Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und der schwere Sack mit Erdäpfeln dazu, mit dem sie nicht hat fort können! Wo soll ihr das auch herkommen? Ist sie denn das gewöhnt? Gewöhnt soll's sie auch noch fein? entgegnete drauf Josseph mit einem bitteren Beigeschmack von Hohn. Hat sie's denn anders gewollt? Sie hat ja müssen eine Bäuerin werden! Hast du sie dazu gezwungen, daß sie aufs Feld hinaus muß, daß sie ganze Tage dort stehen und graben und ackern muß, wenn auch die Sonn' vom Himmel herunter brennt, daß sie darüber könnt' vergehen? Ihr Mann, der Bauer, sitzt im Wirthshaus und spielt und trinkt, kann sie was Besseres thun, als Erdäpfel aus dem Feld graben, damit sie und ihre Kinder nicht verhungern? Sie hat ja den Kuchen nicht gewollt, den sie im Vaterhaus hätt' haben können -- soll sie Erdäpfel essen. -- Dafür straft sie -- -- Gott, willst du sagen, sprach die alte Frau kopfschüttelnd, misch da Gott nicht hinein; ich weiß nicht, was Gott dazu sagt, daß du als ihr Bruder so redst. Du bist ja doch ihr Bruder. Eine bange Stille folgte diesem schmerzlichen Ausrufe, wie sie Ausbrüchen verhaltener Wuth voranzugehen pflegt. Mamme, rief Josseph mit geballter Faust, wenn du nur das eine Wort nicht in den Mund nehmen möch'st, ihr Bruder! und sie meine Schwester! Wenn ich im Grab werde liegen und die Würmer werden an und der schwere Sack mit Erdäpfeln dazu, mit dem sie nicht hat fort können! Wo soll ihr das auch herkommen? Ist sie denn das gewöhnt? Gewöhnt soll's sie auch noch fein? entgegnete drauf Josseph mit einem bitteren Beigeschmack von Hohn. Hat sie's denn anders gewollt? Sie hat ja müssen eine Bäuerin werden! Hast du sie dazu gezwungen, daß sie aufs Feld hinaus muß, daß sie ganze Tage dort stehen und graben und ackern muß, wenn auch die Sonn' vom Himmel herunter brennt, daß sie darüber könnt' vergehen? Ihr Mann, der Bauer, sitzt im Wirthshaus und spielt und trinkt, kann sie was Besseres thun, als Erdäpfel aus dem Feld graben, damit sie und ihre Kinder nicht verhungern? Sie hat ja den Kuchen nicht gewollt, den sie im Vaterhaus hätt' haben können — soll sie Erdäpfel essen. — Dafür straft sie — — Gott, willst du sagen, sprach die alte Frau kopfschüttelnd, misch da Gott nicht hinein; ich weiß nicht, was Gott dazu sagt, daß du als ihr Bruder so redst. Du bist ja doch ihr Bruder. Eine bange Stille folgte diesem schmerzlichen Ausrufe, wie sie Ausbrüchen verhaltener Wuth voranzugehen pflegt. Mamme, rief Josseph mit geballter Faust, wenn du nur das eine Wort nicht in den Mund nehmen möch'st, ihr Bruder! und sie meine Schwester! Wenn ich im Grab werde liegen und die Würmer werden an <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0025"/> und der schwere Sack mit Erdäpfeln dazu, mit dem sie nicht hat fort können! Wo soll ihr das auch herkommen? Ist sie denn das gewöhnt?</p><lb/> <p>Gewöhnt soll's sie auch noch fein? entgegnete drauf Josseph mit einem bitteren Beigeschmack von Hohn. Hat sie's denn anders gewollt? Sie hat ja müssen eine Bäuerin werden! Hast du sie dazu gezwungen, daß sie aufs Feld hinaus muß, daß sie ganze Tage dort stehen und graben und ackern muß, wenn auch die Sonn' vom Himmel herunter brennt, daß sie darüber könnt' vergehen? Ihr Mann, der Bauer, sitzt im Wirthshaus und spielt und trinkt, kann sie was Besseres thun, als Erdäpfel aus dem Feld graben, damit sie und ihre Kinder nicht verhungern? Sie hat ja den Kuchen nicht gewollt, den sie im Vaterhaus hätt' haben können — soll sie Erdäpfel essen. — Dafür straft sie — —</p><lb/> <p>Gott, willst du sagen, sprach die alte Frau kopfschüttelnd, misch da Gott nicht hinein; ich weiß nicht, was Gott dazu sagt, daß du als ihr Bruder so redst. Du bist ja doch ihr Bruder.</p><lb/> <p>Eine bange Stille folgte diesem schmerzlichen Ausrufe, wie sie Ausbrüchen verhaltener Wuth voranzugehen pflegt.</p><lb/> <p>Mamme, rief Josseph mit geballter Faust, wenn du nur das eine Wort nicht in den Mund nehmen möch'st, ihr Bruder! und sie meine Schwester! Wenn ich im Grab werde liegen und die Würmer werden an<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
und der schwere Sack mit Erdäpfeln dazu, mit dem sie nicht hat fort können! Wo soll ihr das auch herkommen? Ist sie denn das gewöhnt?
Gewöhnt soll's sie auch noch fein? entgegnete drauf Josseph mit einem bitteren Beigeschmack von Hohn. Hat sie's denn anders gewollt? Sie hat ja müssen eine Bäuerin werden! Hast du sie dazu gezwungen, daß sie aufs Feld hinaus muß, daß sie ganze Tage dort stehen und graben und ackern muß, wenn auch die Sonn' vom Himmel herunter brennt, daß sie darüber könnt' vergehen? Ihr Mann, der Bauer, sitzt im Wirthshaus und spielt und trinkt, kann sie was Besseres thun, als Erdäpfel aus dem Feld graben, damit sie und ihre Kinder nicht verhungern? Sie hat ja den Kuchen nicht gewollt, den sie im Vaterhaus hätt' haben können — soll sie Erdäpfel essen. — Dafür straft sie — —
Gott, willst du sagen, sprach die alte Frau kopfschüttelnd, misch da Gott nicht hinein; ich weiß nicht, was Gott dazu sagt, daß du als ihr Bruder so redst. Du bist ja doch ihr Bruder.
Eine bange Stille folgte diesem schmerzlichen Ausrufe, wie sie Ausbrüchen verhaltener Wuth voranzugehen pflegt.
Mamme, rief Josseph mit geballter Faust, wenn du nur das eine Wort nicht in den Mund nehmen möch'st, ihr Bruder! und sie meine Schwester! Wenn ich im Grab werde liegen und die Würmer werden an
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T13:25:39Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |