Liebe, aber einfach rührend spricht das Basrelief, auf welchem sie sich traulich die Hand reichen zum Gange in die Unterwelt.
Gruß dem Moschus, Sohn des Mo- schus! sind die wenigen Worte, die dort ein Grabstein von Parischem Marmor dir zuruft. Sie sind an einen berühmten Dichter gerichtet, der in Sicilien 285 Jahr vor unserer Zeitrechnung starb. Keine Schmeichelei ent- weiht sen Andenken, aber nach zweitausend Jahren grüßt jeder vorübergehende ihn heute noch freundlich: Gruß dem Moschus!
Welche lange Reihe griechischer Namen ist auf je- nen großen Marmortafeln verzeichnet? Es waren ta- pfere Männer aus dem Stamm der Erechthiden, die auf dem Schlachtfelde fielen. Die Dankbarkeit ihrer Mitbürger grub ihre Namen in diesen Marmor, der bald nach Cimons Tode, zur Zeit des peloponesischen Krieges, also vor zweitausend dreihundert Jahren, aufgestellt wurde. Wer kann diese Buchstaben betrach- ten, ohne daß die ganze, uns beinahe zur Fabel gewor- dene griechische Welt vor seinen Augen steht? -- *) Um so gleichgültiger geht man an dem plumpen Gefäß von orientalischem Alabaster vorüber, von wel- chem eine fromme Tradition behauptet: es habe bey der Hochzeit zu Canaan gedient. Hilf Himmel! Was für Menschen mögen die Hochzeitgäste gewesen seyn, wenn sie diesen Pocal aus Hand in Hand konnten gehen lassen, denn er wiegt wenigstens fünfhundert Pfund.
*) Diese beyde Marmortafeln sind in das Museum Napoleon gebracht worden, vermuthlich, weil es keine National- Denkmähler sind.
Liebe, aber einfach ruͤhrend spricht das Basrelief, auf welchem sie sich traulich die Hand reichen zum Gange in die Unterwelt.
Gruß dem Moschus, Sohn des Mo- schus! sind die wenigen Worte, die dort ein Grabstein von Parischem Marmor dir zuruft. Sie sind an einen beruͤhmten Dichter gerichtet, der in Sicilien 285 Jahr vor unserer Zeitrechnung starb. Keine Schmeichelei ent- weiht sen Andenken, aber nach zweitausend Jahren gruͤßt jeder voruͤbergehende ihn heute noch freundlich: Gruß dem Moschus!
Welche lange Reihe griechischer Namen ist auf je- nen großen Marmortafeln verzeichnet? Es waren ta- pfere Maͤnner aus dem Stamm der Erechthiden, die auf dem Schlachtfelde fielen. Die Dankbarkeit ihrer Mitbuͤrger grub ihre Namen in diesen Marmor, der bald nach Cimons Tode, zur Zeit des peloponesischen Krieges, also vor zweitausend dreihundert Jahren, aufgestellt wurde. Wer kann diese Buchstaben betrach- ten, ohne daß die ganze, uns beinahe zur Fabel gewor- dene griechische Welt vor seinen Augen steht? — *) Um so gleichguͤltiger geht man an dem plumpen Gefaͤß von orientalischem Alabaster voruͤber, von wel- chem eine fromme Tradition behauptet: es habe bey der Hochzeit zu Canaan gedient. Hilf Himmel! Was fuͤr Menschen moͤgen die Hochzeitgaͤste gewesen seyn, wenn sie diesen Pocal aus Hand in Hand konnten gehen lassen, denn er wiegt wenigstens fuͤnfhundert Pfund.
