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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Gehörorganes.
Schnecke auftretenden Knochenpuncten aus. Die Zahl dieser ist, wie
richtig angegeben wird, drei, einer an der ersten Windung der
Schnecke und je einer am oberen und hinteren halbkreisförmigen
Kanale, von denen nach und nach die ganze Pars petrosa sammt der
mit ihr verbundenen knorpeligen Pars mastoidea verknöchert, in
einer Weise, die in ihren Einzelnheiten kein grösseres Interesse für
Sie darbietet. Mit der Angabe über die Zeit in der diese Verknöche-
rung eintritt, bin ich dagegen wieder nicht einverstanden. Weder im
dritten noch im vierten Monate, wie behauptet wird, findet sich eine
Spur von Verknöcherung, ja ich habe bei einem 5" langen Embryo
aus der achtzehnten Woche oder der Mitte des fünften Monates im-
mer noch die ganze Pyramide knorpelig gefunden. Erst am Ende des
fünften und besonders im sechsten Monate beginnen die Kalkabla-
gerungen, schreiten dann aber sehr rasch vorwärts. Im sechsten
Monate findet man jedoch nichts als eine schöne netzförmige Knor-
pelverkalkung und noch keine Andeutung von ächtem Knochen, der
erst in den letzten Monaten vom Perioste des Labyrinthes und von
der äusseren Beinhaut aus auftritt, während zugleich im Innern der
Knorpelknochen resorbirt wird und durch eine gefässreiche ächte
Knochensubstanz, die nach und nach feinschwammig wird, sich er-
setzt. Modiolus und Lamina spiralis sind im sechsten Monate noch
ganz häutig und verknöchern erst am Ende der Fötalperiode ohne
jemals knorpelig gewesen zu sein.Entwicklung des
mittleren Ohres.

Von dem mittleren Ohre, zu dem ich nun übergehe, ist
schon in früheren Stunden mehr weniger ausführlich die Rede ge-
wesen (Seite 70, 119, 201, 215 u. flgde.) und wissen Sie bereits,
dass die Paukenhöhle, Tuba Eustachii und der äussere Gehörgang
aus der ersten Kiemenspalte und die Gehörknöchelchen aus dem
ersten und zweiten Kiemenbogen hervorgehen, auch kennen Sie
schon den Annulus tympanicus, einen Belegknochen, der zum knö-
chernen äusseren Gehörgange sich gestaltet. Es wird daher genügen,
die wenigen noch nicht oder nicht genügend erörterten Verhältnisse
zu besprechen und Ihnen mit kurzen Worten das Ganze der Bildung
des mittleren Ohres im Zusammenhange vorzuführen.

Die erste Kiemenspalte, die beim menschlichen Embryo von
vier Wochen noch vollkommen offen ist (Figg. 70 und 114) schliesst
sich in der fünften Woche, jedoch nicht in ihrer Totalität, wie die
anderen Spalten, sondern so, dass zu beiden Seiten der Verschluss-
stelle, welche der äusseren Mündung nahe liegt, der Anfang und

Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 21

Entwicklung des Gehörorganes.
Schnecke auftretenden Knochenpuncten aus. Die Zahl dieser ist, wie
richtig angegeben wird, drei, einer an der ersten Windung der
Schnecke und je einer am oberen und hinteren halbkreisförmigen
Kanale, von denen nach und nach die ganze Pars petrosa sammt der
mit ihr verbundenen knorpeligen Pars mastoidea verknöchert, in
einer Weise, die in ihren Einzelnheiten kein grösseres Interesse für
Sie darbietet. Mit der Angabe über die Zeit in der diese Verknöche-
rung eintritt, bin ich dagegen wieder nicht einverstanden. Weder im
dritten noch im vierten Monate, wie behauptet wird, findet sich eine
Spur von Verknöcherung, ja ich habe bei einem 5″ langen Embryo
aus der achtzehnten Woche oder der Mitte des fünften Monates im-
mer noch die ganze Pyramide knorpelig gefunden. Erst am Ende des
fünften und besonders im sechsten Monate beginnen die Kalkabla-
gerungen, schreiten dann aber sehr rasch vorwärts. Im sechsten
Monate findet man jedoch nichts als eine schöne netzförmige Knor-
pelverkalkung und noch keine Andeutung von ächtem Knochen, der
erst in den letzten Monaten vom Perioste des Labyrinthes und von
der äusseren Beinhaut aus auftritt, während zugleich im Innern der
Knorpelknochen resorbirt wird und durch eine gefässreiche ächte
Knochensubstanz, die nach und nach feinschwammig wird, sich er-
setzt. Modiolus und Lamina spiralis sind im sechsten Monate noch
ganz häutig und verknöchern erst am Ende der Fötalperiode ohne
jemals knorpelig gewesen zu sein.Entwicklung des
mittleren Ohres.

