am Ende ein dünner compacter Knochen entsteht, dessen weitere Entwicklung wir hier nicht zu verfolgen haben. Wesentlich in der- selben Weise bilden sich alle andern Deckknochen, wobei nur das zu bemerken ist, dass die kleineren von Anfang an in mehr com- pacter Gestalt auftreten, wie zum Beispiel die obere Hälfte der Schuppe des Hinterhauptsbeines, von der ich Ihnen hier eine Abbil-
[Abbildung]
Fig. 92.
dung vorlege (Fig. 92), die Nasenbeine und andere, sowie dass die Zeit des ersten Auftretens derselben an das Ende des zweiten und den Anfang des dritten Monates fällt.
Die richtige Auffassung dieser Verhältnisse, die Unterscheidung von zweierlei Knochen, einmal von primordialen Knochen, welche aus dem Primordialcranium entstehen, und zweitens von Deck- oder Belegknochen, ist meiner Meinung nach von grosser Wichtigkeit, jedoch weniger in histologischer Beziehung -- da wir jetzt durch H. Müller wissen, dass nirgends, auch bei den knorpe- lig vorgebildeten Knochen nicht, ächtes Knochengewebe unmittelbar aus Knorpel hervorgeht -- als mit Hinsicht auf die Morphologie, in- sonderheit die vergleichende Anatomie und hat sich unstreitig Jacobson, der zum ersten Male diese Unterscheidung aufstellte (s. Müller's Arch. 1844), durch dieselbe ein grosses Verdienst erworben. Erst seitdem diese Unterscheidung besteht, sind wir zu einer richtigen Deutung der Schädelknochen der verschiedenen Wirbelthiere ge- langt, erst seit dieser Zeit konnte der Grundsatz ausgesprochen wer- den, dass alle Schädelknochen im ganzen Thierreiche in zwei besondere und scharf getrennte Gruppen zerfallen, sowie dass vom morphologischen Gesichtspuncte aus nur Deckknochen mit Deck- knochen und primordiale Knochen mit solchen in Vergleichung gezogen werden dürfen. Von diesem Standpuncte aus sind weder die Functionen noch die Lagerung der Knochen das Maassgebende, sondern einzig und allein ihre Entwicklung.
[Abbildung]
Fig. 92. Obere Hälfte der Schuppe eines 14 Wochen alten Fötus. a Stel- len, wo dieselbe mit dem untern Stücke bereits verschmolzen ist.
Entwicklung der Knochensystems.
am Ende ein dünner compacter Knochen entsteht, dessen weitere Entwicklung wir hier nicht zu verfolgen haben. Wesentlich in der- selben Weise bilden sich alle andern Deckknochen, wobei nur das zu bemerken ist, dass die kleineren von Anfang an in mehr com- pacter Gestalt auftreten, wie zum Beispiel die obere Hälfte der Schuppe des Hinterhauptsbeines, von der ich Ihnen hier eine Abbil-
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Fig. 92.
dung vorlege (Fig. 92), die Nasenbeine und andere, sowie dass die Zeit des ersten Auftretens derselben an das Ende des zweiten und den Anfang des dritten Monates fällt.
Die richtige Auffassung dieser Verhältnisse, die Unterscheidung von zweierlei Knochen, einmal von primordialen Knochen, welche aus dem Primordialcranium entstehen, und zweitens von Deck- oder Belegknochen, ist meiner Meinung nach von grosser Wichtigkeit, jedoch weniger in histologischer Beziehung — da wir jetzt durch H. Müller wissen, dass nirgends, auch bei den knorpe- lig vorgebildeten Knochen nicht, ächtes Knochengewebe unmittelbar aus Knorpel hervorgeht — als mit Hinsicht auf die Morphologie, in- sonderheit die vergleichende Anatomie und hat sich unstreitig Jacobson, der zum ersten Male diese Unterscheidung aufstellte (s. Müller’s Arch. 1844), durch dieselbe ein grosses Verdienst erworben. Erst seitdem diese Unterscheidung besteht, sind wir zu einer richtigen Deutung der Schädelknochen der verschiedenen Wirbelthiere ge- langt, erst seit dieser Zeit konnte der Grundsatz ausgesprochen wer- den, dass alle Schädelknochen im ganzen Thierreiche in zwei besondere und scharf getrennte Gruppen zerfallen, sowie dass vom morphologischen Gesichtspuncte aus nur Deckknochen mit Deck- knochen und primordiale Knochen mit solchen in Vergleichung gezogen werden dürfen. Von diesem Standpuncte aus sind weder die Functionen noch die Lagerung der Knochen das Maassgebende, sondern einzig und allein ihre Entwicklung.
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Fig. 92. Obere Hälfte der Schuppe eines 14 Wochen alten Fötus. a Stel- len, wo dieselbe mit dem untern Stücke bereits verschmolzen ist.
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Entwicklung der Knochensystems.
am Ende ein dünner compacter Knochen entsteht, dessen weitere
Entwicklung wir hier nicht zu verfolgen haben. Wesentlich in der-
selben Weise bilden sich alle andern Deckknochen, wobei nur das
zu bemerken ist, dass die kleineren von Anfang an in mehr com-
pacter Gestalt auftreten, wie zum Beispiel die obere Hälfte der
Schuppe des Hinterhauptsbeines, von der ich Ihnen hier eine Abbil-
[Abbildung Fig. 92.]
dung vorlege (Fig. 92), die Nasenbeine und andere, sowie dass die
Zeit des ersten Auftretens derselben an das Ende des zweiten und
den Anfang des dritten Monates fällt.
Die richtige Auffassung dieser Verhältnisse, die Unterscheidung
von zweierlei Knochen, einmal von primordialen Knochen,
welche aus dem Primordialcranium entstehen, und zweitens von
Deck- oder Belegknochen, ist meiner Meinung nach von grosser
Wichtigkeit, jedoch weniger in histologischer Beziehung — da wir
jetzt durch H. Müller wissen, dass nirgends, auch bei den knorpe-
lig vorgebildeten Knochen nicht, ächtes Knochengewebe unmittelbar
aus Knorpel hervorgeht — als mit Hinsicht auf die Morphologie, in-
sonderheit die vergleichende Anatomie und hat sich unstreitig Jacobson,
der zum ersten Male diese Unterscheidung aufstellte (s. Müller’s
Arch. 1844), durch dieselbe ein grosses Verdienst erworben. Erst
seitdem diese Unterscheidung besteht, sind wir zu einer richtigen
Deutung der Schädelknochen der verschiedenen Wirbelthiere ge-
langt, erst seit dieser Zeit konnte der Grundsatz ausgesprochen wer-
den, dass alle Schädelknochen im ganzen Thierreiche in zwei
besondere und scharf getrennte Gruppen zerfallen, sowie dass vom
morphologischen Gesichtspuncte aus nur Deckknochen mit Deck-
knochen und primordiale Knochen mit solchen in Vergleichung
gezogen werden dürfen. Von diesem Standpuncte aus sind weder
die Functionen noch die Lagerung der Knochen das Maassgebende,
sondern einzig und allein ihre Entwicklung.
[Abbildung Fig. 92. Obere Hälfte der Schuppe eines 14 Wochen alten Fötus. a Stel-
len, wo dieselbe mit dem untern Stücke bereits verschmolzen ist. ]
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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/219>, abgerufen am 25.07.2024.
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