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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Auges.
fänge der Ciliarfortsätze auf der Zonula Zinnii gegen den Rand der
Linse hinzieht.

Zum richtigen Verständnisse der gefässreichen Linsenkapsel habe
ich Ihnen nun noch anzuführen, dass dieselbe, bevor die Iris gebildet
ist, mit ihrer vorderen Wand ganz genau der Linse anliegt. So wie
aber die Iris hervorwächst, stülpt sie die genannte Wand etwas ein,
woher es dann kommt, dass die Pupillarhaut vom Rande der Iris aus
erst ein wenig auf die vordere Irisfläche übergeht und dann erst sich
umbiegt, um die Pupille zu verschliessen. Nichts destoweniger liegt
auch nach dem Hervorsprossen der Iris die Membrana capsulo-pupil-
laris
und pupillaris der Linse genau an und fehlt eine hintere Au-
genkammer ebenso wie beim Erwachsenen ganz und gar. Ja es fehlt
selbst die vordere Augenkammer beim Fötus bis gegen das Ende der
Schwangerschaft, zu welcher Zeit sie ganz langsam sich entwickelt,
und liegt daher die Linse auch später dicht an der Cornea, nur durch
die Pupillarhaut von ihr getrennt.

Die gefässhaltige Kapsel der Linse hat die Aufmerksamkeit derBedeutung der
gefässhaltigen
Kapsel.

Anatomen und Aerzte schon lange auf sich gezogen und ist es be-
sonders die Pupillarmembran gewesen, welche das Interesse dess-
halb erregte, weil sie in gewissen Fällen beim neugebornen Kinde
noch existirt und die sogenannte angeborene Verschliessung der Pu-
pille (Atresia pupillae congenita) bewirkt. Diese practische Seite die-
ser Angelegenheit führte dann zu einer genaueren Untersuchung der
Pupillarhaut sowie überhaupt der ganzen gefässhaltigen Kapsel, in
welcher Beziehung ich Ihnen nun noch Folgendes zu sagen habe.
Die gefässhaltige Kapsel erhält ihre Gefässe schon im zweiten Monate
des Embryonallebens und zeigt dieselben von da an bis zum sechs-
ten und siebenten Monate aufs zierlichste entwickelt. Von da an
beginnt der Schwund derselben und eine Resorption der sie tragen-
den bindegewebigen Haut, die jedoch, wenn man die Angaben aller
Autoren zusammenfasst, an keine ganz bestimmte Zeit gebunden ist,
so dass sich nur so viel sagen lässt, dass in der Regel beim Neuge-
borenen von der ganzen Bildung nichts mehr sich vorfindet. -- Die
physiologische Bedeutung der gefässreichen Kapsel der Linse
anlangend, so unterliegt es mir keinem Zweifel, dass dieselbe als
eigentliches Ernährungsorgan der Linse anzusehen ist. Es gilt als
allgemeine Regel für die höheren Geschöpfe, dass wachsende Theile
mehr Blutgefässe besitzen als fertige Theile, und bewahrheitet sich
diess beim Embryo aufs bestimmteste an den Knorpeln, den Kno-

Entwicklung des Auges.
fänge der Ciliarfortsätze auf der Zonula Zinnii gegen den Rand der
Linse hinzieht.

Zum richtigen Verständnisse der gefässreichen Linsenkapsel habe
ich Ihnen nun noch anzuführen, dass dieselbe, bevor die Iris gebildet
ist, mit ihrer vorderen Wand ganz genau der Linse anliegt. So wie
aber die Iris hervorwächst, stülpt sie die genannte Wand etwas ein,
woher es dann kommt, dass die Pupillarhaut vom Rande der Iris aus
erst ein wenig auf die vordere Irisfläche übergeht und dann erst sich
umbiegt, um die Pupille zu verschliessen. Nichts destoweniger liegt
auch nach dem Hervorsprossen der Iris die Membrana capsulo-pupil-
laris
und pupillaris der Linse genau an und fehlt eine hintere Au-
genkammer ebenso wie beim Erwachsenen ganz und gar. Ja es fehlt
selbst die vordere Augenkammer beim Fötus bis gegen das Ende der
Schwangerschaft, zu welcher Zeit sie ganz langsam sich entwickelt,
und liegt daher die Linse auch später dicht an der Cornea, nur durch
die Pupillarhaut von ihr getrennt.

Die gefässhaltige Kapsel der Linse hat die Aufmerksamkeit derBedeutung der
gefässhaltigen
Kapsel.

