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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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willst du haben, wenn's Gott nicht will? In der Gemera steht's, und was in der steht, das ist Wahrheit. Frag alle Rabbiner in der Welt, was werden sie dir für eine Antwort geben?

Ein eigenthümlicher Gedankengang schien jetzt den Kopf der alten Frau zu durchziehen. Als sie den Knaben so still und nachdenkend an ihrer Seite sitzen sah, zuckte aus ihren braunen, fast jung gebliebenen Augen ein Strahl, der aus einer anderen Welt zu stammen schien; auch überkam es den Knaben gar seltsam, als sie im Tone eines tiefen, nur zwei Menschenherzen angehörigen Geheimnisses zu sprechen begann:

Hast du dir das Bild von deinem Urdede, wie er drin über meinem Bette hängt, schon gut angesehen? Wie du ihn ansiehst, hat der schon in seinem dreißigsten Jahre über zehn Bücher gehabt geschrieben, Gott der Lebendige weiß, was da drin Alles ist gestanden. Ich seh' ihn noch vor mir, wie wenn's heut wär; er war ein gewaltig großer Mann, und hat Tag und Nacht gelernt; getragen hat er ein dreieckig Hütel, und darunter sind die schwarzen Haar in Locken hervorgegangen, du kannst dir nicht denken, was das für ein Frommer und Gelehrter ist gewesen. Und doch, und doch --

Der Knabe rückte näher, die Augen unverwandt auf die Großmutter gerichtet.

Soll ich dir sagen, was geschehen ist mit den zehn

willst du haben, wenn's Gott nicht will? In der Gemera steht's, und was in der steht, das ist Wahrheit. Frag alle Rabbiner in der Welt, was werden sie dir für eine Antwort geben?

Ein eigenthümlicher Gedankengang schien jetzt den Kopf der alten Frau zu durchziehen. Als sie den Knaben so still und nachdenkend an ihrer Seite sitzen sah, zuckte aus ihren braunen, fast jung gebliebenen Augen ein Strahl, der aus einer anderen Welt zu stammen schien; auch überkam es den Knaben gar seltsam, als sie im Tone eines tiefen, nur zwei Menschenherzen angehörigen Geheimnisses zu sprechen begann:

Hast du dir das Bild von deinem Urdede, wie er drin über meinem Bette hängt, schon gut angesehen? Wie du ihn ansiehst, hat der schon in seinem dreißigsten Jahre über zehn Bücher gehabt geschrieben, Gott der Lebendige weiß, was da drin Alles ist gestanden. Ich seh' ihn noch vor mir, wie wenn's heut wär; er war ein gewaltig großer Mann, und hat Tag und Nacht gelernt; getragen hat er ein dreieckig Hütel, und darunter sind die schwarzen Haar in Locken hervorgegangen, du kannst dir nicht denken, was das für ein Frommer und Gelehrter ist gewesen. Und doch, und doch —

Der Knabe rückte näher, die Augen unverwandt auf die Großmutter gerichtet.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/15>, abgerufen am 22.11.2024.