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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Büchern, die dein Urdede in seinem dreißigsten Lebensjahre hat geschrieben?

Das Kind fragte nicht, aber sein Schweigen und die geschlossenen Lippen verriethen mehr.

Meine Mutter, was seine Tochter war, hat mir's einmal erzählt. An einem Erew Jom Kippur*) ist draußen vor der Schul' ein großes Feuer angemacht worden, das Holz dazu hat man von den Leuten zusammengetragen, und dadrauf hat man die Bücher verbrannt.

Verbrannt? schrie der Knabe mit gellender Stimme.

Still, still, rief die alte Frau erschrocken, und sah sich Minuten lang um, du bist noch nicht fertig. Währenddem man hat die Bücher verbrannt, ist dein Urdede drin in der Schule auf der bloßen Erd gelegen, neben ihm ist der Schames (Schuldiener) gestanden und hat ihm mit einem ledernen Riemen vierzig Hieb' auf den nackten Rücken geschlagen. Meine Mutter, die seine Tochter ist gewesen, hat mir noch weiter erzählt; wie Alles fertig war, haben ihm die Leut' ins Gesicht gespieen.

Gespieen, Babe? rief der Knabe mit Entrüstung, das thut man ja keinem Hund!

Daher weiß Gott der Lebendige, sagte die alte Frau, wie sie einen Menschen, der zehn Bücher hat geschrieben, haben anspeien können wie einen Hund;

*) Vorabend des Versöhnungstages.

Büchern, die dein Urdede in seinem dreißigsten Lebensjahre hat geschrieben?

Das Kind fragte nicht, aber sein Schweigen und die geschlossenen Lippen verriethen mehr.

Meine Mutter, was seine Tochter war, hat mir's einmal erzählt. An einem Erew Jom Kippur*) ist draußen vor der Schul' ein großes Feuer angemacht worden, das Holz dazu hat man von den Leuten zusammengetragen, und dadrauf hat man die Bücher verbrannt.

Verbrannt? schrie der Knabe mit gellender Stimme.

Still, still, rief die alte Frau erschrocken, und sah sich Minuten lang um, du bist noch nicht fertig. Währenddem man hat die Bücher verbrannt, ist dein Urdede drin in der Schule auf der bloßen Erd gelegen, neben ihm ist der Schames (Schuldiener) gestanden und hat ihm mit einem ledernen Riemen vierzig Hieb' auf den nackten Rücken geschlagen. Meine Mutter, die seine Tochter ist gewesen, hat mir noch weiter erzählt; wie Alles fertig war, haben ihm die Leut' ins Gesicht gespieen.

Gespieen, Babe? rief der Knabe mit Entrüstung, das thut man ja keinem Hund!

Daher weiß Gott der Lebendige, sagte die alte Frau, wie sie einen Menschen, der zehn Bücher hat geschrieben, haben anspeien können wie einen Hund;

*) Vorabend des Versöhnungstages.
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[0016] Büchern, die dein Urdede in seinem dreißigsten Lebensjahre hat geschrieben? Das Kind fragte nicht, aber sein Schweigen und die geschlossenen Lippen verriethen mehr. Meine Mutter, was seine Tochter war, hat mir's einmal erzählt. An einem Erew Jom Kippur *) ist draußen vor der Schul' ein großes Feuer angemacht worden, das Holz dazu hat man von den Leuten zusammengetragen, und dadrauf hat man die Bücher verbrannt. Verbrannt? schrie der Knabe mit gellender Stimme. Still, still, rief die alte Frau erschrocken, und sah sich Minuten lang um, du bist noch nicht fertig. Währenddem man hat die Bücher verbrannt, ist dein Urdede drin in der Schule auf der bloßen Erd gelegen, neben ihm ist der Schames (Schuldiener) gestanden und hat ihm mit einem ledernen Riemen vierzig Hieb' auf den nackten Rücken geschlagen. Meine Mutter, die seine Tochter ist gewesen, hat mir noch weiter erzählt; wie Alles fertig war, haben ihm die Leut' ins Gesicht gespieen. Gespieen, Babe? rief der Knabe mit Entrüstung, das thut man ja keinem Hund! Daher weiß Gott der Lebendige, sagte die alte Frau, wie sie einen Menschen, der zehn Bücher hat geschrieben, haben anspeien können wie einen Hund; *) Vorabend des Versöhnungstages.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/16>, abgerufen am 24.11.2024.