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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Dreiundzwanzigste Vorlesung.

Indem ich es den Handbüchern der vergleichenden Anatomie
und der Histologie überlasse, Sie einerseits über die Tragweite des
eben erwähnten Grundsatzes, andererseits über die mikroscopi-
schen Verhältnisse bei der Entwicklung der einzelnen Schädelkno-
chen weiter aufzuklären, füge ich nun zunächst noch einige Bemer-
kungen über einen Knochen bei, welcher eigentlich nicht in den
Felsenbein.Schädeltypus gehört. Es ist diess das Felsenbein mit seiner Pyra-
mide und der Pars mastoidea. Diese beiden Theile, knorpelig vor-
gebildet und mit dem Primordialcranium innig verschmolzen, gehen
unstreitig aus derselben skelettbildenden Schicht hervor, welche das
Primordialcranium liefert; allein sie gehören nicht zu dem gewöhn-
lichen Wirbeltypus, dem der Schädel, wenigstens in seinen hintern
Theilen, folgt, und bezeichnet man daher dieselben mit Recht als
Sinnesknochen oder als Stücke, welche zur Umschliessung eines
Sinnesapparats dienen. Die Verknöcherung dieser Schädeltheile
schildere ich Ihnen später beim Gehörorgane.

Vergleichung des
Schädels mit der
Wirbelsäule.
Erlauben Sie mir nun noch die Frage zu besprechen, wie sich
der Schädel zur Wirbelsäule verhält, ob am Schädel Wirbel ange-
nommen werden dürfen oder nicht. Bekanntermaassen hat Oken im
Anfange dieses Jahrhunderts die Wirbeltheorie des Schädels aufge-
stellt und behauptet, dass der Schädel aus einer Reihe von Wirbeln
bestehe und nichts als eine modificirte Wirbelsäule sei. Ueber die
Richtigkeit dieser Theorie wurde viel hin und her gestritten, und
gingen auch diejenigen, welche sie anerkannten, in ihren Ansichten
über die Zahl der Schädelwirbel selbst wieder aus einander, indem
die Einen drei, Andere vier, wieder andere eine noch grössere An-
zahl von Schädelwirbeln annahmen. Durch die neueren Untersu-
chungen über die Entwicklung des Schädels und der Wirbelsäule
hat sich diese Angelegenheit nun ziemlich geklärt, und lässt sich,
Bedeutung des
Hinterhaupts-
beins,
wie mir scheint, mit Bestimmtheit Folgendes aufstellen. Am Schä-
del findet sich auf jeden Fall Ein Theil, welcher noch ziemlich
genau einem Wirbel entspricht, und das ist das Hinterhaupts-
bein
. Der Körper des Hinterhauptsbeines entwickelt sich um die
Chorda dorsalis herum, welche, wie ich Ihnen früher angab, anfangs
in die Schädelbasis hineingeht, und entspricht mithin ganz einem
Wirbelkörper; ebenso sind die Partes condyloideae und der knorpe-
lige Theil der Squama oder der untere Theil der knöchernen Squama
ihrer ganzen Entwicklung nach einem Wirbelbogen und einem Dorn-
fortsatze gleich zu setzen. Das Bild eines Wirbels, das uns somit das

Dreiundzwanzigste Vorlesung.

Indem ich es den Handbüchern der vergleichenden Anatomie
und der Histologie überlasse, Sie einerseits über die Tragweite des
eben erwähnten Grundsatzes, andererseits über die mikroscopi-
schen Verhältnisse bei der Entwicklung der einzelnen Schädelkno-
chen weiter aufzuklären, füge ich nun zunächst noch einige Bemer-
kungen über einen Knochen bei, welcher eigentlich nicht in den
Felsenbein.Schädeltypus gehört. Es ist diess das Felsenbein mit seiner Pyra-
mide und der Pars mastoidea. Diese beiden Theile, knorpelig vor-
gebildet und mit dem Primordialcranium innig verschmolzen, gehen
unstreitig aus derselben skelettbildenden Schicht hervor, welche das
Primordialcranium liefert; allein sie gehören nicht zu dem gewöhn-
lichen Wirbeltypus, dem der Schädel, wenigstens in seinen hintern
Theilen, folgt, und bezeichnet man daher dieselben mit Recht als
Sinnesknochen oder als Stücke, welche zur Umschliessung eines
Sinnesapparats dienen. Die Verknöcherung dieser Schädeltheile
schildere ich Ihnen später beim Gehörorgane.

