Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und das audiatur et altera pars war keineswegs sein Wahlspruch. Im Ganzen mußte bei ihm der Unglückliche siegen, der Glückliche wenigstens theilen, wobei Checco sich als Richter auch nicht völlig vergaß, sondern oft recht ansehnlich zulangte. Wem er half, den ließ er das für ihn Erlangte sodann, sehr klug, in veränderter Gestalt irgend wo, wie zufällig, finden; damit derselbe nicht durch sein Geschenk in Verdacht geriethe. Zuweilen trat er, bei Hellem Tage, mit seinen Gesellen in ein reiches Haus, wo er wußte daß eben ein erwuchertes Sümmchen lag, schloß die Thüren und bat sich das Sümmchen zu guten Zwecken aus, und wer ihm dieses nicht sogleich herbeischaffte, ward weder geknebelt noch gefoltert, sondern auf ein mitgebrachtes Leder gelegt und von den lustigen Gesellen so lange geprellt, bis er, des lästigen Spieles überdrüssig, Ungernes gern that und Alles bewilligte. Von dieser Art des Geldeintreibens ward Checco "der Preller" genannt; und wahr ist es, seine Leute verstanden das Prellen gut, sie brachen Niemandem die Rippen und vertheilten die blauen Flecken, mit Ansehen der Person, ziemlich gleichmäßig auf dem Leibe ihrer lebendigen Spielbälle. Daß dieses Treiben böser Art sei, glaubte keiner von ihnen. Alle waren jung und rüstig und immer bereit zu den tausend Schwänken, die Checco sich ausfand, diesen oder jenen Streich nachdrücklich durchzuführen. Sie bildeten zusammen gleichsam eine lustige Vehme und ließen zuweilen Prügel regnen auf und das audiatur et altera pars war keineswegs sein Wahlspruch. Im Ganzen mußte bei ihm der Unglückliche siegen, der Glückliche wenigstens theilen, wobei Checco sich als Richter auch nicht völlig vergaß, sondern oft recht ansehnlich zulangte. Wem er half, den ließ er das für ihn Erlangte sodann, sehr klug, in veränderter Gestalt irgend wo, wie zufällig, finden; damit derselbe nicht durch sein Geschenk in Verdacht geriethe. Zuweilen trat er, bei Hellem Tage, mit seinen Gesellen in ein reiches Haus, wo er wußte daß eben ein erwuchertes Sümmchen lag, schloß die Thüren und bat sich das Sümmchen zu guten Zwecken aus, und wer ihm dieses nicht sogleich herbeischaffte, ward weder geknebelt noch gefoltert, sondern auf ein mitgebrachtes Leder gelegt und von den lustigen Gesellen so lange geprellt, bis er, des lästigen Spieles überdrüssig, Ungernes gern that und Alles bewilligte. Von dieser Art des Geldeintreibens ward Checco „der Preller“ genannt; und wahr ist es, seine Leute verstanden das Prellen gut, sie brachen Niemandem die Rippen und vertheilten die blauen Flecken, mit Ansehen der Person, ziemlich gleichmäßig auf dem Leibe ihrer lebendigen Spielbälle. Daß dieses Treiben böser Art sei, glaubte keiner von ihnen. Alle waren jung und rüstig und immer bereit zu den tausend Schwänken, die Checco sich ausfand, diesen oder jenen Streich nachdrücklich durchzuführen. Sie bildeten zusammen gleichsam eine lustige Vehme und ließen zuweilen Prügel regnen auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033"/> und das audiatur et altera pars war keineswegs sein Wahlspruch. Im Ganzen mußte bei ihm der Unglückliche siegen, der Glückliche wenigstens theilen, wobei Checco sich als Richter auch nicht völlig vergaß, sondern oft recht ansehnlich zulangte. Wem er half, den ließ er das für ihn Erlangte sodann, sehr klug, in veränderter Gestalt irgend wo, wie zufällig, finden; damit derselbe nicht durch sein Geschenk in Verdacht geriethe. Zuweilen trat er, bei Hellem Tage, mit seinen Gesellen in ein reiches Haus, wo er wußte daß eben ein erwuchertes Sümmchen lag, schloß die Thüren und bat sich das Sümmchen zu guten Zwecken aus, und wer ihm dieses nicht sogleich herbeischaffte, ward weder geknebelt noch gefoltert, sondern auf ein mitgebrachtes Leder gelegt und von den lustigen Gesellen so lange geprellt, bis er, des lästigen Spieles überdrüssig, Ungernes gern that und Alles bewilligte. Von dieser Art des Geldeintreibens ward Checco „der Preller“ genannt; und wahr ist es, seine Leute verstanden das Prellen gut, sie brachen Niemandem die Rippen und vertheilten die blauen Flecken, mit Ansehen der Person, ziemlich gleichmäßig auf dem Leibe ihrer lebendigen Spielbälle. Daß dieses Treiben böser Art sei, glaubte keiner von ihnen. Alle waren jung und rüstig und immer bereit zu den tausend Schwänken, die Checco sich ausfand, diesen oder jenen Streich nachdrücklich durchzuführen. Sie bildeten zusammen gleichsam eine lustige Vehme und ließen zuweilen Prügel regnen auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
und das audiatur et altera pars war keineswegs sein Wahlspruch. Im Ganzen mußte bei ihm der Unglückliche siegen, der Glückliche wenigstens theilen, wobei Checco sich als Richter auch nicht völlig vergaß, sondern oft recht ansehnlich zulangte. Wem er half, den ließ er das für ihn Erlangte sodann, sehr klug, in veränderter Gestalt irgend wo, wie zufällig, finden; damit derselbe nicht durch sein Geschenk in Verdacht geriethe. Zuweilen trat er, bei Hellem Tage, mit seinen Gesellen in ein reiches Haus, wo er wußte daß eben ein erwuchertes Sümmchen lag, schloß die Thüren und bat sich das Sümmchen zu guten Zwecken aus, und wer ihm dieses nicht sogleich herbeischaffte, ward weder geknebelt noch gefoltert, sondern auf ein mitgebrachtes Leder gelegt und von den lustigen Gesellen so lange geprellt, bis er, des lästigen Spieles überdrüssig, Ungernes gern that und Alles bewilligte. Von dieser Art des Geldeintreibens ward Checco „der Preller“ genannt; und wahr ist es, seine Leute verstanden das Prellen gut, sie brachen Niemandem die Rippen und vertheilten die blauen Flecken, mit Ansehen der Person, ziemlich gleichmäßig auf dem Leibe ihrer lebendigen Spielbälle. Daß dieses Treiben böser Art sei, glaubte keiner von ihnen. Alle waren jung und rüstig und immer bereit zu den tausend Schwänken, die Checco sich ausfand, diesen oder jenen Streich nachdrücklich durchzuführen. Sie bildeten zusammen gleichsam eine lustige Vehme und ließen zuweilen Prügel regnen auf
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Zitationshilfe: | Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/33>, abgerufen am 16.07.2024. |