Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Neununddreissigste Vorlesung.
ritonaei. Das Gubernaculum Hunteri ist ein Gebilde, das ursprüng-
lich dem Wolff'schen Körper angehört (s. Fig. 215) und von seinem
Ausführungsgange gerade abwärts zur Leistengegend sich erstreckt.
So wie der Hoden entstanden und etwas mehr entwickelt ist, besitzt
derselbe, wie Sie schon erfahren haben, einen Bauchfellüberzug und
ein niedriges Gekröse, Mesorchium, und von diesem aus zieht sich
dann eine Verlängerung theils aufwärts (Fig. 215), theils abwärts bis
zu der Stelle des Urnierenganges, an den sein Leistenband sich an-
heftet. Mit dem Schwinden und der Metamorphose des Wolff'schen
Körpers und dem Grösserwerden des Hodens schwinden die beiden
Falten des Hodens und kommt derselbe dicht an den Wolff'schen
Gang, jetzt das Vas deferens, zu liegen, und von diesem Momente an
erscheint das Leistenband der Urniere als ein zum männlichen Ge-
schlechtsapparate gehöriger Theil und heisst von nun an Guberna-
culum Hunteri
. Untersucht man dasselbe jetzt, im dritten sowie im
vierten und fünften Monate genauer, so ergibt sich, dass dasselbe
einmal aus einem faserigen Strange, dem eigentlichen Gubernaculum,
und zweitens aus einer dasselbe von vorn und von den Seiten her
umgebenden Bauchfellfalte besteht, für die eine besondere Bezeich-
nung nicht nöthig ist. Beide diese Theile gehen bis zur Leistengegend
herab und verlieren sich hier in dem sogenannten Scheidenfort-
Processus
vaginalis
peritonei
.
satze
des Bauchfelles, Processus vaginalis peritonei. Die-
ser ist nichts anderes als eine Ausstülpung des Bauchfelles, welche
schon im Anfange des dritten Monates ganz selbständig entsteht und
allmälig zu einem die Bauchwand durchsetzenden und bis ins Scro-
tum
sich erstreckenden Peritonealkanale sich gestaltet. Durch die
Entwicklung dieser Ausstülpung des Bauchfelles wird also, wie Sie
sehen, vor dem Durchtritte des Hodens der Leistenkanal gebildet
und gleichzeitig entwickelt sich auch das scheinbar im Processus
vaginalis
, aber doch ausserhalb seiner Bauchfellauskleidung gelegene
Hunter'sche Leitband bis ins Scrotum herab, wo seine Fasern sich
verlieren. Sind die Theile so vorgebildet, so rückt nun der Hoden
mit seinem Bauchfellüberzug bis an den Eingang des Processus vagi-
nalis
, in den er früher oder später meist im siebenten Monate einzu-
treten beginnt, worauf er dann, allmälig in demselben vorrückend,
bald ganz in ihm sich verliert und endlich aus dem Leistenkanale,
in dem er zuerst seine Lage hat, ganz in das Scrotum herabsteigt.
Da nun, wie schon bemerkt, der Hoden seinen Bauchfellüberzug
schon in den Scheidenkanal mitbringt, so erscheint letzterer, sobald

Neununddreissigste Vorlesung.
ritonaei. Das Gubernaculum Hunteri ist ein Gebilde, das ursprüng-
lich dem Wolff’schen Körper angehört (s. Fig. 215) und von seinem
Ausführungsgange gerade abwärts zur Leistengegend sich erstreckt.
So wie der Hoden entstanden und etwas mehr entwickelt ist, besitzt
derselbe, wie Sie schon erfahren haben, einen Bauchfellüberzug und
ein niedriges Gekröse, Mesorchium, und von diesem aus zieht sich
dann eine Verlängerung theils aufwärts (Fig. 215), theils abwärts bis
zu der Stelle des Urnierenganges, an den sein Leistenband sich an-
heftet. Mit dem Schwinden und der Metamorphose des Wolff’schen
Körpers und dem Grösserwerden des Hodens schwinden die beiden
Falten des Hodens und kommt derselbe dicht an den Wolff’schen
Gang, jetzt das Vas deferens, zu liegen, und von diesem Momente an
erscheint das Leistenband der Urniere als ein zum männlichen Ge-
schlechtsapparate gehöriger Theil und heisst von nun an Guberna-
culum Hunteri
. Untersucht man dasselbe jetzt, im dritten sowie im
vierten und fünften Monate genauer, so ergibt sich, dass dasselbe
einmal aus einem faserigen Strange, dem eigentlichen Gubernaculum,
und zweitens aus einer dasselbe von vorn und von den Seiten her
umgebenden Bauchfellfalte besteht, für die eine besondere Bezeich-
nung nicht nöthig ist. Beide diese Theile gehen bis zur Leistengegend
herab und verlieren sich hier in dem sogenannten Scheidenfort-
Processus
vaginalis
peritonei
.
