Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Eilfte Vorlesung.
nisse etwas stört, allein dieselbe wird doch nur da in Anspruch ge-
nommen, wo der Lage der Theile nach die Leistungen der zwei epi-
thelialen Blätter sich nicht wohl entfalten konnten. Gehen wir auf
die erste Entwicklung zurück, so finden wir, dass, während das
mittlere Keimblatt und das Darmdrüsenblatt in derselben Bedeutung
wie später dastehen, das Hornblatt und die Medullarplatte aus Einer
und derselben Schicht, dem äussern Keimblatte, hervorgehen. Die-
Entwicklung der
Medullarplatte.
ses Verhalten ist so auffallend und liegt der Gedanke so nahe, dass
die Medullarplatte aus dem mittleren Keimblatte hervorgehe, das
sonst alle gefässhaltigen Theile liefert, dass es sich wohl der Mühe
lohnt, die Thatsachen genau zu prüfen und vor Allem zu fragen, ob
nicht die Medullarplatte bei ihrem Entstehen von einer Fortsetzung
des Hornblattes bekleidet sei, wie diess in der That Reichert seiner
Zeit angegeben hat. Ich habe ebenso wie Remak, der der Medullar-
platte zuerst die angegebene Entstehungsweise zuschreibt, das erste
Auftreten derselben aufs sorgfältigste verfolgt und bin hierbei
(Fig. 35) zur bestimmtesten Ueberzeugung gelangt, dass dieselbe in
[Abbildung] Fig. 35.
ihrer Totalität eine
Fortsetzung des
Hornblattes ist.

Von einer epithelialen
Auskleidung der An-
lage des Nervensystems
ist nicht nur in den ersten zwei Brüttagen durchaus nichts zu sehen,
sondern man vermisst dieselbe auch noch in späterer Zeit, wie am
4. und 5. Tage. Auch beim Frosche, auf den man besonderes Ge-
wicht gelegt hat, sind die Verhältnisse wesentlich eben so. Das
Hornblatt besteht hier aus einer äusseren braunen und einer tieferen
hellen Zellenschicht, die beide sich in die Medullarplatte fortsetzen.
Nach seiner Schliessung besteht das Medullarrohr aus zwei Schich-
ten, von denen die innere dunkle nun allerdings wie ein Epithel
erscheint, allein ich finde, wie Remak (Entw. St. 149), dass auch
diese an der Bildung der Nervensubstanz sich betheiligt. Sollte aber
[Abbildung]

Fig. 35. Querschnitt durch die Anlage eines Hühnerembryo vom Ende des
ersten Tages 90--100mal vergr. ch Chorda; uwp Urwirbelplatte mit einer
Spalte uwh, vielleicht der ersten Andeutung der spätern Höhle der Urwirbel;
sp Seitenplatten mit den Urwirbelplatten hier noch verschmolzen, dd Darmdrü-
senblatt, h Hornblatt, m Medullarplatte. Beide zusammen sind in eine starke
Falte, die Medullarwülste oder Rückenwülste erhoben, die die breite Rücken-
furche Rf begrenzen, in deren Mitte noch die Primitivrinne Pr sichtbar ist.

Eilfte Vorlesung.
nisse etwas stört, allein dieselbe wird doch nur da in Anspruch ge-
nommen, wo der Lage der Theile nach die Leistungen der zwei epi-
thelialen Blätter sich nicht wohl entfalten konnten. Gehen wir auf
die erste Entwicklung zurück, so finden wir, dass, während das
mittlere Keimblatt und das Darmdrüsenblatt in derselben Bedeutung
wie später dastehen, das Hornblatt und die Medullarplatte aus Einer
und derselben Schicht, dem äussern Keimblatte, hervorgehen. Die-
Entwicklung der
Medullarplatte.
ses Verhalten ist so auffallend und liegt der Gedanke so nahe, dass
die Medullarplatte aus dem mittleren Keimblatte hervorgehe, das
sonst alle gefässhaltigen Theile liefert, dass es sich wohl der Mühe
lohnt, die Thatsachen genau zu prüfen und vor Allem zu fragen, ob
nicht die Medullarplatte bei ihrem Entstehen von einer Fortsetzung
des Hornblattes bekleidet sei, wie diess in der That Reichert seiner
Zeit angegeben hat. Ich habe ebenso wie Remak, der der Medullar-
platte zuerst die angegebene Entstehungsweise zuschreibt, das erste
Auftreten derselben aufs sorgfältigste verfolgt und bin hierbei
(Fig. 35) zur bestimmtesten Ueberzeugung gelangt, dass dieselbe in
[Abbildung] Fig. 35.
ihrer Totalität eine
Fortsetzung des
Hornblattes ist.