*) Diese beyde Marmortafeln sind in das Museum Napoleon gebracht worden, vermuthlich, weil es keine National- Denkmaͤhler sind.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0125"n="121"/>
Liebe, aber einfach ruͤhrend spricht das Basrelief, auf<lb/>
welchem sie sich traulich <hirendition="#g">die Hand reichen</hi> zum<lb/>
Gange in die Unterwelt.</p><lb/><p><hirendition="#g">Gruß dem Moschus, Sohn des Mo-<lb/>
schus!</hi> sind die wenigen Worte, die dort ein Grabstein<lb/>
von Parischem Marmor dir zuruft. Sie sind an einen<lb/>
beruͤhmten Dichter gerichtet, der in Sicilien 285 Jahr<lb/>
vor unserer Zeitrechnung starb. Keine Schmeichelei ent-<lb/>
weiht sen Andenken, aber nach zweitausend Jahren<lb/>
gruͤßt jeder voruͤbergehende ihn heute noch freundlich:<lb/><hirendition="#g">Gruß dem Moschus!</hi></p><lb/><p>Welche lange Reihe griechischer Namen ist auf je-<lb/>
nen großen Marmortafeln verzeichnet? Es waren ta-<lb/>
pfere Maͤnner aus dem Stamm der <hirendition="#g">Erechthiden,</hi><lb/>
die auf dem Schlachtfelde fielen. Die Dankbarkeit ihrer<lb/>
Mitbuͤrger grub ihre Namen in diesen Marmor, der<lb/>
bald nach <hirendition="#g">Cimons</hi> Tode, zur Zeit des peloponesischen<lb/>
Krieges, also vor zweitausend dreihundert Jahren,<lb/>
aufgestellt wurde. Wer kann diese Buchstaben betrach-<lb/>
ten, ohne daß die ganze, uns beinahe zur Fabel gewor-<lb/>
dene griechische Welt vor seinen Augen steht? —<noteplace="foot"n="*)">Diese beyde Marmortafeln sind in das Museum Napoleon<lb/>
gebracht worden, vermuthlich, weil es keine National-<lb/>
Denkmaͤhler sind.</note><lb/>
Um so gleichguͤltiger geht man an dem plumpen<lb/>
Gefaͤß von orientalischem Alabaster voruͤber, von wel-<lb/>
chem eine fromme Tradition behauptet: es habe bey der<lb/>
Hochzeit zu Canaan gedient. Hilf Himmel! Was<lb/>
fuͤr Menschen moͤgen die Hochzeitgaͤste gewesen seyn,<lb/>
wenn sie diesen Pocal aus Hand in Hand konnten gehen<lb/>
lassen, denn er wiegt wenigstens <hirendition="#g">fuͤnfhundert</hi> Pfund.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[121/0125]
Liebe, aber einfach ruͤhrend spricht das Basrelief, auf
welchem sie sich traulich die Hand reichen zum
Gange in die Unterwelt.
Gruß dem Moschus, Sohn des Mo-
schus! sind die wenigen Worte, die dort ein Grabstein
von Parischem Marmor dir zuruft. Sie sind an einen
beruͤhmten Dichter gerichtet, der in Sicilien 285 Jahr
vor unserer Zeitrechnung starb. Keine Schmeichelei ent-
weiht sen Andenken, aber nach zweitausend Jahren
gruͤßt jeder voruͤbergehende ihn heute noch freundlich:
Gruß dem Moschus!
Welche lange Reihe griechischer Namen ist auf je-
nen großen Marmortafeln verzeichnet? Es waren ta-
pfere Maͤnner aus dem Stamm der Erechthiden,
die auf dem Schlachtfelde fielen. Die Dankbarkeit ihrer
Mitbuͤrger grub ihre Namen in diesen Marmor, der
bald nach Cimons Tode, zur Zeit des peloponesischen
Krieges, also vor zweitausend dreihundert Jahren,
aufgestellt wurde. Wer kann diese Buchstaben betrach-
ten, ohne daß die ganze, uns beinahe zur Fabel gewor-
dene griechische Welt vor seinen Augen steht? — *)
Um so gleichguͤltiger geht man an dem plumpen
Gefaͤß von orientalischem Alabaster voruͤber, von wel-
chem eine fromme Tradition behauptet: es habe bey der
Hochzeit zu Canaan gedient. Hilf Himmel! Was
fuͤr Menschen moͤgen die Hochzeitgaͤste gewesen seyn,
wenn sie diesen Pocal aus Hand in Hand konnten gehen
lassen, denn er wiegt wenigstens fuͤnfhundert Pfund.
*) Diese beyde Marmortafeln sind in das Museum Napoleon
gebracht worden, vermuthlich, weil es keine National-
Denkmaͤhler sind.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/125>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.