niobe tödtet. Schwerlich läßt sich wohl diese Kunst hö- her treiben. -- Da ist eine liebliche Zeichnung von Ra- phael: Alexander bietet Roxanen seine Krone dar. Liebesgötter wimmeln um ihren Putztisch und andere spielen mit der Rüstung des entwaffneten Helden. Besonders artig und drollig ist die Jdee, da ein Liebesgott in Alexanders Harnisch geschlüpft, Kopf und Arme herausstreckt, und so auf dem Boden herum- kriecht. -- Jch bin eben sonst kein Liebhaber von Alle- gorien, aber hier hat Raphael eine hinterlassen, die er, wie man sagt, dem griechischen Maler Apelles nach- gebildet, und die, abgesehen von ihrem hohen Kunst- werth, auch dem Dichter Ehre macht. Der Gegenstand ist die Verläumdung. Apelles, (so erzählt Lu- cian) wurde von einem Verläumder angeklagt, daß er sich in eine Verschwörung gegen den König Ptolomäus eingelassen, und rächte sich folgendergestalt: Er malte die Leichtgläubigkeit mit Midasohren sitzend zwischen Unwissenheit und Argwohn; sie em- pfieng sehr freundlich die Verläumdung, welche als ein schönes, reichgeschmücktes Weib dargestellt ist, einen Feuerbrand in der Hand trägt, und die Unschuld bei den Haaren nach sich schleppt. Diese hebt Augen und Hände gen Himmel, seinen Beistand erflehend. Jhr folgt der Neid, schielend, bleich, entfleischt; er hat zwei Gefährten bei sich, Betrug und Arglist, die unaufhörlich bemüht sind, ihn zu putzen. Ganz zu- letzt kommt die Reue im Trauergewande, der sich plötz- lich die himmlisch schöne nackte Wahrheit zeigt, bei deren Anblick die Reue sich die Haare ausreißt und die Finger zernagt. -- Die Ausführung dieser Zeich-
und Diana, wie sie die Kinder der Niobe toͤdtet. Schwerlich laͤßt sich wohl diese Kunst hoͤ- her treiben. — Da ist eine liebliche Zeichnung von Ra- phael: Alexander bietet Roxanen seine Krone dar. Liebesgoͤtter wimmeln um ihren Putztisch und andere spielen mit der Ruͤstung des entwaffneten Helden. Besonders artig und drollig ist die Jdee, da ein Liebesgott in Alexanders Harnisch geschluͤpft, Kopf und Arme herausstreckt, und so auf dem Boden herum- kriecht. — Jch bin eben sonst kein Liebhaber von Alle- gorien, aber hier hat Raphael eine hinterlassen, die er, wie man sagt, dem griechischen Maler Apelles nach- gebildet, und die, abgesehen von ihrem hohen Kunst- werth, auch dem Dichter Ehre macht. Der Gegenstand ist die Verlaͤumdung. Apelles, (so erzaͤhlt Lu- cian) wurde von einem Verlaͤumder angeklagt, daß er sich in eine Verschwoͤrung gegen den Koͤnig Ptolomaͤus eingelassen, und raͤchte sich folgendergestalt: Er malte die Leichtglaͤubigkeit mit Midasohren sitzend zwischen Unwissenheit und Argwohn; sie em- pfieng sehr freundlich die Verlaͤumdung, welche als ein schoͤnes, reichgeschmuͤcktes Weib dargestellt ist, einen Feuerbrand in der Hand traͤgt, und die Unschuld bei den Haaren nach sich schleppt. Diese hebt Augen und Haͤnde gen Himmel, seinen Beistand erflehend. Jhr folgt der Neid, schielend, bleich, entfleischt; er hat zwei Gefaͤhrten bei sich, Betrug und Arglist, die unaufhoͤrlich bemuͤht sind, ihn zu putzen. Ganz zu- letzt kommt die Reue im Trauergewande, der sich ploͤtz- lich die himmlisch schoͤne nackte Wahrheit zeigt, bei deren Anblick die Reue sich die Haare ausreißt und die Finger zernagt. — Die Ausfuͤhrung dieser Zeich-
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und Diana, wie sie die Kinder der Niobe
toͤdtet. Schwerlich laͤßt sich wohl diese Kunst hoͤ-
her treiben. — Da ist eine liebliche Zeichnung von Ra-
phael: Alexander bietet Roxanen seine
Krone dar. Liebesgoͤtter wimmeln um ihren Putztisch
und andere spielen mit der Ruͤstung des entwaffneten
Helden. Besonders artig und drollig ist die Jdee, da
ein Liebesgott in Alexanders Harnisch geschluͤpft, Kopf
und Arme herausstreckt, und so auf dem Boden herum-
kriecht. — Jch bin eben sonst kein Liebhaber von Alle-
gorien, aber hier hat Raphael eine hinterlassen, die
er, wie man sagt, dem griechischen Maler Apelles nach-
gebildet, und die, abgesehen von ihrem hohen Kunst-
werth, auch dem Dichter Ehre macht. Der Gegenstand
ist die Verlaͤumdung. Apelles, (so erzaͤhlt Lu-
cian) wurde von einem Verlaͤumder angeklagt, daß er
sich in eine Verschwoͤrung gegen den Koͤnig Ptolomaͤus
eingelassen, und raͤchte sich folgendergestalt: Er malte
die Leichtglaͤubigkeit mit Midasohren sitzend
zwischen Unwissenheit und Argwohn; sie em-
pfieng sehr freundlich die Verlaͤumdung, welche als
ein schoͤnes, reichgeschmuͤcktes Weib dargestellt ist, einen
Feuerbrand in der Hand traͤgt, und die Unschuld
bei den Haaren nach sich schleppt. Diese hebt Augen
und Haͤnde gen Himmel, seinen Beistand erflehend.
Jhr folgt der Neid, schielend, bleich, entfleischt; er
hat zwei Gefaͤhrten bei sich, Betrug und Arglist,
die unaufhoͤrlich bemuͤht sind, ihn zu putzen. Ganz zu-
letzt kommt die Reue im Trauergewande, der sich ploͤtz-
lich die himmlisch schoͤne nackte Wahrheit zeigt, bei
deren Anblick die Reue sich die Haare ausreißt und
die Finger zernagt. — Die Ausfuͤhrung dieser Zeich-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/154>, abgerufen am 16.02.2025.
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