Von einer epithelialen
Auskleidung der An-
lage des Nervensystems
ist nicht nur in den ersten zwei Brüttagen durchaus nichts zu sehen,
sondern man vermisst dieselbe auch noch in späterer Zeit, wie am
4. und 5. Tage. Auch beim Frosche, auf den man besonderes Ge-
wicht gelegt hat, sind die Verhältnisse wesentlich eben so. Das
Hornblatt besteht hier aus einer äusseren braunen und einer tieferen
hellen Zellenschicht, die beide sich in die Medullarplatte fortsetzen.
Nach seiner Schliessung besteht das Medullarrohr aus zwei Schich-
ten, von denen die innere dunkle nun allerdings wie ein Epithel
erscheint, allein ich finde, wie Remak (Entw. St. 149), dass auch
diese an der Bildung der Nervensubstanz sich betheiligt. Sollte aber
[Abbildung]

Fig. 35. Querschnitt durch die Anlage eines Hühnerembryo vom Ende des
ersten Tages 90—100mal vergr. ch Chorda; uwp Urwirbelplatte mit einer
Spalte uwh, vielleicht der ersten Andeutung der spätern Höhle der Urwirbel;
sp Seitenplatten mit den Urwirbelplatten hier noch verschmolzen, dd Darmdrü-
senblatt, h Hornblatt, m Medullarplatte. Beide zusammen sind in eine starke
Falte, die Medullarwülste oder Rückenwülste erhoben, die die breite Rücken-
furche Rf begrenzen, in deren Mitte noch die Primitivrinne Pr sichtbar ist.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="72"/><fw place="top" type="header">Eilfte Vorlesung.</fw><lb/>
nisse etwas stört, allein dieselbe wird doch nur da in Anspruch ge-<lb/>
nommen, wo der Lage der Theile nach die Leistungen der zwei epi-<lb/>
thelialen Blätter sich nicht wohl entfalten konnten. Gehen wir auf<lb/>
die erste Entwicklung zurück, so finden wir, dass, während das<lb/>
mittlere Keimblatt und das Darmdrüsenblatt in derselben Bedeutung<lb/>
wie später dastehen, das Hornblatt und die Medullarplatte aus Einer<lb/>
und derselben Schicht, dem äussern Keimblatte, hervorgehen. Die-<lb/><note place="left">Entwicklung der<lb/>
Medullarplatte.</note>ses Verhalten ist so auffallend und liegt der Gedanke so nahe, dass<lb/>
die Medullarplatte aus dem mittleren Keimblatte hervorgehe, das<lb/>
sonst alle gefässhaltigen Theile liefert, dass es sich wohl der Mühe<lb/>
lohnt, die Thatsachen genau zu prüfen und vor Allem zu fragen, ob<lb/>
nicht die Medullarplatte bei ihrem Entstehen von einer Fortsetzung<lb/>
des Hornblattes bekleidet sei, wie diess in der That <hi rendition="#k">Reichert</hi> seiner<lb/>
Zeit angegeben hat. Ich habe ebenso wie <hi rendition="#k">Remak</hi>, der der Medullar-<lb/>
platte zuerst die angegebene Entstehungsweise zuschreibt, das erste<lb/>
Auftreten derselben aufs sorgfältigste verfolgt und bin hierbei<lb/>
(Fig. 35) zur bestimmtesten Ueberzeugung gelangt, dass dieselbe <hi rendition="#g">in</hi><lb/><figure><head>Fig. 35.</head></figure><lb/><hi rendition="#g">ihrer Totalität</hi> eine<lb/><hi rendition="#g">Fortsetzung des<lb/>
Hornblattes ist.</hi><lb/>
Von einer epithelialen<lb/>
Auskleidung der An-<lb/>
lage des Nervensystems<lb/>
ist nicht nur in den ersten zwei Brüttagen durchaus nichts zu sehen,<lb/>
sondern man vermisst dieselbe auch noch in späterer Zeit, wie am<lb/>
4. und 5. Tage. Auch beim Frosche, auf den man besonderes Ge-<lb/>
wicht gelegt hat, sind die Verhältnisse wesentlich eben so. Das<lb/>
Hornblatt besteht hier aus einer äusseren braunen und einer tieferen<lb/>
hellen Zellenschicht, die beide sich in die Medullarplatte fortsetzen.<lb/>
Nach seiner Schliessung besteht das Medullarrohr aus zwei Schich-<lb/>
ten, von denen die innere dunkle nun allerdings wie ein Epithel<lb/>
erscheint, allein ich finde, wie <hi rendition="#k">Remak</hi> (Entw. St. 149), dass auch<lb/>
diese an der Bildung der Nervensubstanz sich betheiligt. Sollte aber<lb/><figure><p>Fig. 35. Querschnitt durch die Anlage eines Hühnerembryo vom Ende des<lb/>
