Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949.pko_011.001 pko_011.010 b) so bezeichnet werden, daß der übliche ("eigentliche") Ausdruck in pko_011.011 ist das Universum und damit die Sprache bei Wolfram von pko_011.016 Eschenbach verrittert, [Annotation] bei J. P. Hebel verbauert, [Annotation] bei erotischen Poeten pko_011.017 sexualisiert. [Annotation] Beispiele: "Pfeil der Sonne" [Annotation] (= Sonnenstrahl, aus dem pko_011.018 Physikalischen ins Militärische transponiert); [Annotation] "die Mäuslein (= Kindlein), pko_011.019 sie lächeln, im Stillen ergötzt"; [Annotation] "die Klippe, die schroff und steil / pko_011.020 Hinaushängt (= hinausragt) in die unendliche See"; [Annotation] "der entsetzliche pko_011.021 Hai, des Meeres Hyäne". [Annotation] Die Rede des Alltags ist voll von Metaphern, [Annotation] pko_011.022 ob wir nun von einem kalten, harten oder trägen Herzen reden oder pko_011.023 von weichem Gemüt, vom Schweigen des Waldes, von der Heiterkeit pko_011.024 des Himmels, oder ob die Börse verzeichnet, daß der Weizen steigt, daß pko_011.025 die Aktien fallen, daß Schafwolle anzieht; eine Metapher ist es sogar, pko_011.026 daß die Börse überhaupt etwas "verzeichnet". [Annotation] pko_011.027 3. Vergleich und Gleichnis. Die Metapher sucht für einen angeschauten pko_011.028 Der Vergleichungspunkt, d. h. jenes Merkmal, das Vergleich und Verglichenes pko_011.032 gemeinsam haben, heißt tertium comparationis. Beispiele: "Rot pko_011.033 (Vergleichungspunkt) wie Blut (Vergleich) ist der Himmel (Verglichenes)". pko_011.034 pko_011.035 1) pko_011.037
Daher kann durch leiseste Verrückung die eine in die andre Figur verwandelt pko_011.038 werden: "Haare wie Gold" (Vergleich); "das Gold ihres Hauptes" (Metapher). pko_011.001 pko_011.010 β) so bezeichnet werden, daß der übliche („eigentliche“) Ausdruck in pko_011.011 ist das Universum und damit die Sprache bei Wolfram von pko_011.016 Eschenbach verrittert, [Annotation] bei J. P. Hebel verbauert, [Annotation] bei erotischen Poeten pko_011.017 sexualisiert. [Annotation] Beispiele: „Pfeil der Sonne“ [Annotation] (= Sonnenstrahl, aus dem pko_011.018 Physikalischen ins Militärische transponiert); [Annotation] „die Mäuslein (= Kindlein), pko_011.019 sie lächeln, im Stillen ergötzt“; [Annotation] „die Klippe, die schroff und steil / pko_011.020 Hinaushängt (= hinausragt) in die unendliche See“; [Annotation] „der entsetzliche pko_011.021 Hai, des Meeres Hyäne“. [Annotation] Die Rede des Alltags ist voll von Metaphern, [Annotation] pko_011.022 ob wir nun von einem kalten, harten oder trägen Herzen reden oder pko_011.023 von weichem Gemüt, vom Schweigen des Waldes, von der Heiterkeit pko_011.024 des Himmels, oder ob die Börse verzeichnet, daß der Weizen steigt, daß pko_011.025 die Aktien fallen, daß Schafwolle anzieht; eine Metapher ist es sogar, pko_011.026 daß die Börse überhaupt etwas „verzeichnet“. [Annotation] pko_011.027 3. Vergleich und Gleichnis. Die Metapher sucht für einen angeschauten pko_011.028 Der Vergleichungspunkt, d. h. jenes Merkmal, das Vergleich und Verglichenes pko_011.032 gemeinsam haben, heißt tertium comparationis. Beispiele: „Rot pko_011.033 (Vergleichungspunkt) wie Blut (Vergleich) ist der Himmel (Verglichenes)“. pko_011.034 pko_011.035 1) pko_011.037