satze
des Bauchfelles, Processus vaginalis peritonei. Die-
ser ist nichts anderes als eine Ausstülpung des Bauchfelles, welche
schon im Anfange des dritten Monates ganz selbständig entsteht und
allmälig zu einem die Bauchwand durchsetzenden und bis ins Scro-
tum
sich erstreckenden Peritonealkanale sich gestaltet. Durch die
Entwicklung dieser Ausstülpung des Bauchfelles wird also, wie Sie
sehen, vor dem Durchtritte des Hodens der Leistenkanal gebildet
und gleichzeitig entwickelt sich auch das scheinbar im Processus
vaginalis
, aber doch ausserhalb seiner Bauchfellauskleidung gelegene
Hunter’sche Leitband bis ins Scrotum herab, wo seine Fasern sich
verlieren. Sind die Theile so vorgebildet, so rückt nun der Hoden
mit seinem Bauchfellüberzug bis an den Eingang des Processus vagi-
nalis
, in den er früher oder später meist im siebenten Monate einzu-
treten beginnt, worauf er dann, allmälig in demselben vorrückend,
bald ganz in ihm sich verliert und endlich aus dem Leistenkanale,
in dem er zuerst seine Lage hat, ganz in das Scrotum herabsteigt.
Da nun, wie schon bemerkt, der Hoden seinen Bauchfellüberzug
schon in den Scheidenkanal mitbringt, so erscheint letzterer, sobald

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0470" n="454"/><fw place="top" type="header">Neununddreissigste Vorlesung.</fw><lb/><hi rendition="#i">ritonaei</hi>. Das <hi rendition="#i">Gubernaculum Hunteri</hi> ist ein Gebilde, das ursprüng-<lb/>
lich dem <hi rendition="#k">Wolff</hi>&#x2019;schen Körper angehört (s. Fig. 215) und von seinem<lb/>
Ausführungsgange gerade abwärts zur Leistengegend sich erstreckt.<lb/>
So wie der Hoden entstanden und etwas mehr entwickelt ist, besitzt<lb/>
derselbe, wie Sie schon erfahren haben, einen Bauchfellüberzug und<lb/>
ein niedriges Gekröse, <hi rendition="#i">Mesorchium</hi>, und von diesem aus zieht sich<lb/>
dann eine Verlängerung theils aufwärts (Fig. 215), theils abwärts bis<lb/>
zu der Stelle des Urnierenganges, an den sein Leistenband sich an-<lb/>
heftet. Mit dem Schwinden und der Metamorphose des <hi rendition="#k">Wolff</hi>&#x2019;schen<lb/>
Körpers und dem Grösserwerden des Hodens schwinden die beiden<lb/>
Falten des Hodens und kommt derselbe dicht an den <hi rendition="#k">Wolff</hi>&#x2019;schen<lb/>
Gang, jetzt das <hi rendition="#i">Vas deferens</hi>, zu liegen, und von diesem Momente an<lb/>
erscheint das Leistenband der Urniere als ein zum männlichen Ge-<lb/>
schlechtsapparate gehöriger Theil und heisst von nun an <hi rendition="#i">Guberna-<lb/>
culum Hunteri</hi>. Untersucht man dasselbe jetzt, im dritten sowie im<lb/>
vierten und fünften Monate genauer, so ergibt sich, dass dasselbe<lb/>
einmal aus einem faserigen Strange, dem eigentlichen <hi rendition="#i">Gubernaculum</hi>,<lb/>
und zweitens aus einer dasselbe von vorn und von den Seiten her<lb/>
umgebenden Bauchfellfalte besteht, für die eine besondere Bezeich-<lb/>
nung nicht nöthig ist. Beide diese Theile gehen bis zur Leistengegend<lb/>
herab und verlieren sich hier in dem sogenannten <hi rendition="#g">Scheidenfort-<lb/><note place="left"><hi rendition="#i">Processus<lb/>
vaginalis<lb/>
peritonei</hi>.</note>satze</hi> des Bauchfelles, <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Processus vaginalis peritonei</hi></hi>. Die-<lb/>
ser ist nichts anderes als eine Ausstülpung des Bauchfelles, welche<lb/>
schon im Anfange des dritten Monates ganz selbständig entsteht und<lb/>
allmälig zu einem die Bauchwand durchsetzenden und bis ins <hi rendition="#i">Scro-<lb/>
tum</hi> sich erstreckenden Peritonealkanale sich gestaltet. Durch die<lb/>
Entwicklung dieser Ausstülpung des Bauchfelles wird also, wie Sie<lb/>
sehen, vor dem Durchtritte des Hodens der Leistenkanal gebildet<lb/>
