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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Was stellst du an, Fischele? rief erschrocken die Großmutter, indem sie sich umsonst bemühte, sich vom Platz zu erheben und ihrem Enkel den Kranz zu entreißen.

Babe, was willst du denn? meinte er verwundert.

Nicht schmecken sollst du dazu, schrie sie mit einiger Anstrengung, am heiligen Schabbes hat sie des Bauers Sohn draußen abgebrochen auf dem Felde; welches Jüdenkind wird hingehen und wird dazu schmecken? Hast du vergessen, wer dein Vater, wer dein Dede (Großvater) ist gewesen? und erst dein Urdede, den du gar nicht hast gekannt?

Mit einer Art Grauen hatte sich der Knabe des schönen Kranzes entledigt, der das Unglück hatte, am heiligen Sabbat geflochten worden zu sein; weit weg hatte er ihn von sich geschleudert, als wäre ein giftiges Ungeziefer daraus hervorgeglitten, und der nächste Wagen, der des Weges daherkam, mußte mit seinen Rädern über die blauen Blüten hinweg! Gedemüthigt, mit brennenden Wangen, die an der kaum gekosteten Sünde ihre Glut entzündet hatten, stand der Enkel vor der alten Frau.

Sie aber richtete sich auf und rief ihn zu sich.

Mein lieb Kind Leben, sagte sie zu ihm und strich ihm mit der knochendürren Hand über das rothwangige Antlitz, mein lieb Kind Leben, der Mensch muß sich noch manches Andere gefallen lassen, als wegzuwerfen ein Blümele, zu dem er nicht darf schmecken. Was

Was stellst du an, Fischele? rief erschrocken die Großmutter, indem sie sich umsonst bemühte, sich vom Platz zu erheben und ihrem Enkel den Kranz zu entreißen.

Babe, was willst du denn? meinte er verwundert.

Nicht schmecken sollst du dazu, schrie sie mit einiger Anstrengung, am heiligen Schabbes hat sie des Bauers Sohn draußen abgebrochen auf dem Felde; welches Jüdenkind wird hingehen und wird dazu schmecken? Hast du vergessen, wer dein Vater, wer dein Dede (Großvater) ist gewesen? und erst dein Urdede, den du gar nicht hast gekannt?

Mit einer Art Grauen hatte sich der Knabe des schönen Kranzes entledigt, der das Unglück hatte, am heiligen Sabbat geflochten worden zu sein; weit weg hatte er ihn von sich geschleudert, als wäre ein giftiges Ungeziefer daraus hervorgeglitten, und der nächste Wagen, der des Weges daherkam, mußte mit seinen Rädern über die blauen Blüten hinweg! Gedemüthigt, mit brennenden Wangen, die an der kaum gekosteten Sünde ihre Glut entzündet hatten, stand der Enkel vor der alten Frau.

Sie aber richtete sich auf und rief ihn zu sich.

Mein lieb Kind Leben, sagte sie zu ihm und strich ihm mit der knochendürren Hand über das rothwangige Antlitz, mein lieb Kind Leben, der Mensch muß sich noch manches Andere gefallen lassen, als wegzuwerfen ein Blümele, zu dem er nicht darf schmecken. Was

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[0014] Was stellst du an, Fischele? rief erschrocken die Großmutter, indem sie sich umsonst bemühte, sich vom Platz zu erheben und ihrem Enkel den Kranz zu entreißen. Babe, was willst du denn? meinte er verwundert. Nicht schmecken sollst du dazu, schrie sie mit einiger Anstrengung, am heiligen Schabbes hat sie des Bauers Sohn draußen abgebrochen auf dem Felde; welches Jüdenkind wird hingehen und wird dazu schmecken? Hast du vergessen, wer dein Vater, wer dein Dede (Großvater) ist gewesen? und erst dein Urdede, den du gar nicht hast gekannt? Mit einer Art Grauen hatte sich der Knabe des schönen Kranzes entledigt, der das Unglück hatte, am heiligen Sabbat geflochten worden zu sein; weit weg hatte er ihn von sich geschleudert, als wäre ein giftiges Ungeziefer daraus hervorgeglitten, und der nächste Wagen, der des Weges daherkam, mußte mit seinen Rädern über die blauen Blüten hinweg! Gedemüthigt, mit brennenden Wangen, die an der kaum gekosteten Sünde ihre Glut entzündet hatten, stand der Enkel vor der alten Frau. Sie aber richtete sich auf und rief ihn zu sich. Mein lieb Kind Leben, sagte sie zu ihm und strich ihm mit der knochendürren Hand über das rothwangige Antlitz, mein lieb Kind Leben, der Mensch muß sich noch manches Andere gefallen lassen, als wegzuwerfen ein Blümele, zu dem er nicht darf schmecken. Was

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/14>, abgerufen am 22.11.2024.