Daher kann durch leiseste Verrückung die eine in die andre Figur verwandelt pko_011.038 werden: „Haare wie Gold“ (Vergleich); „das Gold ihres Hauptes“ (Metapher). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0015" n="11"/><lb n="pko_011.001"/> Lande (= die Bewohner aller Länder) kamen in Aegypten zu kaufen <lb n="pko_011.002"/> bei Joseph“; „Jahrhunderte (= die Menschen mehrerer Jahrhunderte) <lb n="pko_011.003"/> harrten vergebens“; „ich lese Schiller“ (= Schillers Werke); „Zum <lb n="pko_011.004"/> Kampf der Wagen und Gesänge“ (= der Wagenlenker und Dichter); <lb n="pko_011.005"/> „und flehen um ein wirtlich Dach“ (= Unterkunft, Wohnung, Haus); <lb n="pko_011.006"/> „den eine Mörderhand (= Mörder) erschlug“. Auch die anspruchloseste <lb n="pko_011.007"/> Alltagsrede enthält Metonymien: „keine Hand (= kein Mensch) rührt <lb n="pko_011.008"/> sich“; „die ganze Klasse (= alle Schüler der Klasse) steht auf“; „es blieb <lb n="pko_011.009"/> ihm von seinem ganzen Vermögen kein Pfennig“ (= kein Geld, nichts).</p> </div> <div n="6"> <lb n="pko_011.010"/> <head><foreign xml:lang="grc">β</foreign>)</head> <p><anchor xml:id="ko005"/> so bezeichnet werden, daß der übliche („eigentliche“) Ausdruck in <lb n="pko_011.011"/> eine andere Anschauungssphäre verschoben wird, dabei aber seine Gestaltqualität <lb n="pko_011.012"/> (Bildstruktur) beibehält; der Gegenstand wird in den <lb n="pko_011.013"/> dem Dichter jeweils besonders nahen Umwelt- oder Gedankenkreis <lb n="pko_011.014"/> gezogen und von hier aus neu benannt. Man nennt das <hi rendition="#i">Metápher.</hi> <anchor xml:id="ko006"/> <note targetEnd="#ko006" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-1-3 #m1-8-1-3 #m1-9-2" target="#ko005"/> <anchor xml:id="ko007"/> Dergestalt <lb n="pko_011.015"/> ist das Universum und damit die Sprache bei Wolfram von <lb n="pko_011.016"/> Eschenbach verrittert, <anchor xml:id="ko008"/> <note targetEnd="#ko008" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-2-5 #m1-3-1-0 #m1-9-2 #m1-7-1-3" target="#ko007">Quelle/Person: Wolfram von Eschenbach</note> <anchor xml:id="ko009"/> bei J. P. Hebel verbauert, <anchor xml:id="ko010"/> <note targetEnd="#ko010" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-2-5 #m1-3-1-0 #m1-9-2 #m1-7-1-3" target="#ko009">Quelle/Person: Johann Peter Hebel</note> <anchor xml:id="ko011"/> bei erotischen Poeten <lb n="pko_011.017"/> sexualisiert. <anchor xml:id="ko012"/> <note targetEnd="#ko012" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-2-5 #m1-3-2-0 #m1-7-1-3 #m1-9-2" target="#ko011">Quelle/Personengruppe: erotische Poeten</note> <anchor xml:id="ko013"/> Beispiele: „Pfeil der Sonne“ <anchor xml:id="ko014"/> <note targetEnd="#ko014" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-2-0 #m1-5-1-5 #m1-6-1-1 #m1-7-1-3 #m1-9-2" target="#ko013">Werkannahme: Die Jungfrau von Orleans (keine genaue Ausgabe angegeben)</note> <anchor xml:id="ko015"/> (= Sonnenstrahl, aus dem <lb n="pko_011.018"/> Physikalischen ins Militärische transponiert); <anchor xml:id="ko016"/> <note targetEnd="#ko016" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-2-2-0 #m1-5-1-5 #m1-6-1-1 #m1-7-1-3 #m1-9-2" target="#ko015"> Werkannahme: Die Jungfrau von Orleans (keine genaue Ausgabe angegeben)</note> <anchor xml:id="ko017"/> „die Mäuslein (= Kindlein), <lb n="pko_011.019"/> sie lächeln, im Stillen ergötzt“; <anchor xml:id="ko018"/> <note targetEnd="#ko018" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-2-0 #m1-5-1-2 #m1-6-1-1 #m1-7-1-3 #m1-9-2" target="#ko017"> Werkannahme: Der getreue Eckart (Gedicht, keine genaue Ausgabe angegeben)</note> <anchor xml:id="ko019"/> „die Klippe, die schroff und steil / <lb n="pko_011.020"/> Hinaushängt (= hinausragt) in die unendliche See“; <anchor