Vergleichung des
Schädels mit der
Wirbelsäule.
Erlauben Sie mir nun noch die Frage zu besprechen, wie sich
der Schädel zur Wirbelsäule verhält, ob am Schädel Wirbel ange-
nommen werden dürfen oder nicht. Bekanntermaassen hat Oken im
Anfange dieses Jahrhunderts die Wirbeltheorie des Schädels aufge-
stellt und behauptet, dass der Schädel aus einer Reihe von Wirbeln
bestehe und nichts als eine modificirte Wirbelsäule sei. Ueber die
Richtigkeit dieser Theorie wurde viel hin und her gestritten, und
gingen auch diejenigen, welche sie anerkannten, in ihren Ansichten
über die Zahl der Schädelwirbel selbst wieder aus einander, indem
die Einen drei, Andere vier, wieder andere eine noch grössere An-
zahl von Schädelwirbeln annahmen. Durch die neueren Untersu-
chungen über die Entwicklung des Schädels und der Wirbelsäule
hat sich diese Angelegenheit nun ziemlich geklärt, und lässt sich,
Bedeutung des
Hinterhaupts-
beins,
wie mir scheint, mit Bestimmtheit Folgendes aufstellen. Am Schä-
del findet sich auf jeden Fall Ein Theil, welcher noch ziemlich
genau einem Wirbel entspricht, und das ist das Hinterhaupts-
bein
. Der Körper des Hinterhauptsbeines entwickelt sich um die
Chorda dorsalis herum, welche, wie ich Ihnen früher angab, anfangs
in die Schädelbasis hineingeht, und entspricht mithin ganz einem
Wirbelkörper; ebenso sind die Partes condyloideae und der knorpe-
lige Theil der Squama oder der untere Theil der knöchernen Squama
ihrer ganzen Entwicklung nach einem Wirbelbogen und einem Dorn-
fortsatze gleich zu setzen. Das Bild eines Wirbels, das uns somit das

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[204/0220] Dreiundzwanzigste Vorlesung. Indem ich es den Handbüchern der vergleichenden Anatomie und der Histologie überlasse, Sie einerseits über die Tragweite des eben erwähnten Grundsatzes, andererseits über die mikroscopi- schen Verhältnisse bei der Entwicklung der einzelnen Schädelkno- chen weiter aufzuklären, füge ich nun zunächst noch einige Bemer- kungen über einen Knochen bei, welcher eigentlich nicht in den Schädeltypus gehört. Es ist diess das Felsenbein mit seiner Pyra- mide und der Pars mastoidea. Diese beiden Theile, knorpelig vor- gebildet und mit dem Primordialcranium innig verschmolzen, gehen unstreitig aus derselben skelettbildenden Schicht hervor, welche das Primordialcranium liefert; allein sie gehören nicht zu dem gewöhn- lichen Wirbeltypus, dem der Schädel, wenigstens in seinen hintern Theilen, folgt, und bezeichnet man daher dieselben mit Recht als Sinnesknochen oder als Stücke, welche zur Umschliessung eines Sinnesapparats dienen. Die Verknöcherung dieser Schädeltheile schildere ich Ihnen später beim Gehörorgane. Felsenbein. Erlauben Sie mir nun noch die Frage zu besprechen, wie sich der Schädel zur Wirbelsäule verhält, ob am Schädel Wirbel ange- nommen werden dürfen oder nicht. Bekanntermaassen hat Oken im Anfange dieses Jahrhunderts die Wirbeltheorie des Schädels aufge- stellt und behauptet, dass der Schädel aus einer Reihe von Wirbeln bestehe und nichts als eine modificirte Wirbelsäule sei. Ueber die Richtigkeit dieser Theorie wurde viel hin und her gestritten, und gingen auch diejenigen, welche sie anerkannten, in ihren Ansichten über die Zahl der Schädelwirbel selbst wieder aus einander, indem die Einen drei, Andere vier, wieder andere eine noch grössere An- zahl von Schädelwirbeln annahmen. Durch die neueren Untersu- chungen über die Entwicklung des Schädels und der Wirbelsäule hat sich diese Angelegenheit nun ziemlich geklärt, und lässt sich, wie mir scheint, mit Bestimmtheit Folgendes aufstellen. Am Schä- del findet sich auf jeden Fall Ein Theil, welcher noch ziemlich genau einem Wirbel entspricht, und das ist das Hinterhaupts- bein. Der Körper des Hinterhauptsbeines entwickelt sich um die Chorda dorsalis herum, welche, wie ich Ihnen früher angab, anfangs in die Schädelbasis hineingeht, und entspricht mithin ganz einem Wirbelkörper; ebenso sind die Partes condyloideae und der knorpe- lige Theil der Squama oder der untere Theil der knöchernen Squama ihrer ganzen Entwicklung nach einem Wirbelbogen und einem Dorn- fortsatze gleich zu setzen. Das Bild eines Wirbels, das uns somit das Vergleichung des Schädels mit der Wirbelsäule. Bedeutung des Hinterhaupts- beins,

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/220>, abgerufen am 24.11.2024.