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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Sechsundzwanzigste Vorlesung.
hirns statt hat. Im 3. Monate (Fig. 109, 111, 116) hat das Cerebellum
wesentlich noch dieselbe Gestalt, doch sind jetzt schon die seitlichen
Theile etwas dicker als die Mitte, die später zum Wurme sich ge-
[Abbildung] Fig. 117.
staltet. Eine merkwürdige schon
von älteren Beobachtern (Tiede-
mann, Schönlein
) theilweise ge-
sehene und in neuester Zeit von
Schmidt genauer beschriebene
Bildung ist eine dünne Lamelle,
die das kleine Gehirn mit dem
Membrana
obturatoria
ventriculi IV.
verlängerten Marke verbindet und die Rautengrube grösstentheils
schliesst. Nach meinen Beobachtungen verhält sich diese Bildung,
die ich die Membrana obturatoria ventriculi quarli nenne, folgender
Maassen. Vom ganzen hinteren Umfange des Cerebellum nach unten
zu geht eine dünne Membran aus, welche, wenn sie abgerissen ist,
als ein vorspringender scharfer Rand erscheint (Figg. 109, 111 mo),
den auch schon Tiedemann gesehen hat. Der Theil dieser Haut nun,
der von den Seitentheilen des Cerebellum ausgeht, wendet sich bau-
chig vortretend nach unten gegen das verlängerte Mark, um, so scheint
es, unmittelbar mit dem strangförmigen Körper oder dem Rande der
Fovea rhomboidalis sich zu verbinden. Hierbei zeigt der vordere und
der hintere Theil der Lamelle ein etwas verschiedenes Verhalten. Vorn
nämlich geht dieselbe ziemlich gerade abwärts und vereinigt sich un-
mittelbar mit dem Corpus restiforme. Weiter nach hinten dagegen
biegt sich dieselbe zuerst weit einwärts und verbindet sich mit einem
andern Blatte, welches vom Rande des Sinus rhomboidalis horizontal
nach innen vortritt (Fig. 116). So entsteht hier wie eine Duplicatur
mit einem scharfen concaven Rande nach innen, welche beim Präpa-
riren der Theile an der Medulla oblongata sitzen bleibt. Beide Blätter
dieser Verdoppelung gehen brückenförmig von einer Seite zur andern
und der vordere Rand des oberen Blattes verbindet sich dann auch
mit dem Wurm. Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass die Duplica-
tur in der hinteren Mittellinie sehr wenig entwickelt ist. Sehr deut-
lich erscheint diese ganze Bildung im 4. Monate, aus welcher Zeit
die Fig 118 entnommen ist. Bei diesem Embryo erschien die Mem-
brana obturatoria
mit ihrem oberen, vom Cerebellum ausgehenden
Theile wie ein besonderer zweibäuchiger Lappen desselben und liess
hinten ein rautenförmiges quergestelltes Loch offen, das durch die
[Abbildung]

Fig. 117. Die Erklärung siehe Fig. 105. S. 227.

Sechsundzwanzigste Vorlesung.
hirns statt hat. Im 3. Monate (Fig. 109, 111, 116) hat das Cerebellum
wesentlich noch dieselbe Gestalt, doch sind jetzt schon die seitlichen
Theile etwas dicker als die Mitte, die später zum Wurme sich ge-
[Abbildung] Fig. 117.
staltet. Eine merkwürdige schon
von älteren Beobachtern (Tiede-
mann, Schönlein
) theilweise ge-
sehene und in neuester Zeit von
Schmidt genauer beschriebene
Bildung ist eine dünne Lamelle,
die das kleine Gehirn mit dem
Membrana
obturatoria
ventriculi IV.
verlängerten Marke verbindet und die Rautengrube grösstentheils
schliesst. Nach meinen Beobachtungen verhält sich diese Bildung,
die ich die Membrana obturatoria ventriculi quarli nenne, folgender
Maassen. Vom ganzen hinteren Umfange des Cerebellum nach unten
zu geht eine dünne Membran aus, welche, wenn sie abgerissen ist,
als ein vorspringender scharfer Rand erscheint (Figg. 109, 111 mo),
den auch schon Tiedemann gesehen hat. Der Theil dieser Haut nun,
der von den Seitentheilen des Cerebellum ausgeht, wendet sich bau-
chig vortretend nach unten gegen das verlängerte Mark, um, so scheint
es, unmittelbar mit dem strangförmigen Körper oder dem Rande der
Fovea rhomboidalis sich zu verbinden. Hierbei zeigt der vordere und
der hintere Theil der Lamelle ein etwas verschiedenes Verhalten. Vorn
nämlich geht dieselbe ziemlich gerade abwärts und vereinigt sich un-
mittelbar mit dem Corpus restiforme. Weiter nach hinten dagegen
biegt sich dieselbe zuerst weit einwärts und verbindet sich mit einem
andern Blatte, welches vom Rande des Sinus rhomboidalis horizontal
nach innen vortritt (Fig. 116). So entsteht hier wie eine Duplicatur
mit einem scharfen concaven Rande nach innen, welche beim Präpa-
riren der Theile an der Medulla oblongata sitzen bleibt. Beide Blätter
dieser Verdoppelung gehen brückenförmig von einer Seite zur andern
und der vordere Rand des oberen Blattes verbindet sich dann auch
mit dem Wurm. Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass die Duplica-
tur in der hinteren Mittellinie sehr wenig entwickelt ist. Sehr deut-
lich erscheint diese ganze Bildung im 4. Monate, aus welcher Zeit
die Fig 118 entnommen ist. Bei diesem Embryo erschien die Mem-
brana obturatoria
mit ihrem oberen, vom Cerebellum ausgehenden
Theile wie ein besonderer zweibäuchiger Lappen desselben und liess
hinten ein rautenförmiges quergestelltes Loch offen, das durch die
[Abbildung]

