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Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949.

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der Klang, sofern er Sprache, d. h. in das Gefüge ihrer Konventionen pko_016.002
eingegliedert ist, von vornherein so innig der Bedeutung verhaftet, daß pko_016.003
er von ihr überhaupt nicht völlig losgelöst werden kann, aus der bloß pko_016.004
akustischen in eine höhere Ebene des Vergeistigten aufsteigt. Darum pko_016.005
ist strenge Scheidung zwischen naturalistischer Schallnachahmung1) und pko_016.006
symbolischer Lautbedeutsamkeit2) gar nicht möglich. Auch besteht nur pko_016.007
selten oder niemals materielle Identität zwischen dem Gehörseindruck pko_016.008
und seiner klanglichen Wiedergabe3), immer jedoch eine ideelle Entsprechung; pko_016.009
und solche sekundäre Beziehungstreue (wie sie z. B. auch in pko_016.010
dem Verhältnis von Musik und Notenschrift, Fieber und Fieberkurve obwaltet), pko_016.011
scheint erst recht dort auf, wo die Sprache durch ihre Schälle pko_016.012
Phänomene anderer Sinnesbereiche symbolisiert: in dem Worte Zickzack pko_016.013
etwa ist das klangliche Widerspiel der silbentragenden Selbstlaute pko_016.014
gleichförmig der gebrochenen Linie des Blitzes, dem torkelnden Gang pko_016.015
des Betrunkenen, -- kann demnach beides veranschaulichen. Alle Lautmalerei pko_016.016
ist eben akustische Metapher, die sich besonders oft und stark pko_016.017
Dichtern von hoher sprachmusikalischer Begabung aufdrängt. [Annotation]

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3. Emphase

(vom griech. emphainein "anschaulich machen"), nachdrücklicher pko_016.019
Ausdruck. Das aufgewühlte Gemüt des Dichters -- wie pko_016.020
übrigens jedes im Affekt befindlichen Sprechers -- begnügt sich nicht pko_016.021
mit dem schlichten Ausdruck des Gemeinten, sondern gibt diesem Nachdruck pko_016.022
durch Umsetzung einer bloßen Aussage in die lebhafteren Formen pko_016.023
der Rede: in Ausruf oder Frage oder erregtes Stammeln. Emphase pko_016.024
liegt schon vor, wenn ein Wort im prägnanten (d. i. trächtigen) Sinne pko_016.025
gebraucht, also sein in der Alltagsrede schon verblaßter Ursinn wieder pko_016.026
aufgefrischt wird; "sei ein Mann!", zu einem vollerwachsenen Menschen pko_016.027
gesagt, bedeutet: sei ein wirklicher Mann, mit allen den Eigenschaften, pko_016.028
die den Mann vom Kinde, vom Weibe, vom Greise unterscheiden. Eine pko_016.029
Rede von stärkster Emphase ist der berühmte Satz Cäsars: "ich kam, pko_016.030
sah, siegte". Emphatisch ist jeder Ausruf, in dem sich eine Fülle von

1) pko_016.031
So wenn Ovid (Metamorphosen VI, 376) das Quaken der Frösche hören lassen pko_016.032
will: Quamvis sunt sub aqua, sub aqua maledicere temptant (was Voß so wiedergibt: pko_016.033
Ob sie die Flut auch bedeckt, auch bedeckt noch schimpfen sie kecklich).
2) pko_016.034
So wenn Ovid (Metamorphosen I, 315) durch Häufung des a-Lauts die Vorstellung pko_016.035
weit gedehnter Fläche hervorrufen will: Pars maris et latus subitarum pko_016.036
campus aquarum (Meerteil und breites Gefild der plötzlich bereiten Gewässer).
3) pko_016.037
Der Kuckuck z. B. ruft weder ein k noch ein u, sondern flötet zwei gleichgeartete pko_016.038
Töne, von denen der erste eine Terz höher liegt als der zweite; erst pko_016.039
die subjektive Klangphantasie des Hörers legt dem Kuckucksruf besondere Laute pko_016.040
der menschlichen Rede (in verschiedenen Sprachen mehr oder weniger verschiedene) pko_016.041
unter.

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der Klang, sofern er Sprache, d. h. in das Gefüge ihrer Konventionen pko_016.002
eingegliedert ist, von vornherein so innig der Bedeutung verhaftet, daß pko_016.003
er von ihr überhaupt nicht völlig losgelöst werden kann, aus der bloß pko_016.004
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ist strenge Scheidung zwischen naturalistischer Schallnachahmung1) und pko_016.006
symbolischer Lautbedeutsamkeit2) gar nicht möglich. Auch besteht nur pko_016.007
selten oder niemals materielle Identität zwischen dem Gehörseindruck pko_016.008
und seiner klanglichen Wiedergabe3), immer jedoch eine ideelle Entsprechung; pko_016.009
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dem Verhältnis von Musik und Notenschrift, Fieber und Fieberkurve obwaltet), pko_016.011
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Phänomene anderer Sinnesbereiche symbolisiert: in dem Worte Zickzack pko_016.013
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Dichtern von hoher sprachmusikalischer Begabung aufdrängt. [Annotation]