ersten Tages 90&#x2014;100mal vergr. <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">ch</hi></hi> Chorda; <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">uwp</hi></hi> Urwirbelplatte mit einer<lb/>
Spalte <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">uwh</hi>,</hi> vielleicht der ersten Andeutung der spätern Höhle der Urwirbel;<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">sp</hi></hi> Seitenplatten mit den Urwirbelplatten hier noch verschmolzen, <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">dd</hi></hi> Darmdrü-<lb/>
senblatt, <hi rendition="#i">h</hi> Hornblatt, <hi rendition="#i">m</hi> Medullarplatte. Beide zusammen sind in eine starke<lb/>
Falte, die Medullarwülste oder Rückenwülste erhoben, die die breite Rücken-<lb/>
furche <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Rf</hi></hi> begrenzen, in deren Mitte noch die Primitivrinne <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Pr</hi></hi> sichtbar ist.</p></figure><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0088] Eilfte Vorlesung. nisse etwas stört, allein dieselbe wird doch nur da in Anspruch ge- nommen, wo der Lage der Theile nach die Leistungen der zwei epi- thelialen Blätter sich nicht wohl entfalten konnten. Gehen wir auf die erste Entwicklung zurück, so finden wir, dass, während das mittlere Keimblatt und das Darmdrüsenblatt in derselben Bedeutung wie später dastehen, das Hornblatt und die Medullarplatte aus Einer und derselben Schicht, dem äussern Keimblatte, hervorgehen. Die- ses Verhalten ist so auffallend und liegt der Gedanke so nahe, dass die Medullarplatte aus dem mittleren Keimblatte hervorgehe, das sonst alle gefässhaltigen Theile liefert, dass es sich wohl der Mühe lohnt, die Thatsachen genau zu prüfen und vor Allem zu fragen, ob nicht die Medullarplatte bei ihrem Entstehen von einer Fortsetzung des Hornblattes bekleidet sei, wie diess in der That Reichert seiner Zeit angegeben hat. Ich habe ebenso wie Remak, der der Medullar- platte zuerst die angegebene Entstehungsweise zuschreibt, das erste Auftreten derselben aufs sorgfältigste verfolgt und bin hierbei (Fig. 35) zur bestimmtesten Ueberzeugung gelangt, dass dieselbe in [Abbildung Fig. 35.] ihrer Totalität eine Fortsetzung des Hornblattes ist. Von einer epithelialen Auskleidung der An- lage des Nervensystems ist nicht nur in den ersten zwei Brüttagen durchaus nichts zu sehen, sondern man vermisst dieselbe auch noch in späterer Zeit, wie am 4. und 5. Tage. Auch beim Frosche, auf den man besonderes Ge- wicht gelegt hat, sind die Verhältnisse wesentlich eben so. Das Hornblatt besteht hier aus einer äusseren braunen und einer tieferen hellen Zellenschicht, die beide sich in die Medullarplatte fortsetzen. Nach seiner Schliessung besteht das Medullarrohr aus zwei Schich- ten, von denen die innere dunkle nun allerdings wie ein Epithel erscheint, allein ich finde, wie Remak (Entw. St. 149), dass auch diese an der Bildung der Nervensubstanz sich betheiligt. Sollte aber [Abbildung Fig. 35. Querschnitt durch die Anlage eines Hühnerembryo vom Ende des ersten Tages 90—100mal vergr. ch Chorda; uwp Urwirbelplatte mit einer Spalte uwh, vielleicht der ersten Andeutung der spätern Höhle der Urwirbel; sp Seitenplatten mit den Urwirbelplatten hier noch verschmolzen, dd Darmdrü- senblatt, h Hornblatt, m Medullarplatte. Beide zusammen sind in eine starke Falte, die Medullarwülste oder Rückenwülste erhoben, die die breite Rücken- furche Rf begrenzen, in deren Mitte noch die Primitivrinne Pr sichtbar ist.] Entwicklung der Medullarplatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/88
Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/88>, abgerufen am 30.04.2024.