Fig. 117. Die Erklärung siehe Fig. 105. S. 227.

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[244/0260] Sechsundzwanzigste Vorlesung. hirns statt hat. Im 3. Monate (Fig. 109, 111, 116) hat das Cerebellum wesentlich noch dieselbe Gestalt, doch sind jetzt schon die seitlichen Theile etwas dicker als die Mitte, die später zum Wurme sich ge- [Abbildung Fig. 117.] staltet. Eine merkwürdige schon von älteren Beobachtern (Tiede- mann, Schönlein) theilweise ge- sehene und in neuester Zeit von Schmidt genauer beschriebene Bildung ist eine dünne Lamelle, die das kleine Gehirn mit dem verlängerten Marke verbindet und die Rautengrube grösstentheils schliesst. Nach meinen Beobachtungen verhält sich diese Bildung, die ich die Membrana obturatoria ventriculi quarli nenne, folgender Maassen. Vom ganzen hinteren Umfange des Cerebellum nach unten zu geht eine dünne Membran aus, welche, wenn sie abgerissen ist, als ein vorspringender scharfer Rand erscheint (Figg. 109, 111 mo), den auch schon Tiedemann gesehen hat. Der Theil dieser Haut nun, der von den Seitentheilen des Cerebellum ausgeht, wendet sich bau- chig vortretend nach unten gegen das verlängerte Mark, um, so scheint es, unmittelbar mit dem strangförmigen Körper oder dem Rande der Fovea rhomboidalis sich zu verbinden. Hierbei zeigt der vordere und der hintere Theil der Lamelle ein etwas verschiedenes Verhalten. Vorn nämlich geht dieselbe ziemlich gerade abwärts und vereinigt sich un- mittelbar mit dem Corpus restiforme. Weiter nach hinten dagegen biegt sich dieselbe zuerst weit einwärts und verbindet sich mit einem andern Blatte, welches vom Rande des Sinus rhomboidalis horizontal nach innen vortritt (Fig. 116). So entsteht hier wie eine Duplicatur mit einem scharfen concaven Rande nach innen, welche beim Präpa- riren der Theile an der Medulla oblongata sitzen bleibt. Beide Blätter dieser Verdoppelung gehen brückenförmig von einer Seite zur andern und der vordere Rand des oberen Blattes verbindet sich dann auch mit dem Wurm. Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass die Duplica- tur in der hinteren Mittellinie sehr wenig entwickelt ist. Sehr deut- lich erscheint diese ganze Bildung im 4. Monate, aus welcher Zeit die Fig 118 entnommen ist. Bei diesem Embryo erschien die Mem- brana obturatoria mit ihrem oberen, vom Cerebellum ausgehenden Theile wie ein besonderer zweibäuchiger Lappen desselben und liess hinten ein rautenförmiges quergestelltes Loch offen, das durch die [Abbildung Fig. 117. Die Erklärung siehe Fig. 105. S. 227.] Membrana obturatoria ventriculi IV.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/260>, abgerufen am 21.05.2024.