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3. Empháse

(vom griech. emphaínein „anschaulich machen“), nachdrücklicher pko_016.019
Ausdruck. Das aufgewühlte Gemüt des Dichters — wie pko_016.020
übrigens jedes im Affekt befindlichen Sprechers — begnügt sich nicht pko_016.021
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1) pko_016.031
So wenn Ovid (Metamorphosen VI, 376) das Quaken der Frösche hören lassen pko_016.032
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weit gedehnter Fläche hervorrufen will: Pars maris et latus subitarum pko_016.036
campus aquarum (Meerteil und breites Gefild der plötzlich bereiten Gewässer).
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Der Kuckuck z. B. ruft weder ein k noch ein u, sondern flötet zwei gleichgeartete pko_016.038
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[16/0020] pko_016.001 der Klang, sofern er Sprache, d. h. in das Gefüge ihrer Konventionen pko_016.002 eingegliedert ist, von vornherein so innig der Bedeutung verhaftet, daß pko_016.003 er von ihr überhaupt nicht völlig losgelöst werden kann, aus der bloß pko_016.004 akustischen in eine höhere Ebene des Vergeistigten aufsteigt. Darum pko_016.005 ist strenge Scheidung zwischen naturalistischer Schallnachahmung 1) und pko_016.006 symbolischer Lautbedeutsamkeit 2) gar nicht möglich. Auch besteht nur pko_016.007 selten oder niemals materielle Identität zwischen dem Gehörseindruck pko_016.008 und seiner klanglichen Wiedergabe 3), immer jedoch eine ideelle Entsprechung; pko_016.009 und solche sekundäre Beziehungstreue (wie sie z. B. auch in pko_016.010 dem Verhältnis von Musik und Notenschrift, Fieber und Fieberkurve obwaltet), pko_016.011 scheint erst recht dort auf, wo die Sprache durch ihre Schälle pko_016.012 Phänomene anderer Sinnesbereiche symbolisiert: in dem Worte Zickzack pko_016.013 etwa ist das klangliche Widerspiel der silbentragenden Selbstlaute pko_016.014 gleichförmig der gebrochenen Linie des Blitzes, dem torkelnden Gang pko_016.015 des Betrunkenen, — kann demnach beides veranschaulichen. Alle Lautmalerei pko_016.016 ist eben akustische Metapher, die sich besonders oft und stark pko_016.017 Dichtern von hoher sprachmusikalischer Begabung aufdrängt. pko_016.018 3. Empháse (vom griech. emphaínein „anschaulich machen“), nachdrücklicher pko_016.019 Ausdruck. Das aufgewühlte Gemüt des Dichters — wie pko_016.020 übrigens jedes im Affekt befindlichen Sprechers — begnügt sich nicht pko_016.021 mit dem schlichten Ausdruck des Gemeinten, sondern gibt diesem Nachdruck pko_016.022 durch Umsetzung einer bloßen Aussage in die lebhafteren Formen pko_016.023 der Rede: in Ausruf oder Frage oder erregtes Stammeln. Emphase pko_016.024 liegt schon vor, wenn ein Wort im prägnanten (d. i. trächtigen) Sinne pko_016.025 gebraucht, also sein in der Alltagsrede schon verblaßter Ursinn wieder pko_016.026 aufgefrischt wird; „sei ein Mann!“, zu einem vollerwachsenen Menschen pko_016.027 gesagt, bedeutet: sei ein wirklicher Mann, mit allen den Eigenschaften, pko_016.028 die den Mann vom Kinde, vom Weibe, vom Greise unterscheiden. Eine pko_016.029 Rede von stärkster Emphase ist der berühmte Satz Cäsars: „ich kam, pko_016.030 sah, siegte“. Emphatisch ist jeder Ausruf, in dem sich eine Fülle von 1) pko_016.031 So wenn Ovid (Metamorphosen VI, 376) das Quaken der Frösche hören lassen pko_016.032 will: Quamvis sunt sub aqua, sub aqua maledicere temptant (was Voß so wiedergibt: pko_016.033 Ob sie die Flut auch bedeckt, auch bedeckt noch schimpfen sie kecklich). 2) pko_016.034 So wenn Ovid (Metamorphosen I, 315) durch Häufung des a-Lauts die Vorstellung pko_016.035 weit gedehnter Fläche hervorrufen will: Pars maris et latus subitarum pko_016.036 campus aquarum (Meerteil und breites Gefild der plötzlich bereiten Gewässer). 3) pko_016.037 Der Kuckuck z. B. ruft weder ein k noch ein u, sondern flötet zwei gleichgeartete pko_016.038 Töne, von denen der erste eine Terz höher liegt als der zweite; erst pko_016.039 die subjektive Klangphantasie des Hörers legt dem Kuckucksruf besondere Laute pko_016.040 der menschlichen Rede (in verschiedenen Sprachen mehr oder weniger verschiedene) pko_016.041 unter.

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Zitationshilfe: Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koerner_poetik_1949/20>, abgerufen am 23.11.2024.