Von dem mittleren Ohre, zu dem ich nun übergehe, ist
schon in früheren Stunden mehr weniger ausführlich die Rede ge-
wesen (Seite 70, 119, 201, 215 u. flgde.) und wissen Sie bereits,
dass die Paukenhöhle, Tuba Eustachii und der äussere Gehörgang
aus der ersten Kiemenspalte und die Gehörknöchelchen aus dem
ersten und zweiten Kiemenbogen hervorgehen, auch kennen Sie
schon den Annulus tympanicus, einen Belegknochen, der zum knö-
chernen äusseren Gehörgange sich gestaltet. Es wird daher genügen,
die wenigen noch nicht oder nicht genügend erörterten Verhältnisse
zu besprechen und Ihnen mit kurzen Worten das Ganze der Bildung
des mittleren Ohres im Zusammenhange vorzuführen.

Die erste Kiemenspalte, die beim menschlichen Embryo von
vier Wochen noch vollkommen offen ist (Figg. 70 und 114) schliesst
sich in der fünften Woche, jedoch nicht in ihrer Totalität, wie die
anderen Spalten, sondern so, dass zu beiden Seiten der Verschluss-
stelle, welche der äusseren Mündung nahe liegt, der Anfang und

Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 21
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[321/0337] Entwicklung des Gehörorganes. Schnecke auftretenden Knochenpuncten aus. Die Zahl dieser ist, wie richtig angegeben wird, drei, einer an der ersten Windung der Schnecke und je einer am oberen und hinteren halbkreisförmigen Kanale, von denen nach und nach die ganze Pars petrosa sammt der mit ihr verbundenen knorpeligen Pars mastoidea verknöchert, in einer Weise, die in ihren Einzelnheiten kein grösseres Interesse für Sie darbietet. Mit der Angabe über die Zeit in der diese Verknöche- rung eintritt, bin ich dagegen wieder nicht einverstanden. Weder im dritten noch im vierten Monate, wie behauptet wird, findet sich eine Spur von Verknöcherung, ja ich habe bei einem 5″ langen Embryo aus der achtzehnten Woche oder der Mitte des fünften Monates im- mer noch die ganze Pyramide knorpelig gefunden. Erst am Ende des fünften und besonders im sechsten Monate beginnen die Kalkabla- gerungen, schreiten dann aber sehr rasch vorwärts. Im sechsten Monate findet man jedoch nichts als eine schöne netzförmige Knor- pelverkalkung und noch keine Andeutung von ächtem Knochen, der erst in den letzten Monaten vom Perioste des Labyrinthes und von der äusseren Beinhaut aus auftritt, während zugleich im Innern der Knorpelknochen resorbirt wird und durch eine gefässreiche ächte Knochensubstanz, die nach und nach feinschwammig wird, sich er- setzt. Modiolus und Lamina spiralis sind im sechsten Monate noch ganz häutig und verknöchern erst am Ende der Fötalperiode ohne jemals knorpelig gewesen zu sein. Entwicklung des mittleren Ohres. Von dem mittleren Ohre, zu dem ich nun übergehe, ist schon in früheren Stunden mehr weniger ausführlich die Rede ge- wesen (Seite 70, 119, 201, 215 u. flgde.) und wissen Sie bereits, dass die Paukenhöhle, Tuba Eustachii und der äussere Gehörgang aus der ersten Kiemenspalte und die Gehörknöchelchen aus dem ersten und zweiten Kiemenbogen hervorgehen, auch kennen Sie schon den Annulus tympanicus, einen Belegknochen, der zum knö- chernen äusseren Gehörgange sich gestaltet. Es wird daher genügen, die wenigen noch nicht oder nicht genügend erörterten Verhältnisse zu besprechen und Ihnen mit kurzen Worten das Ganze der Bildung des mittleren Ohres im Zusammenhange vorzuführen. Die erste Kiemenspalte, die beim menschlichen Embryo von vier Wochen noch vollkommen offen ist (Figg. 70 und 114) schliesst sich in der fünften Woche, jedoch nicht in ihrer Totalität, wie die anderen Spalten, sondern so, dass zu beiden Seiten der Verschluss- stelle, welche der äusseren Mündung nahe liegt, der Anfang und Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 21

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/337>, abgerufen am 19.05.2024.