und gleichzeitig entwickelt sich auch das scheinbar im <hi rendition="#i">Processus<lb/>
vaginalis</hi>, aber doch ausserhalb seiner Bauchfellauskleidung gelegene<lb/><hi rendition="#k">Hunter</hi>&#x2019;sche Leitband bis ins <hi rendition="#i">Scrotum</hi> herab, wo seine Fasern sich<lb/>
verlieren. Sind die Theile so vorgebildet, so rückt nun der Hoden<lb/>
mit seinem Bauchfellüberzug bis an den Eingang des <hi rendition="#i">Processus vagi-<lb/>
nalis</hi>, in den er früher oder später meist im siebenten Monate einzu-<lb/>
treten beginnt, worauf er dann, allmälig in demselben vorrückend,<lb/>
bald ganz in ihm sich verliert und endlich aus dem Leistenkanale,<lb/>
in dem er zuerst seine Lage hat, ganz in das <hi rendition="#i">Scrotum</hi> herabsteigt.<lb/>
Da nun, wie schon bemerkt, der Hoden seinen Bauchfellüberzug<lb/>
schon in den Scheidenkanal mitbringt, so erscheint letzterer, sobald<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[454/0470] Neununddreissigste Vorlesung. ritonaei. Das Gubernaculum Hunteri ist ein Gebilde, das ursprüng- lich dem Wolff’schen Körper angehört (s. Fig. 215) und von seinem Ausführungsgange gerade abwärts zur Leistengegend sich erstreckt. So wie der Hoden entstanden und etwas mehr entwickelt ist, besitzt derselbe, wie Sie schon erfahren haben, einen Bauchfellüberzug und ein niedriges Gekröse, Mesorchium, und von diesem aus zieht sich dann eine Verlängerung theils aufwärts (Fig. 215), theils abwärts bis zu der Stelle des Urnierenganges, an den sein Leistenband sich an- heftet. Mit dem Schwinden und der Metamorphose des Wolff’schen Körpers und dem Grösserwerden des Hodens schwinden die beiden Falten des Hodens und kommt derselbe dicht an den Wolff’schen Gang, jetzt das Vas deferens, zu liegen, und von diesem Momente an erscheint das Leistenband der Urniere als ein zum männlichen Ge- schlechtsapparate gehöriger Theil und heisst von nun an Guberna- culum Hunteri. Untersucht man dasselbe jetzt, im dritten sowie im vierten und fünften Monate genauer, so ergibt sich, dass dasselbe einmal aus einem faserigen Strange, dem eigentlichen Gubernaculum, und zweitens aus einer dasselbe von vorn und von den Seiten her umgebenden Bauchfellfalte besteht, für die eine besondere Bezeich- nung nicht nöthig ist. Beide diese Theile gehen bis zur Leistengegend herab und verlieren sich hier in dem sogenannten Scheidenfort- satze des Bauchfelles, Processus vaginalis peritonei. Die- ser ist nichts anderes als eine Ausstülpung des Bauchfelles, welche schon im Anfange des dritten Monates ganz selbständig entsteht und allmälig zu einem die Bauchwand durchsetzenden und bis ins Scro- tum sich erstreckenden Peritonealkanale sich gestaltet. Durch die Entwicklung dieser Ausstülpung des Bauchfelles wird also, wie Sie sehen, vor dem Durchtritte des Hodens der Leistenkanal gebildet und gleichzeitig entwickelt sich auch das scheinbar im Processus vaginalis, aber doch ausserhalb seiner Bauchfellauskleidung gelegene Hunter’sche Leitband bis ins Scrotum herab, wo seine Fasern sich verlieren. Sind die Theile so vorgebildet, so rückt nun der Hoden mit seinem Bauchfellüberzug bis an den Eingang des Processus vagi- nalis, in den er früher oder später meist im siebenten Monate einzu- treten beginnt, worauf er dann, allmälig in demselben vorrückend, bald ganz in ihm sich verliert und endlich aus dem Leistenkanale, in dem er zuerst seine Lage hat, ganz in das Scrotum herabsteigt. Da nun, wie schon bemerkt, der Hoden seinen Bauchfellüberzug schon in den Scheidenkanal mitbringt, so erscheint letzterer, sobald

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/470
Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/470>, abgerufen am 15.05.2024.