Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.Lächelnd steh' ich vor einem sonderbaren Grabmahl, Laͤchelnd steh' ich vor einem sonderbaren Grabmahl, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0126" n="122"/> <p>Laͤchelnd steh' ich vor einem sonderbaren Grabmahl,<lb/> welches die Jahrhunderte bis zu einem halben Dutzend<lb/> hinauf zaͤhlt. Es wurde Dagobert dem Ersten geweiht,<lb/> der seine Siege durch Grausamkeit und Wollust besu-<lb/> delte, und seine Kebsweiber ungerechnet, <hi rendition="#g">drey Koͤni-<lb/> ginnen</hi> zu gleicher Zeit angetrauet war; dann aber<lb/> alle Suͤnden durch die Erbauung der Abtei St. Denis<lb/> abbuͤßte, und unter die <hi rendition="#g">Heiligen</hi> versetzt wurde.<lb/> Sein Grabmahl erzaͤhlt in hoͤchst drolligen Basreliefs,<lb/> wie es ihm <hi rendition="#g">nach</hi> seinem Tode ergangen. Man muß<lb/> von <hi rendition="#g">unten</hi> anfangen, wo Dagoberts Leichnam ausge-<lb/> streckt liegt. Dann folgt ein wenig hoͤher hinauf ein<lb/> Boot mit Teufeln, die Dagoberts Seele zwischen sich<lb/> haben und martern. Wenn es des Kuͤnstlers Absicht<lb/> gewesen, diese Teufel graͤßlich und fuͤrchterlich darzu-<lb/> stellen, so hat er seinen Zweck ganz verfehlt, denn sie<lb/> sind alle hoͤchst komisch und tragen auf menschlichen<lb/> Leibern Froschkoͤpfe, Hundekoͤpfe und dergleichen. Um<lb/> anzudeuten, daß der Mensch, den sie da zwischen sich<lb/> herum zerren, kein eigentlicher Mensch, sondern eine<lb/> bloße <hi rendition="#g">Seele</hi> ist, hat der Kuͤnstler die Geschlechtstheile<lb/> weggelassen. So ganz Unrecht mag er nicht haben.<lb/> Haͤtte er auf eben diese Weise den Mangel eines <hi rendition="#g">Ma-<lb/> gens</hi> andeuten koͤnnen, so haͤtte er wenigstens Alles<lb/> aus dem Wege geraͤumt, was den Menschen <hi rendition="#g">Seele</hi><lb/> zu seyn <hi rendition="#g">hindert.</hi> — Weiter oben erscheinen, nebst<lb/> ein paar Engeln, der heil. Denis und der heil. Mar-<lb/> tin, welche Dagobert in seiner Noth angerufen, und<lb/> entreißen den Teufeln ihre Beute, wobei mehrere Hoͤl-<lb/> lengeister mit Froschkoͤpfen sehr drollig ins Wasser pur-<lb/> zeln. Noch hoͤher, steht die <hi rendition="#g">Seele</hi> zwischen ihren<lb/> Rettern in ein Tuch gewickelt und Engel beraͤuchern sie.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0126]
Laͤchelnd steh' ich vor einem sonderbaren Grabmahl,
welches die Jahrhunderte bis zu einem halben Dutzend
hinauf zaͤhlt. Es wurde Dagobert dem Ersten geweiht,
der seine Siege durch Grausamkeit und Wollust besu-
delte, und seine Kebsweiber ungerechnet, drey Koͤni-
ginnen zu gleicher Zeit angetrauet war; dann aber
alle Suͤnden durch die Erbauung der Abtei St. Denis
abbuͤßte, und unter die Heiligen versetzt wurde.
Sein Grabmahl erzaͤhlt in hoͤchst drolligen Basreliefs,
wie es ihm nach seinem Tode ergangen. Man muß
von unten anfangen, wo Dagoberts Leichnam ausge-
streckt liegt. Dann folgt ein wenig hoͤher hinauf ein
Boot mit Teufeln, die Dagoberts Seele zwischen sich
haben und martern. Wenn es des Kuͤnstlers Absicht
gewesen, diese Teufel graͤßlich und fuͤrchterlich darzu-
stellen, so hat er seinen Zweck ganz verfehlt, denn sie
sind alle hoͤchst komisch und tragen auf menschlichen
Leibern Froschkoͤpfe, Hundekoͤpfe und dergleichen. Um
anzudeuten, daß der Mensch, den sie da zwischen sich
herum zerren, kein eigentlicher Mensch, sondern eine
bloße Seele ist, hat der Kuͤnstler die Geschlechtstheile
weggelassen. So ganz Unrecht mag er nicht haben.
Haͤtte er auf eben diese Weise den Mangel eines Ma-
gens andeuten koͤnnen, so haͤtte er wenigstens Alles
aus dem Wege geraͤumt, was den Menschen Seele
zu seyn hindert. — Weiter oben erscheinen, nebst
ein paar Engeln, der heil. Denis und der heil. Mar-
tin, welche Dagobert in seiner Noth angerufen, und
entreißen den Teufeln ihre Beute, wobei mehrere Hoͤl-
lengeister mit Froschkoͤpfen sehr drollig ins Wasser pur-
zeln. Noch hoͤher, steht die Seele zwischen ihren
Rettern in ein Tuch gewickelt und Engel beraͤuchern sie.
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