xml:id="ko020"/> <note targetEnd="#ko020" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-2-0 #m1-5-1-5 #m1-6-1-1 #m1-7-1-3 #m1-9-2" target="#ko019">Werkannahme: Der Taucher (Gedicht, keine genaue Ausgabe angegeben)</note> <anchor xml:id="ko021"/> „der entsetzliche <lb n="pko_011.021"/> Hai, des Meeres Hyäne“. <anchor xml:id="ko022"/> <note targetEnd="#ko022" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-2-0 #m1-5-1-5 #m1-6-1-1 #m1-7-1-3 #m1-9-2" target="#ko021"> Werkannahme: Der Taucher (Gedicht, keine genaue Ausgabe angegeben)</note> <anchor xml:id="ko023"/> Die Rede des Alltags ist voll von Metaphern, <anchor xml:id="ko024"/> <note targetEnd="#ko024" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-9-2" target="#ko023"/> <lb n="pko_011.022"/> <anchor xml:id="ko025"/> ob wir nun von einem kalten, harten oder trägen Herzen reden oder <lb n="pko_011.023"/> von weichem Gemüt, vom Schweigen des Waldes, von der Heiterkeit <lb n="pko_011.024"/> des Himmels, oder ob die Börse verzeichnet, daß der Weizen <hi rendition="#i">steigt,</hi> daß <lb n="pko_011.025"/> die Aktien <hi rendition="#i">fallen,</hi> daß Schafwolle <hi rendition="#i">anzieht;</hi> eine Metapher ist es sogar, <lb n="pko_011.026"/> daß die Börse überhaupt etwas „verzeichnet“. <anchor xml:id="ko026"/> <note targetEnd="#ko026" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-9-2" target="#ko025"/> </p> </div> </div> <div n="5"> <lb n="pko_011.027"/> <head>3. <hi rendition="#i">Vergleich und Gleichnis.</hi></head> <p><anchor xml:id="ko027"/> Die Metapher sucht für einen angeschauten <lb n="pko_011.028"/> Vorgang einen suggestiveren, also deutlicheren Ausdruck; der Vergleich <lb n="pko_011.029"/> eine verdeutlichende Analogie. Dort ist der Gegenstand in eine andere <lb n="pko_011.030"/> Sphäre verschoben, hier wird die andere Sphäre neben ihn gestellt. <anchor xml:id="ko028"/> <note targetEnd="#ko028" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-1-2 #m1-8-1-2 #m1-9-2" target="#ko027"/> <note xml:id="PKO_011_1" place="foot" n="1)"><lb n="pko_011.037"/> Daher kann durch leiseste Verrückung die eine in die andre Figur verwandelt <lb n="pko_011.038"/> werden: „Haare wie Gold“ (Vergleich); „das Gold ihres Hauptes“ (Metapher).</note> <lb n="pko_011.031"/> Der Vergleichungspunkt, d. h. jenes Merkmal, das Vergleich und Verglichenes <lb n="pko_011.032"/> gemeinsam haben, heißt <hi rendition="#i">tertium comparationis.</hi> Beispiele: „Rot <lb n="pko_011.033"/> (Vergleichungspunkt) wie Blut (Vergleich) ist der Himmel (Verglichenes)“.</p> <lb n="pko_011.034"/> <p><lb n="pko_011.035"/> Wird die Analogie-Sphäre mit Behagen ausgemalt, und zwar nicht <lb n="pko_011.036"/> bloß in den analogen Zügen, sondern auch in andern, die mit dem </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0015]
pko_011.001
Lande (= die Bewohner aller Länder) kamen in Aegypten zu kaufen pko_011.002
bei Joseph“; „Jahrhunderte (= die Menschen mehrerer Jahrhunderte) pko_011.003
harrten vergebens“; „ich lese Schiller“ (= Schillers Werke); „Zum pko_011.004
Kampf der Wagen und Gesänge“ (= der Wagenlenker und Dichter); pko_011.005
„und flehen um ein wirtlich Dach“ (= Unterkunft, Wohnung, Haus); pko_011.006
„den eine Mörderhand (= Mörder) erschlug“. Auch die anspruchloseste pko_011.007
Alltagsrede enthält Metonymien: „keine Hand (= kein Mensch) rührt pko_011.008
sich“; „die ganze Klasse (= alle Schüler der Klasse) steht auf“; „es blieb pko_011.009
ihm von seinem ganzen Vermögen kein Pfennig“ (= kein Geld, nichts).