Anatomen und Aerzte schon lange auf sich gezogen und ist es be-
sonders die Pupillarmembran gewesen, welche das Interesse dess-
halb erregte, weil sie in gewissen Fällen beim neugebornen Kinde
noch existirt und die sogenannte angeborene Verschliessung der Pu-
pille (Atresia pupillae congenita) bewirkt. Diese practische Seite die-
ser Angelegenheit führte dann zu einer genaueren Untersuchung der
Pupillarhaut sowie überhaupt der ganzen gefässhaltigen Kapsel, in
welcher Beziehung ich Ihnen nun noch Folgendes zu sagen habe.
Die gefässhaltige Kapsel erhält ihre Gefässe schon im zweiten Monate
des Embryonallebens und zeigt dieselben von da an bis zum sechs-
ten und siebenten Monate aufs zierlichste entwickelt. Von da an
beginnt der Schwund derselben und eine Resorption der sie tragen-
den bindegewebigen Haut, die jedoch, wenn man die Angaben aller
Autoren zusammenfasst, an keine ganz bestimmte Zeit gebunden ist,
so dass sich nur so viel sagen lässt, dass in der Regel beim Neuge-
borenen von der ganzen Bildung nichts mehr sich vorfindet. — Die
physiologische Bedeutung der gefässreichen Kapsel der Linse
anlangend, so unterliegt es mir keinem Zweifel, dass dieselbe als
eigentliches Ernährungsorgan der Linse anzusehen ist. Es gilt als
allgemeine Regel für die höheren Geschöpfe, dass wachsende Theile
mehr Blutgefässe besitzen als fertige Theile, und bewahrheitet sich
diess beim Embryo aufs bestimmteste an den Knorpeln, den Kno-

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[295/0311] Entwicklung des Auges. fänge der Ciliarfortsätze auf der Zonula Zinnii gegen den Rand der Linse hinzieht. Zum richtigen Verständnisse der gefässreichen Linsenkapsel habe ich Ihnen nun noch anzuführen, dass dieselbe, bevor die Iris gebildet ist, mit ihrer vorderen Wand ganz genau der Linse anliegt. So wie aber die Iris hervorwächst, stülpt sie die genannte Wand etwas ein, woher es dann kommt, dass die Pupillarhaut vom Rande der Iris aus erst ein wenig auf die vordere Irisfläche übergeht und dann erst sich umbiegt, um die Pupille zu verschliessen. Nichts destoweniger liegt auch nach dem Hervorsprossen der Iris die Membrana capsulo-pupil- laris und pupillaris der Linse genau an und fehlt eine hintere Au- genkammer ebenso wie beim Erwachsenen ganz und gar. Ja es fehlt selbst die vordere Augenkammer beim Fötus bis gegen das Ende der Schwangerschaft, zu welcher Zeit sie ganz langsam sich entwickelt, und liegt daher die Linse auch später dicht an der Cornea, nur durch die Pupillarhaut von ihr getrennt. Die gefässhaltige Kapsel der Linse hat die Aufmerksamkeit der Anatomen und Aerzte schon lange auf sich gezogen und ist es be- sonders die Pupillarmembran gewesen, welche das Interesse dess- halb erregte, weil sie in gewissen Fällen beim neugebornen Kinde noch existirt und die sogenannte angeborene Verschliessung der Pu- pille (Atresia pupillae congenita) bewirkt. Diese practische Seite die- ser Angelegenheit führte dann zu einer genaueren Untersuchung der Pupillarhaut sowie überhaupt der ganzen gefässhaltigen Kapsel, in welcher Beziehung ich Ihnen nun noch Folgendes zu sagen habe. Die gefässhaltige Kapsel erhält ihre Gefässe schon im zweiten Monate des Embryonallebens und zeigt dieselben von da an bis zum sechs- ten und siebenten Monate aufs zierlichste entwickelt. Von da an beginnt der Schwund derselben und eine Resorption der sie tragen- den bindegewebigen Haut, die jedoch, wenn man die Angaben aller Autoren zusammenfasst, an keine ganz bestimmte Zeit gebunden ist, so dass sich nur so viel sagen lässt, dass in der Regel beim Neuge- borenen von der ganzen Bildung nichts mehr sich vorfindet. — Die physiologische Bedeutung der gefässreichen Kapsel der Linse anlangend, so unterliegt es mir keinem Zweifel, dass dieselbe als eigentliches Ernährungsorgan der Linse anzusehen ist. Es gilt als allgemeine Regel für die höheren Geschöpfe, dass wachsende Theile mehr Blutgefässe besitzen als fertige Theile, und bewahrheitet sich diess beim Embryo aufs bestimmteste an den Knorpeln, den Kno- Bedeutung der gefässhaltigen Kapsel.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/311>, abgerufen am 24.11.2024.