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Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Augenblicke gefährlicher, da nicht allein Giovanni's Kraft minder wurde, sondern auch die Wurzeln des Baumes, woran sie hingen, mehr und mehr nachließen. Giovanni aber war edelmüthig genug, ihn nicht loszulassen; da rief Checco seine Gefährten herbei, welche die Beiden, nicht ohne Gefahr, aus der peinlichen Lage befreiten. Habt Dank, ihr Braven! sagte Checco und umarmte seine Freunde, doch zu Giovanni gewendet sprach er: Dich hat Gott gesandt, ihm sei Dank und der heiligen Jungfrau! Lasset uns beten! Damit nahm er den Hut ab. Alle thaten ein Gleiches, knieten mit ihm nieder und beteten zu Gott und der heiligen Jungfrau. Hiebei muß erwähnt werden: dieser Checco war zwar ein Räuber, jedoch ungewöhnlicher Art, angebetet von den Seinen und bei dem Volke mehr geliebt als gehaßt. Sein Patron war Crispinus: er nahm den bösen Reichen und gab den guten Armen. Durch einen ungerechten Urtheilspruch um sein rechtmäßiges Erbe gebracht, hielt er jede Obrigkeit nur für eine Anstalt, das Volk hinab zu drücken, hatte sich mit mehreren ähnlich gesinnten flinken Burschen verbunden und streifte bald hierhin im Lande, bald dorthin, wie er es nannte "dem Unrecht abzuhelfen!" Bei diesem Geschäft nahm er es freilich nicht so genau, wie die lateinischen Bücher, in welchen die tausend und aber tausend Rechtsfälle verzeichnet sind. Er sah Alles nur entweder schwarz oder weiß. Verwickeltes hieb er durch, wie Alexander Magnus den Knoten,

Augenblicke gefährlicher, da nicht allein Giovanni's Kraft minder wurde, sondern auch die Wurzeln des Baumes, woran sie hingen, mehr und mehr nachließen. Giovanni aber war edelmüthig genug, ihn nicht loszulassen; da rief Checco seine Gefährten herbei, welche die Beiden, nicht ohne Gefahr, aus der peinlichen Lage befreiten. Habt Dank, ihr Braven! sagte Checco und umarmte seine Freunde, doch zu Giovanni gewendet sprach er: Dich hat Gott gesandt, ihm sei Dank und der heiligen Jungfrau! Lasset uns beten! Damit nahm er den Hut ab. Alle thaten ein Gleiches, knieten mit ihm nieder und beteten zu Gott und der heiligen Jungfrau. Hiebei muß erwähnt werden: dieser Checco war zwar ein Räuber, jedoch ungewöhnlicher Art, angebetet von den Seinen und bei dem Volke mehr geliebt als gehaßt. Sein Patron war Crispinus: er nahm den bösen Reichen und gab den guten Armen. Durch einen ungerechten Urtheilspruch um sein rechtmäßiges Erbe gebracht, hielt er jede Obrigkeit nur für eine Anstalt, das Volk hinab zu drücken, hatte sich mit mehreren ähnlich gesinnten flinken Burschen verbunden und streifte bald hierhin im Lande, bald dorthin, wie er es nannte „dem Unrecht abzuhelfen!“ Bei diesem Geschäft nahm er es freilich nicht so genau, wie die lateinischen Bücher, in welchen die tausend und aber tausend Rechtsfälle verzeichnet sind. Er sah Alles nur entweder schwarz oder weiß. Verwickeltes hieb er durch, wie Alexander Magnus den Knoten,

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[0032] Augenblicke gefährlicher, da nicht allein Giovanni's Kraft minder wurde, sondern auch die Wurzeln des Baumes, woran sie hingen, mehr und mehr nachließen. Giovanni aber war edelmüthig genug, ihn nicht loszulassen; da rief Checco seine Gefährten herbei, welche die Beiden, nicht ohne Gefahr, aus der peinlichen Lage befreiten. Habt Dank, ihr Braven! sagte Checco und umarmte seine Freunde, doch zu Giovanni gewendet sprach er: Dich hat Gott gesandt, ihm sei Dank und der heiligen Jungfrau! Lasset uns beten! Damit nahm er den Hut ab. Alle thaten ein Gleiches, knieten mit ihm nieder und beteten zu Gott und der heiligen Jungfrau. Hiebei muß erwähnt werden: dieser Checco war zwar ein Räuber, jedoch ungewöhnlicher Art, angebetet von den Seinen und bei dem Volke mehr geliebt als gehaßt. Sein Patron war Crispinus: er nahm den bösen Reichen und gab den guten Armen. Durch einen ungerechten Urtheilspruch um sein rechtmäßiges Erbe gebracht, hielt er jede Obrigkeit nur für eine Anstalt, das Volk hinab zu drücken, hatte sich mit mehreren ähnlich gesinnten flinken Burschen verbunden und streifte bald hierhin im Lande, bald dorthin, wie er es nannte „dem Unrecht abzuhelfen!“ Bei diesem Geschäft nahm er es freilich nicht so genau, wie die lateinischen Bücher, in welchen die tausend und aber tausend Rechtsfälle verzeichnet sind. Er sah Alles nur entweder schwarz oder weiß. Verwickeltes hieb er durch, wie Alexander Magnus den Knoten,

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/32>, abgerufen am 23.11.2024.