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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schrecken fast umgefallen und hat geschrieen und gejammert. Dein Urdede aber, der dabei gestanden ist, hat gelacht und gesagt: Narrele, was schreist du da und jammerst? Ist dir ein Haus eingefallen? Nicht sollt'st du wissen, was man Alles thun darf...

Das Antlitz der Großmutter hatte in diesem Augenblicke einen eigenthümlichen Ausdruck; man hätte es verklärt genannt, sie wollte weiter sprechen, doch die Stimme versagte. Auf den Knaben hatten die letzten Worte offenbar einen tiefen Eindruck gemacht, wiewohl ihm das rechte Verständniß abging. Die Großmutter hatte ihm nach Art alter Leute ein Geheimniß anvertraut, dessen innerster Kern und Wurzeln in ihren eigenen Kindertagen lagen. Warum sollte sie, die Hochergraute, Grabumfangene, es ihm nicht anvertrauen? Gab es oder giebt es eine Kluft zwischen dem hohen Alter und der blühenden Kindlichkeit? Sie beide reichen sich die Hand hinüber und fassen sich und schütten ihre Seelen in einander, daß sie zusammenklingen in einen Ton, in einen Glauben, in ein Märchen! Gebt im Hause Acht, wo alte Leute einhergehen! Das kleinste Kind weiß um ihre Heimlichkeiten und ihre Geheimnisse; Vater und Mutter müssen sich erst bei ihm erkundigen und errathen spät, was in der Seele des Kleinsten im Hause schon längst als trauliches Pfand verborgen liegt.

Darum auch fuhr die alte Frau so erschrocken zu-

Schrecken fast umgefallen und hat geschrieen und gejammert. Dein Urdede aber, der dabei gestanden ist, hat gelacht und gesagt: Narrele, was schreist du da und jammerst? Ist dir ein Haus eingefallen? Nicht sollt'st du wissen, was man Alles thun darf...

Das Antlitz der Großmutter hatte in diesem Augenblicke einen eigenthümlichen Ausdruck; man hätte es verklärt genannt, sie wollte weiter sprechen, doch die Stimme versagte. Auf den Knaben hatten die letzten Worte offenbar einen tiefen Eindruck gemacht, wiewohl ihm das rechte Verständniß abging. Die Großmutter hatte ihm nach Art alter Leute ein Geheimniß anvertraut, dessen innerster Kern und Wurzeln in ihren eigenen Kindertagen lagen. Warum sollte sie, die Hochergraute, Grabumfangene, es ihm nicht anvertrauen? Gab es oder giebt es eine Kluft zwischen dem hohen Alter und der blühenden Kindlichkeit? Sie beide reichen sich die Hand hinüber und fassen sich und schütten ihre Seelen in einander, daß sie zusammenklingen in einen Ton, in einen Glauben, in ein Märchen! Gebt im Hause Acht, wo alte Leute einhergehen! Das kleinste Kind weiß um ihre Heimlichkeiten und ihre Geheimnisse; Vater und Mutter müssen sich erst bei ihm erkundigen und errathen spät, was in der Seele des Kleinsten im Hause schon längst als trauliches Pfand verborgen liegt.

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[0018] Schrecken fast umgefallen und hat geschrieen und gejammert. Dein Urdede aber, der dabei gestanden ist, hat gelacht und gesagt: Narrele, was schreist du da und jammerst? Ist dir ein Haus eingefallen? Nicht sollt'st du wissen, was man Alles thun darf... Das Antlitz der Großmutter hatte in diesem Augenblicke einen eigenthümlichen Ausdruck; man hätte es verklärt genannt, sie wollte weiter sprechen, doch die Stimme versagte. Auf den Knaben hatten die letzten Worte offenbar einen tiefen Eindruck gemacht, wiewohl ihm das rechte Verständniß abging. Die Großmutter hatte ihm nach Art alter Leute ein Geheimniß anvertraut, dessen innerster Kern und Wurzeln in ihren eigenen Kindertagen lagen. Warum sollte sie, die Hochergraute, Grabumfangene, es ihm nicht anvertrauen? Gab es oder giebt es eine Kluft zwischen dem hohen Alter und der blühenden Kindlichkeit? Sie beide reichen sich die Hand hinüber und fassen sich und schütten ihre Seelen in einander, daß sie zusammenklingen in einen Ton, in einen Glauben, in ein Märchen! Gebt im Hause Acht, wo alte Leute einhergehen! Das kleinste Kind weiß um ihre Heimlichkeiten und ihre Geheimnisse; Vater und Mutter müssen sich erst bei ihm erkundigen und errathen spät, was in der Seele des Kleinsten im Hause schon längst als trauliches Pfand verborgen liegt. Darum auch fuhr die alte Frau so erschrocken zu-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/18>, abgerufen am 23.11.2024.