pko_011.010
β) so bezeichnet werden, daß der übliche („eigentliche“) Ausdruck in pko_011.011
eine andere Anschauungssphäre verschoben wird, dabei aber seine Gestaltqualität pko_011.012
(Bildstruktur) beibehält; der Gegenstand wird in den pko_011.013
dem Dichter jeweils besonders nahen Umwelt- oder Gedankenkreis pko_011.014
gezogen und von hier aus neu benannt. Man nennt das Metápher. Dergestalt pko_011.015
ist das Universum und damit die Sprache bei Wolfram von pko_011.016
Eschenbach verrittert, Quelle/Person: Wolfram von Eschenbach bei J. P. Hebel verbauert, Quelle/Person: Johann Peter Hebel bei erotischen Poeten pko_011.017
sexualisiert. Quelle/Personengruppe: erotische Poeten Beispiele: „Pfeil der Sonne“ Werkannahme: Die Jungfrau von Orleans (keine genaue Ausgabe angegeben) (= Sonnenstrahl, aus dem pko_011.018
Physikalischen ins Militärische transponiert); Werkannahme: Die Jungfrau von Orleans (keine genaue Ausgabe angegeben) „die Mäuslein (= Kindlein), pko_011.019
sie lächeln, im Stillen ergötzt“; Werkannahme: Der getreue Eckart (Gedicht, keine genaue Ausgabe angegeben) „die Klippe, die schroff und steil / pko_011.020
Hinaushängt (= hinausragt) in die unendliche See“; Werkannahme: Der Taucher (Gedicht, keine genaue Ausgabe angegeben) „der entsetzliche pko_011.021
Hai, des Meeres Hyäne“. Werkannahme: Der Taucher (Gedicht, keine genaue Ausgabe angegeben) Die Rede des Alltags ist voll von Metaphern, pko_011.022
ob wir nun von einem kalten, harten oder trägen Herzen reden oder pko_011.023
von weichem Gemüt, vom Schweigen des Waldes, von der Heiterkeit pko_011.024
des Himmels, oder ob die Börse verzeichnet, daß der Weizen steigt, daß pko_011.025
die Aktien fallen, daß Schafwolle anzieht; eine Metapher ist es sogar, pko_011.026
daß die Börse überhaupt etwas „verzeichnet“.
pko_011.027
3. Vergleich und Gleichnis. Die Metapher sucht für einen angeschauten pko_011.028
Vorgang einen suggestiveren, also deutlicheren Ausdruck; der Vergleich pko_011.029
eine verdeutlichende Analogie. Dort ist der Gegenstand in eine andere pko_011.030
Sphäre verschoben, hier wird die andere Sphäre neben ihn gestellt. 1) pko_011.031
Der Vergleichungspunkt, d. h. jenes Merkmal, das Vergleich und Verglichenes pko_011.032
gemeinsam haben, heißt tertium comparationis. Beispiele: „Rot pko_011.033
(Vergleichungspunkt) wie Blut (Vergleich) ist der Himmel (Verglichenes)“.
pko_011.034
pko_011.035
Wird die Analogie-Sphäre mit Behagen ausgemalt, und zwar nicht pko_011.036
bloß in den analogen Zügen, sondern auch in andern, die mit dem
1) pko_011.037
Daher kann durch leiseste Verrückung die eine in die andre Figur verwandelt pko_011.038
werden: „Haare wie Gold“ (Vergleich); „das Gold ihres Hauptes“ (Metapher).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/koerner_poetik_1949 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/koerner_poetik_1949/15 |
Zitationshilfe: | Körner, Josef: Einführung in die Poetik. Frankfurt (Main), 1949, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koerner_poetik_1949/15>, abgerufen am 22.07.2024. |